EuGH-Urteil
Älter als 7 Tage

Kläger: Einzelfalllösungen statt neuer Altersgrenzen

Lufthansa
Lufthansa Boeing 747-400, © Deutsche Lufthansa AG

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LUXEMBURG - Der Pilotenberuf gilt als Traumjob. Während andere Berufsgruppen sich gegen Arbeit bis ins hohe Alter sträuben, haben drei Lufthansa-Piloten dagegen gekämpft, mit 60 Jahren in den Zwangsruhestand geschickt zu werden - und bekamen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht. Das Argument der Kläger: "Wir sind fit und kompetent und möchten weiterfliegen." Alles andere wäre nach Ansicht der Richter Altersdiskriminierung.

Das Musterurteil sorgt in der Branche, aber auch darüber hinaus für Aufsehen. Als konkrete Folge muss die Lufthansa den Tarifvertrag für die rund 4.200 Piloten neu aushandeln. Voraussichtlich werde man die alte Regelung beibehalten und zusätzlich älteren Piloten auf freiwilliger Basis ein längeres Berufsleben ermöglichen, heißt es in Luftverkehrskreisen.

Aber auch der Airline Condor stehen Klagen ins Haus. Der Anwalt der drei Kläger, Ekkehard Helmig, vertritt 75 Piloten in ähnlichen Fällen gegenüber Lufthansa und Condor. "Wir wollen nun mit den Fluggesellschaften in Kontakt treten und Einzelfalllösungen anstreben", kündigte Helmig an.

Auch andere Berufsgruppen denken neu nach. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) prüft das Urteil auf mögliche Folgen. Die rund 2.000 Lotsen in Deutschland gehen bislang mit 55 in den Ruhestand - wenn sie wollen, auch schon mit 52 Jahren.

Die meisten Lufthansa-Piloten dürften den Klageerfolg des Trios allerdings eher als Bärendienst empfinden. Die Übergangsversorgung in die Rente oberhalb von 80 Prozent der letzten Bezüge hat ihnen bislang den Vorruhestand versüßt. Davon können Piloten etwa beim wichtigsten nationalen Konkurrenten Air Berlin nur träumen, denn dort wird bis 65 geflogen.

Bislang dürfen nach internationalen Standards Piloten bis zum Alter von 65 Jahren ins Cockpit von Passagier- und Frachtmaschinen steigen; ab 60 aber nur noch mit einem jüngeren Piloten an ihrer Seite. Aus Kulanz haben viele Airlines mit den Gewerkschaften niedrigere Grenzen vereinbart. In der Realität verlassen die meisten Kapitäne in Europa das Cockpit laut Europäischer Pilotenvereinigung ECA schon früher.

Sind ältere Piloten ein Risiko? "Die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder eine schwere Krankheit wegen Schichtarbeit zu bekommen, steigt im Alter", sagt der Sprecher der Vereinigung Cockpit (VC), Jörg Handwerg. Zahlen über Unfälle lägen aber nicht vor. Eine Studie der kalifornischen Stanford Universität kam 2007 nach Tests an 118 Piloten zu einem anderen Ergebnis. Demnach machten Piloten über 60 ihren Job sogar besser als jüngere Kollegen. "Wer die Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer richtig einschätzen will, darf nicht nur einfach mit der Stoppuhr die Reaktionen messen", lautete das Fazit der Studienleiterin Joy Taylor.

Den drei Piloten wird das Urteil allerdings die Rückkehr ins Cockpit nicht mehr möglich machen: Nach den Worten ihres Anwalts Helmig erreicht einer bald die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren, ein anderer ist bereits gestorben.
© dpa | Abb.: Deutsche Lufthansa AG | 14.09.2011 08:27


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