Boeing, Dezember 2003: Vorstandschef Phil Condit tritt im Sog zweier Skandale im Rüstungsgeschäft zurück. Der Konzern soll sich in einer Ausschreibung illegal Einsicht in Dokumente seines Wettbewerbers Lockheed Martin verschafft haben.
Fast zeitgleich fliegt auf, dass die an der Vergabe eines Milliardenauftrags für neue Tankflugzeuge beteiligte US-Air-Force-Angestellte Darleen Druyun auch von Boeing ein Gehalt bezieht. Eilig holt Boeing Harry Stonecipher aus dem Ruhestand zurück auf den Chefsessel.
Boeing, März 2005: Nach nur 15 Monaten stolpert Stonecipher über eine Beziehung mit einer Mitarbeiterin. Nur einen Monat zuvor verurteilte ein Gericht den früheren Finanzvorstand Michael Sears im Zuge der Druyun-Affäre zu vier Monaten Haft.
Jetzt war die Zeit endgültig reif für einen Externen - Boeing wirbt Jim McNerney als Krisenmanager von 3M ab. Aus heutiger Sicht ein mehr als glücklicher Griff.
McNerney macht reinen Tisch und akzeptiert 2006 eine Strafzahlung von 615 Millionen US Dollar, um die Rüstungsskandale juristisch beizulegen. Damals war diese Vergleichssumme das höchste je gegen einen Wirtschaftskonzern in den USA verhängte Bußgeld.
Erbittert kämpfte McNerney anschließend um die Tankerausschreibung und zog den 100-Milliarden-US-Dollar-Auftrag letztlich für Boeing an Land. Zeitgleich stemmte der Konzern einen gewaltigen Ausbau seiner zivilen Produktion.
Lieferte Boeing 2005 nur 290 Verkehrsflugzeuge aus sollen es in diesem Jahr mindestens 750 Stück werden. Der Produktionsausbau brachte die Lieferkette mehr als einmal an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Boeing plagten Qualitätprobleme.
Die Hausgewerkschaft nutzte die steigenden Stückzahlen, um einen neuen Tarif zu erzwingen. Am 07. September 2008 legten 27.000 Mechaniker die Arbeit für fast zwei Monate nieder. Der Streik traf Boeing in einem ohnehin schwierigen Umfeld hart.
Ein Jahr nach dem Streik ließ McNerney in South Carolina eine zusätzliche Endlinie für die 787 errichten, Boeings erste zivile Endmontage außerhalb Washingtons. Gewerkschaften haben in South Carolina wenig Einfluss.
Geringere Risikobereitschaft
Für die erste 747 nahm Boeing so viele Schulden auf wie kein Konzern zuvor. Die 777 wettete auf eine Zukunft, in der Langstrecken mit nur zwei Triebwerken bewältigt würden. Boeing ging seit jeher Risiken ein, die sich am Ende stets auszahlten.
Genau jene Tradition wollten McNerneys Vorgänger mit der 787 fortsetzen. McNerney erbte aber nicht nur eine technisch wie logistisch unterschätzte Neuentwicklung, sondern auch luftige Versprechen an die Kunden. Die Erfahrungen mit dem Dreamliner und der 2005 unter McNerney gestarteten 747-8 haben die Boeing-Denke für immer verändert.
"Technologien erst über 25 Jahre zu sammeln und weitere, nicht absehbare Risiken einzugehen ist in diesem Geschäft der falsche Ansatz", nach dem Boeing gleichwohl "von 707 bis 787" seine Flugzeuge entwickelt habe, sagte McNerney 2014.
"Wir möchten mehr sein wie Apple und neue Technologien schneller verfügbar machen", erklärte McNerney Analysten das Umdenken. Statt mit neuen Programmen "nach den Sternen zu greifen", lerne Boeing jetzt, "verfügbare Technologien mit der Zeit in bestehende Plattformen einfließen zu lassen".
Die ersten Früchte der neuen Strategie heißen 737 MAX und 777X, die Muilenburg 2017 und 2020 am Markt einführen soll. Seit 18 Monaten arbeitet Muilenburg als Chief Operating Officer Seite an Seite mit McNerney zusammen und teilt dessen Verständnis von einem zeitgemäßen Flugzeugbau.
"Zehn gut geplante, risikoarme Schritte führen uns zum selben Ziel, wie ein großer Schritt", pflichtete Muilenburg McNerney bei.
Boeing setzt auf Kontinuität
Warum auch nicht - immerhin übernimmt Muilenburg anders als einst McNerney einen finanziell soliden und skandalfreien Konzern. Muilenburg kennt auch die anderen Zeiten. Der 51jährige Ingenieur begann bei Boeing 1985 als Praktikant und arbeitete sich durch die Ränge hoch.
Als neuer Chef wird Muilenburg das letzte Wort darüber haben, ob Boeing die 777-Rate vor Einführung der 777X zurücknimmt und ob Seattle mit einem Nachfolger der 757 vielleicht doch nochmal ins Risiko geht. Sein Mandat ist aber Kontinuität. Boeing sehnt die turbulenten Zeiten nicht zurück.
© aero.de | Abb.: Boeing | 24.06.2015 13:47
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Die B747-400 war natürlich vor der A380, aber auf die ist die aktuell verkaufte B747 eine reaktion, nachdem Boeing durch Pseudo Zusammenarbeit das Projekt A380 erst für unmöglich erklärt und dann verzögert hat, dann aber in die Klemme kam, als Airbus es trotzdem gemacht hat.
Die 787 ist die Konsequenz aus den wegbrechenden Verkäufen der B767 nachdem die A330 kam und die B777 nicht mehr verkleinert werden konnte, Worauf Airbus, diletantisch mit der ursprünglichen A50 reagiert hat, die aber abgelehnt wurde und dann die A350XWB initiert wurde.
Nachdem die sich noch schneller verkaufte als die B787 reagiert Boeing im oberen Segment der Twins (den die -1000 angriff) mit der -9X
Boeing war natürlich zuerst am Markt, ihre Innovationen der frühen Düsenluftfahrt haben sie aber sehr selbstzufrieden und viel zu leichtgläubig gemacht. Als Airbus auf den Markt kam, hat Boeing sie belächelt. Als die A320 kam, hat man diese belächelt, musste dann schnell die B737NG bringen, weil dieses europäische Spielzeug ja doch Marktanteile wegnam. Als Airbus dann die A330 und A340 brachte, musste man die B777 entwickeln (die wahrlich ein mehr als ebenbürtiger Gegner für die etwasw kleineren Eropäer ist). Und dann wollte Airbus noch den Heimatmarkt der B747 angreifen....
Also seit Airbus am Markt ist, reagiert Boeing oftmals durchaus verspätet, siehe auch den Einsatz von Kohlefasergroßbauteilen in der Zivilluftfahrt. Auch da hat man ewig gelacht bis man dann die B787 entwickelte (musste)
Ich habe an diesen User nur eine Frage.
Da ich Laie bin will ich mal fragen war Airbus zuerst auf den Markt oder Boeing.
Aus ihren Bericht lese ich das so das Boeing immer nur auf Airbus Neuentwicklungen eine Antwort hat.
Also war z.B. die A 380 vor der 747,der A350 vor der B787 und ebenfalls die 777 nach der A 350.
Das Projekt wurde Dezember 2003 gestartet und die McNerney kam 2005 zu Boeing. Der Erstflug fand am 15. Dezember 2009 statt. Der Rollout eines zusammengeflickten Flugzeuges am 7-8-7 ging auf sein Konto.
Das Boeing heute noch Gewinne ausweisen kann, liegt an den zurückgestellten Produktionskosten für die 787 und 747-8i.
Ja das mit den Produktionskosten ist ein Thema, das hier gerne übergangen wird. Boeing nutzt eine US GAAP Spezialität des sogenannten Program Accountings und setzt die Produktionskosten von der ersten 787 an so an, wie man es im Durchschnitt von 1.300 Maschinen erwartet. Dadurch wurden auf die ersten Maschinen anders als auf die A380 keine Verluste gebucht. Inzwischen sind da 27 Mrd. Dollar aufgelaufen, die bei Airbus als Aufwand gebucht wären.
http://www.boeing.com/investors/accounting-considerations.page/
McNerney als Finanzfachmann hat an solchen Augenwischereien einen wesentlichen Anteil. Allerdings kann ich bei Boeing nichts erkennen, dass für die 747-8i noch Produktionskosten zurückgestellt sind