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Beitrag vom 27.10.2016 - 09:24 Uhr
UserHurzPurz
User (283 Beiträge)
Um die Dimensionen zu begreifen: Die neue Nordwest-Startbahn in Frankfurt hat inklusive Grundstückskauf, Tunneln, Brücken und Naturschutzausgleichsmaßnahmen 760 Millionen EURO gekostet. Die in London geplante Bahn kostet ungefähr das Dreißigfache.

Die größeren Kapazitäten in Heathrow wollen alle, aber es weisen auch alle auf das Problem höherer Gebühren hin. IAG am deutlichsten - die drohen schlicht mit dem Wegzug bei Gebührenerhöhungen. Heathrow ist von den Gebühren her schon heute ein teurer Airport. Das wird mit Kosten um die 25 Mrd. EUR die mit Abstand teuerste Startbahn auf diesem Planeten. Das muss refinanziert werden und das wird ohne signifikante Gebührenerhöhungen nicht möglich sein. man kann das anhand erwarteter Passagierzahlen auf 30 Jahre überschlägig durchrechnen.

Noch höhere Gebühren kosten schlicht Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt rund um London 4 weitere Airports und die mit riesigem Abstand größte Airlinegruppe in Heathrow (IAG) betreibt mit Madrid und Dublin auch heute schon Hubs im Ausland. Man hat also Alternativen.

Auch vergessen wird: Ein signifikanter Teil des Flugverkehrs ab Heathrow hat damit zu tun, das London heute die bedeutendste Finanzmetropole der Welt ist (noch vor New York, Hong Kong, Singapur). Das wird sich durch den Brexit ändern und wahrscheinlich zu herben Passagierrückgängen führen.

Das was eigentlich die Zukunft von Heathrow sichern soll, nämlich die gigantische Investition in eine neue Startbahn, hat großes Potential, sich zum Desaster zu entwickeln. Natürlich will der Flughafenbetreiber das Risiko trotzdem eingehen. Jetzt nicht Heathrow sondern einen anderen Flughafen auszubauen, würde einen massiven Bedeutungsverlust für Heathrow bedeuten, eventuell sogar den Tod auf Raten. Da geht man lieber das Risiko dieser gigantischen Investition ein und hofft, dass das irgendwie doch gut geht.



Dieser Beitrag wurde am 27.10.2016 09:34 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 27.10.2016 - 13:08 Uhr
Userbob.gedat
User (677 Beiträge)
@Guido3: Kann mich der Analyse nur anschließen. Das Projekt hat darüber hinaus aber auch eine geopolitische Dimension.

Das Weltfinanzzentrum London lebt von seinen globalen Verbindungen und die sind nur über ein zukunftsfähiges Hubsystem möglich. Dieses Geschäft ist heute von starkem Wettbewerb geprägt, weltweit. 2015 hat LHR bei der Konnektivität erstmalig seinen Platz unter den Top 10 eingebüßt (Aktuell Platz 13). Stark im Vormarsch, die Asiaten in Nah und Fernost, und die Amerikaner.

Die Entstehung neuer Megahubs am Bosporus, am Golf und in China zwingen London zum Handeln. Bei höchst unterschiedlicher Interessenlage zwischen Standort und Eigentümer. In Istanbul, Dubai und Peking steht der Staat dahinter, in Heathrow private (chinesische) Interessen. Das Mega-Abenteuer Heathrow Neu muss sich selber finanzieren. Und genau daran kann es scheitern. Am Ende dürften die rund 25 Milliarden Pfund durchaus realistisch sein. Die aber müssen erstmal vorfinanziert werden, höchstwahrscheinlich aus Gebührenerhöhungen als Vorleistung (der Kunden) für den Neubau. Die aus dem Ausbau prognostizierte Wertschöpfung von rund 200 Milliarden kommt aber hauptsächlich dem Standort zugute, und nur zum kleinen Teil dem Airport.

Dazu steht das Projekt auch unter Zeitdruck: Die Neubauten in Istanbul, Dubai und Peking gehen bereits Ende der Dekade ans Netz. Intrakontinental ist das eine mächtige Konkurrenz. Zeitdruck dürfte auch ein wesentlicher Entscheidungsfaktor gegen das (teilstaatliche) Themseprojekt gewesen sein, nicht nur die utopischen Kosten von bis zu 100 Milliarden Pfund. Die könnten sich ja durchaus rechnen. Die Wertschöpfung bei einem kompletten Neubau läge nochmals deutlich höher als in Heathrow.

Mehr Kapazität in Gatwick wäre eine Alternative, dazu braucht es aber die Kooperation der Airlines. Eine Aufgabenteilung a la Moskau wäre durchaus möglich, nur wollen das weder die Airlines noch der Standort.

Ich glaube, das Thema wird letztlich aber weder vom Standort (Regierung) noch von den Eigentümern entschieden, sondern von den Londonern. Ein Megaairport (120m+ Passagiere) mitten in der Stadt ist heute einfach nicht mehr drinnen. Allein schon wegen unabdingbarer Konsequenzen aus dem Pariser Klimaabkommen, und das spricht klar und deutlich GEGEN das Projekt.

Als wahrscheinlichsten Ausweg aus dem Dilemma sehe ich eine tiefgreifende Neuordnung des Londoner Airport Systems. Mit einem qualitativen Ausbau des Zentralairports Heathrow (ohne dritte Bahn) und quantitative Ausbauten der dezentralen Airports Gatwick und Stansted. Und letztlich (wie in der Vergangenheit) auch eine weitere Aufwertung der regionalen Standorte in Nordengland, Schottland und Nordirland. Die Briten werden sich daran gewöhnen müssen, dass sie im Weltkonzert halt nicht mehr die erste Geige spielen, und daran würde mit Sicherheit auch der Themseairport nichts ändern. Ihr Brexit freilich schon gar nicht.