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Air Berlin – der Sanierer verlässt das Cockpit

Air Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer
Air Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer, © Air Berlin

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BERLIN - Wäre es möglich, hätte Wolfgang Prock-Schauer als Chef von Air Berlin sicher graue Haare bekommen. Doch der Österreicher war längst schlohweiß, als er vor zwei Jahren das Cockpit von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft übernahm.

In der Zwischenzeit hat der 57-Jährige kaum eine gute Nachricht verkündet - dafür die schlechten ganz wienerisch mit einem Lächeln dekoriert.

Für die Rettung der angeschlagenen Airline reicht das nicht. Jetzt rückt Prock-Schauer zurück in die zweite Reihe - "auf eigenen Wunsch", wie die Fluggesellschaft betont. Im Februar übernimmt der frühere Lufthanseat und Weltenbummler im Airlineauftrag Stefan Pichler.

Der Zeitpunkt ist für Air Berlin kein schlechter. Die Sanierung war ohnehin nicht so recht ins Rollen gekommen. Es gab große Worte, doch an den Tabus rüttelte Prock-Schauer bestenfalls zaghaft. Dabei ist Deutschlands Nummer zwei am Himmel schon lange im Krisenmodus.

Rote Zahlen schreibt das Unternehmen mit einer vom arabischen Großaktionär Etihad beförderten Ausnahme seit sechs Jahren. 2013 standen unter dem Strich ein Minus von rund 316 Millionen Euro und Schulden von 796 Millionen Euro. Im Grunde hält Etihad Air Berlin über Wasser.

Jede Menge Gegenläufer

Vor diesem Hintergrund war Prock-Schauers Aufgabe auch eine Art Himmelfahrtskommando. Er versuche ja zu sparen, sagte er kürzlich. "Aber wir haben jede Menge Gegenläufer." Manchmal wünsche er sich in Länder zurück, wo eine Restrukturierung einfacher sei, sagte der erfahrene Manager. Er klang etwas hilflos.

Überhaupt ist Prock-Schauer - ganz anders als sein Vorgänger Hartmut Mehdorn - kein Mann der lauten Auftritte. Und offenkundig auch kein Mann der schmerzhaften Schritte. Erst kündigte er vor Monaten eine "tiefgreifende Neustrukturierung" ohne Tabus an - um jetzt zu betonen, viele hätten zu Unrecht den "ganz radikalen großen Wurf erwartet". Hauptsächlich soll die Flotte von 144 Maschinen noch einmal um 10 Flugzeuge schrumpfen, die Flugbasen werden reduziert.

Nun rückt Prock-Schauer also eine Stufe zurück. Er bekommt seinen alten Posten als Chefstratege wieder, von dem er vor zwei Jahren zum Airline-Chef aufgestiegen war. Er soll die Streckennetze umgestalten und rentabler machen. Strategiedenken im Hintergrund, das könnte eher sein Ding sein, als die Show in der ersten Reihe.

Dahin rückt ein alter Hase. Stefan Pichler hat 25 Jahre Branchenerfahrung, führte zuletzt die Fiji Airways wieder in die Gewinnzone. Verwaltungsrats-Chef Hans-Joachim Körber nennt ihn eine "starke Führungspersönlichkeit" und eine höchst willkommene Verstärkung.

Pichler hat Baustellen zu schließen, die schon lange bei der Airline klaffen. Die Fluggesellschaft war unter dem langjährigen Patriarchen Joachim Hunold durch Zukäufe sehr schnell gewachsen. Mehrere Sparprogramme haben die desaströse Finanzlage nicht wesentlich gebessert.

Kritiker werden auch gespannt beobachten, ob das Geschäftsmodell weiter unangetastet bleibt: jenes entschiedene "Jein" zwischen Europaflügen, Touristikgeschäft und Langstrecke. Daran rüttelte selbst Mehdorn nicht, der Hunold 2011 übergangsweise beerbte.

An einigen "Gegenläufern" kann aber auch der Neue wenig ausrichten. Da ist etwa die Luftverkehrssteuer, von der sich Air Berlin stärker betroffen sieht als die meisten anderen. Da ist die unsichere Zukunft der gemeinsam mit Etihad angebotenen Flüge, die das Luftfahrtbundesamt für den Winter nur nach heftigem Protest noch genehmigte. Und da ist der neue Hauptstadtflughafen, der Air Berlins großes Drehkreuz werden soll. In der Konzernzentrale nahe dem überlasteten Flughafen Tegel rechnen die Air-Berlin-Strategen mittlerweile nicht mehr mit einem Start vor 2017.

Stefan Pichler  - von Nike zu Fiji Airways

Der künftige Air-Berlin-Chef Stefan Pichler ist in der deutschen Luftfahrtbranche kein Unbekannter - auch, wenn er zuletzt an mehreren weit entfernten Stationen tätig war. Nun steht der fast 57-Jährige vor einem Comeback in der Heimat. Derzeit führt er die Fluggesellschaft Fiji Airways, zu der er 2013 von der kuwaitischen Jazeera Airways gewechselt war.

Stefan Pichler
Stefan Pichler, © Fiji Airways

Davor arbeitete der leidenschaftliche Läufer und Taucher in Australien als Manager beim Billigflieger Virgin Blue, den der Milliardär Richard Branson gegründet hat. Für Pichler war dies ein Neuanfang, nachdem seine Karriere in Deutschland einen abrupten Tiefschlag erlitten hatte: Angesichts schlechter Zahlen musste er 2003 als Chef des Touristikkonzerns Thomas Cook gehen.

Bei dem Unternehmen mit der Hauptmarke Neckermann Reisen und dem Ferienflieger Condor hatte Pichler zunächst einen Expansionskurs gefahren. Größter Zukauf war die britische Reisemarke Thomas Cook für knapp 900 Millionen Euro im Jahr 2000, nach der sich ein Jahr später auch der Konzern benannte. Zuvor hatte die Lufthansa-Karstadt-Tochter als C&N firmiert. Die Nummer zwei im deutschen Markt rivalisierte mit Branchenprimus Tui.

Zeitweise wurde Pichler auch als möglicher Nachfolgekandidat für den damaligen Lufthansa-Chef Jürgen Weber gehandelt. Bei dem Konzern war Pichler auch ins Airline-Management eingestiegen und mehrere Jahre tätig, nachdem der Vater zweier Kinder zunächst beim Sportartikler Nike gearbeitet hatte.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Air Berlin | 04.11.2014 08:18


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