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Volle Flieger – und als Gewinn ein Sandwich

Sonnenaufgang am Flughafen München
Sonnenaufgang am Flughafen München, © Lufthansa

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KAPSTADT - Was bleibt einer Fluggesellschaft von einem Passagier? Ganze vier Dollar (3,07 Euro) Gewinn, sagt der Chef des internationalen Luftfahrtverbands, Tony Tyler, beim Branchentreffen in Kapstadt. "Das ist weniger, als ein Sandwich in der Regel kostet." Bei Billigfliegern wie Ryanair gab es das Inklusiv-Brötchen noch nie. Für Bordverpflegung kassieren die Iren gesondert ab. Inzwischen setzen Fluggesellschaften in aller Welt auf solche Zusatzerlöse - und nähern sich dem Billigflieger-Konzept an.

Gleichzeitig lockt an Bord der Flieger aus Nah- und Fernost der Luxus.

"Manche Fluggesellschaften verschwinden, andere kommen hinzu, daran wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern", beschreibt Tyler den Strukturwandel. Die Branche müsse aber auch mit Widrigkeiten fertig werden, die nichts mit der erbitterten Konkurrenz in der Luftfahrt zu tun haben. Die Unfähigkeit der Europäer etwa, den Weg zu einer effizienteren Flugsicherung und Optimierung der Verkehrsströme im Luftverkehr zu finden, mache ihn "wahnsinnig vor Enttäuschung", schimpft der Branchenchef.

Auch beim Kampf für deutlich weniger CO2-Ausstoß fühlt sich die Branche von der Politik im Stich gelassen. "Der weltweite Flickenteppich von unkoordinierten, sich überschneidenden, widersprüchlichen Vorschriften" sei "extrem problematisch", sagt IATA-Umweltdirektor Paul Steele. Ähnlich schimpft IATA-Chef Tyler über den Verbraucherschutz. Auf den Philippinen sei vorgeschrieben, wie Fluglinien ihre Werbung gestalteten. In den USA müssten Reservierungen akzeptiert werden, auch wenn dafür nicht bezahlt werde.

Dabei sind die Airlines schon enorm gefordert. Die Gewinnspannen in der Luftfahrt sind knapp bemessen - auch weil die Branche lange ohne Rücksicht auf Verluste gewachsen ist. Oft entscheiden wenige verkaufte Tickets oder eine kleine Schwankung beim Ölpreis darüber, ob ein Flug Profit abwirft oder nicht. Inzwischen haben viele angeschlagene Gesellschaften die Bremsklappen ausgefahren. Air Berlin, Air France-KLM , die spanische Iberia aber auch die vergleichsweise profitable Lufthansa streichen zusammen mehr als zehntausend Arbeitsplätze. Teilweise schrumpft sogar die Flotte.

Der Wandel dürfte damit jedoch nicht zu Ende sein, schätzt Steffen Wagner, Luftfahrtexperte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. "Auf der Kostenseite sind die Einsparungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft, weshalb die Airlines ihr Geschäftsmodell grundsätzlich hinterfragen werden." Die Billigflieger können ihre Tickets dank geringerer Betriebskosten im Zweifel günstiger anbieten als Lufthansa & Co. Dabei entscheide der Kunde fast nur noch nach dem Preis, sagt Wagner. Markentreue war einmal.

Die Lufthansa hat reagiert. Die Billigtochter Germanwings übernimmt von der Kranichlinie alle Europaflüge abseits der Drehkreuze Frankfurt und München. Die Passagiere entscheiden künftig, ob sie nur den Flug von A nach B haben wollen - oder für Verpflegung, einen aufgegebenen Koffer und mehr Beinfreiheit tiefer in die Tasche greifen. Auch die Billigflieger ändern sich. So bieten Ryanair und Easyjet eine Sitzplatzreservierung an - natürlich gegen Extra-Geld.

Der Trend zum Baustein-Preis lässt sich an den Umsätzen der Branche ablesen. Stammte im Jahr 2007 weltweit nur jeder zweihundertste Umsatz-Dollar aus Zusatzgeschäften, war es im vergangenen Jahr schon jeder zwanzigste. Auch diesem Jahr dürfte der Anteil deutlich wachsen, schätzt die IATA.

Trotz verbesserter Aussichten kann von satten Gewinnen kaum die Rede sein. Lediglich 1,8 Prozent der Umsätze bleiben als Gewinn bei den Fluglinien hängen. 12,7 Milliarden Dollar dürften sie laut IATA weltweit in diesem Jahr verdienen, nur 1,6 Milliarden davon entfallen auf die Gesellschaften in Europa. Während die Branche jammert, soll das Wachstum weitergehen: mit erstmals mehr als 3,1 Milliarden Fluggästen und so prall gefüllten Fliegern wie nie zuvor.
© dpa-AFX | 04.06.2013 15:31


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