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MTU: PurePower PW1000G ein voller Erfolg

MÜNCHEN - MTU Aero Engines hat die Zeichen der Zeit richtig gedeutet und sich früh an der Wiederbelebung der Getriebefan-Technologie beteiligt. Mit der Bombardier CSeries hob in der vergangenen Woche erstmals ein Flugzeug allein mit den PurePower-Triebwerken des MTU-Partners Pratt&Whitney ab. Auf aero.de erklärt Dr. Jörg-Michael Henne, Leiter der MTU Entwicklungsabteilung, wieviel MTU in dem außerordentlich erfolgreichen Triebwerksprogramm steckt.


aero.de:
Herr Dr. Henne, im Getriebefan arbeitet ein Untersetzungsgetriebe zwischen Fan und Verdichter. Welche Vorteile bietet dieser technologische Kniff?


Dr. Henne:
Der Getriebefan (GTF) zeichnet sich durch ein Untersetzungsgetriebe zwischen dem Fan und der antreibenden Niederdruckturbine aus. Bei herkömmlichen Antrieben sind beide durch eine Welle direkt miteinander verbunden. Durch das Getriebe kann der Fan mit seinem großen Durchmesser langsamer drehen und die Turbine erheblich schneller. Dadurch erreichen beide Komponenten ihr jeweiliges Optimum und verhelfen dem Getriebefan zu einem sehr hohen Wirkungsgrad.

Zudem wird der Antrieb leichter, da weniger Teile und Stufen benötigt werden. Das verringert Treibstoffverbrauch und Kohlendioxidausstoß um je 15 Prozent und halbiert den subjektiv empfundenen Lärm.

Interview mit Dr. Jörg-Michael Henne am 19.09.2013 in München, © aero.de


aero.de:
Avro-Jets flogen bereits in den 1980er-Jahren mit Getriebefan-Triebwerken. Haben neue Werkstoffe und Produktionsverfahren etwas am Grundprinzip dieser Technologie verändert?

Dr. Henne:
Das Grundprinzip der Getriebefan-Triebwerke ist geblieben. Allerdings haben die Triebwerke damals noch nicht den vollen Nutzen aus dem Getriebe gezogen. Die heutige Generation der Getriebefan-Triebwerke kombiniert die Vorteile des Getriebes mit den fortschrittlichsten Technologien in den einzelnen Turbokomponenten.

In den Verdichtern verwenden wir gewichtsoptimierte Titanlegierungen, die Scheiben sind integral mit den Schaufeln verbunden um noch mehr Gewicht zu sparen und zur Abdichtung verwenden wir Bürstendichtungen. Auch in der Turbine kommen besonders leistungsfähige und zugleich leichte Materialien zum Einsatz wie beispielsweise Titanaluminid für die Laufschaufeln der hinteren Stufen. Die Produktionsverfahren sind an die jeweiligen Bauweisen und Materialien der Bauteile angepasst.

aero.de:
Welchen Anteil hatte die MTU an der Entwicklung des aktuellen PurePower-Antriebs und welche GTF-Komponenten produziert Ihr Unternehmen heute in Serie?

Dr. Henne:
Der Getriebefan ist ein Gemeinschaftsprodukt der MTU und unseres Partners Pratt & Whitney. Die MTU steuert zum GTF die schnelllaufende Niederdruckturbine bei, für deren Technologie wir im Frühjahr dieses Jahres zwei deutsche Innovationspreise erhalten haben, sowie die Hälfte des Hochdruckverdichters.

Die ersten vier Stufen des Hochdruckverdichters stammen von der MTU, die letzten vier von Pratt & Whitney. Der komplette Kompressor entsteht in der innovativen Blisk-Bauweise, bei der die Scheibe und die Schaufeln integral aus einem Rohteil hergestellt werden. Die ersten Serienteile sind bereits ausgeliefert worden.

Darüber hinaus montiert die MTU 30 Prozent der Gesamttriebwerke PW1100G-JM für die A320neo; die Serienmontage dieser Triebwerke findet ab dem Jahr 2015 in München statt.

aero.de:
Welchen Stellenwert nehmen die Getriebefan-Programme innerhalb der MTU ein?

Dr. Henne:
Die Getriebefan-Familie PurePower PW1000G hat für die MTU einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist für uns ein voller Erfolg. So hohe Verkaufszahlen für ein neues Triebwerk, welches noch nicht einmal im Markt eingeführt ist, gab es noch nie. Der GTF-Auftragsbestand beläuft sich derzeit auf rund 4.700 Bestellungen. Mit einer derart rasanten Marktdurchdringung haben wir nicht gerechnet.

Das gesamte Marktvolumen der Flugzeuge, die mit Getriebefan ausgerüstet werden können, wird auf rund 21.000 Flugzeuge in den nächsten 20 Jahren geschätzt (Kurz- / Mittelstreckenflugzeuge: 16.000 bis 17.000; Regionalflugzeug-Markt: 4.300). Airbus rechnet allein für das A320neo-Modell mit einem Bedarf zwischen 4.000 und 6.000 Flugzeugen.

Die MTU verbindet mit dem GTF eine Premiere: 30 Prozent der Triebwerke für die A320neo werden bei der MTU Aero Engines in München endmontiert. Damit haben wir zum ersten Mal in München eine zivile Triebwerks-Endmontagelinie.

Um den hohen GTF-Bedarf decken zu können, haben wir in den Ausbau der Produktion am Hauptsitz des Unternehmens in München investiert. Dort wurde am 16. April 2013 ein neues Kompetenzzentrum für die Blisk-Fertigung eingeweiht. Die MTU ist weltweit einer der führen-den Hersteller von Verdichter-Blisken. Pro Jahr werden derzeit etwa 600 Stück gefertigt; ab dem Jahr 2016 sollen es rund 3.500 Stück sein.

aero.de:
PurePower-Triebwerke werden derzeit für die Bombardier CSeries, den Airbus A320neo, den Mitsubishi MRJ und die Irkut MS-21 angeboten. Was unterscheidet die Triebwerke?

Dr. Henne:
Mittlerweile gibt es noch eine weitere Anwendung: Embraer hat den Getriebefan als exklusiven Antrieb für seine neue Generation der E-Jets ausgewählt, die ab 2018 in Service gehen werden.

Die GTF-Triebwerke verwenden die gleiche Triebwerks-Architektur und decken insgesamt einen Schubbereich von 17 klbf bis 33 klbf Schub ab, also einen Faktor von 2 in der Triebwerksleistung. Wir verwenden dazu 3 verschiedene geometrische Größen für das Triebwerk. Entsprechend sind die Fandurchmesser unterschiedlich. Mit diesen 3 verschiedenen Triebwerken werden insgesamt sechs verschiedene Flugzeuge ausgerüstet.

aero.de:

Würde der Getriebefan auch an einem Langstreckenflugzeug Sinn machen / entwickeln Sie in diese Richtung?

Dr. Henne:
Der Getriebefan ist auch für Langstreckenflugzeuge aufgrund des sehr niedrigen Verbrauchs sehr attraktiv. Das zeigen unsere Studien deutlich. Derzeit sind wir aber noch gut ausgelastet mit der Entwicklung und Serieneinführung der Triebwerke für die ge-nannten Mittelstreckenflugzeuge.

aero.de:
Sehen Sie bei Mantelstromtriebwerken noch Potenziale für weitere Verbesserungen des Verbrauchs oder muss die Entwicklung in Richtung Open Rotor gehen?

Dr. Henne:
Der Getriebefan als die neueste Form des Mantelstromtriebwerkes steht gerade erst am Anfang seiner Nutzung. Er hat noch erhebliches Potenzial zur weiteren Senkung des Verbrauchs. Die Potenziale liegen in einem höheren Vortriebswirkungsgrad durch vergrößerte Fans, die durch das Getriebe erst möglich werden, in verbesserten Turbokomponenten und in leichteren Werkstoffen in Verbindung mit neu entworfenen Flugzeugen.

Einen noch geringeren Kraftstoffverbrauch als der GTF könnte möglicherweise der Open Rotor haben, der allerdings mit mehreren, zum Teil gravierenden Nachteilen zu kämpfen hat, darunter Lärm und die Installation am Flugzeug. Der Open Rotor könnte frühestens in zwölf bis 15 Jahren zur Anwendung kommen. Bis dahin hat der Getriebefan bezüglich der Marktreife eindeutig einen Vorteil erworben und weitere Entwicklungsstufen erreicht.

Wir setzen daher weiter auf den Getriebefan. Langfristig sehen wir das Potenzial zur Senkung des Verbrauchs durch die Nutzung von Wärmetauschern, mit denen der thermodynamische Prozess noch effizienter wird.
© aero.de | Abb.: Bombardier | 27.09.2013 06:55


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Beitrag vom 17.10.2021 - 20:05 Uhr
was ist, gibt es Probleme?
Beitrag vom 16.08.2021 - 10:34 Uhr
@FloCo:
Das 'bemängele' ich an dem Beitrag:
"Planungen gibt es schon etwas länger. Nur haben die keinen der jeden Nasenpopel ins aero Forum schreibt. Und das hat auch seine Gründe. Und die Ereignisse überschlagen sich aktuell etwas schneller als auch Sie und ich uns das wohl ausmalen konnten. Andererseits kann man nicht bei jedem Ereignis gleich und sofort mit Sack und Pack das Land verlassen. Man hat eine Botschaft in dem Land eingerichtet die schließlich hoheitliche Aufgaben zu erledigen hat, incl. Betreuung der sich vor Ort befindlichen deutschen Bürger.".
Weil es nicht stimmt, quasi komplett falsch ist (und mich, wie schon öfters, diskreditieren sollte).

Außenminister H.Maas und Verteidigungsministerin A.Kramp-Karrenbauer werden zu Recht kritisiert - weil sie die Lage völlig falsch eingeschätzt und entsprechend schlecht 'vorbereitet' haben. Das kann man in anderen Medien (nicht Luftfahrtforen) nachlesen, z.B. auf Spiegel.de.

Aber prinzipiell haben Sie Beide Recht, ich hätte darauf gar nicht reagieren sollen. Mein Fehler.

Tut mir leid, aber ich kann in dem von Ihnen bemängelten Kommentar keinerlei Bezug zu Ihrem Kommentar sehen. Wie soll dieser Kommentar Sie dann diskreditieren?
Der User @Otto West redet über Planungen, die Sie mit keinem Wort erwähnt haben, der User @GB allerdings schon. Wie schaffen Sie es da sich gleich wieder in die Opferrolle zu lesen, dass Sie der User hier diskreditieren will? Der Kommentar von @74 bitte 63 würde dazu taugen; auf den nehmen Sie aber keinen Bezug.

Genau genommen antworten Sie jetzt hier auf einen Kommentar, der keinen wirklichen Bezug zu dem Ihrigen hat mit einer Beleidigung... und das gerade von Ihnen, wo Sie doch immer so sehr auf den guten Umgangston achten und immer sofort nach Moderation, Sperrungen und sonstigen rufen, wenn Sie sich angegriffen fühlen...

Das ist das, was ich nicht verstehe hier...

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