Aber er hat sich etwas vorgenommen, was ungewöhnlich ist bei Unternehmern, denen das Wasser bis zum Hals, ja bis zur Unterlippe steht: zuhören.
Passagiere, Reiseveranstalter, Mitarbeiter - sie sollen das Rezept liefern, um Air Berlin schon im nächsten Jahr im laufenden Geschäft wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Pichler selbst plant erst einmal keinen rigorosen Umbau, sondern er dreht an einzelnen Stellschrauben.
Seit Februar sitzt der 57-Jährige im Chefsessel. Als erstes hat er die Vorstandsetage aufgesperrt, in der sich der bisherige Vorstand um Pichlers oft kühl wirkenden Vorgänger Wolfgang Prock-Schauer und dessen Finanzchef Ulf Hüttmeyer eingeigelt hatte. "Da stand irgendwo ein Schild: Ulf Hüttmeyer, bitte nicht füttern."
Prock-Schauer und Hüttmeyer haben Air Berlin inzwischen verlassen.
Jetzt gibt es Briefkästen, in die Mitarbeiter ihre Vorschläge einwerfen können. Es soll einen Beirat geben, der die 100 Reiseveranstalter vertritt, deren Kunden Air Berlin fliegt, Passagiere sollen innerhalb einer Woche eine abschließende Antwort auf Beschwerden erhalten - zuletzt hatten sich Tausende Zuschriften unbearbeitet gestapelt.
"Die Kunden führen dich in die richtige Richtung, du musst ihnen nur zuhören", sagt Pichler und weist auf das Schoko-Herz, das Fluggäste an Bord der rot-weißen Flieger erhalten. "Das Schokoladen-Herz soll so etwas wie ein Symbol sein, wie wir miteinander umgehen."
Kein neuer Stellenabbau, aber...
Eine Firma sei keine Gewinn- und Verlustrechnung. Eine Firma, das seien die Menschen. Das heißt auch, dass Pichler die nach mehreren Sparprogrammen verbliebenen Arbeitsplätze erhalten will.
Aber Pichler will auch keine Zeit verlieren. Erste Schritte: Management und Vertrieb straffer ausrichten und auf mehr Erlöse trimmen, dann der Rückzug von Strecken, wo Air Berlin ohnehin keine Chance hat.
Auf ihre 42 Boeing 737 wird Air Berlin zu Gunsten einer größeren A320-Flotte verzichten. Das erleichtert den geplanten Angriff auf die Billigflieger: mit einem One-way-Tarif ab 44 Euro, der kein Freigepäck beinhaltet und somit einen Schritt weg von der bisherigen All-inclusive-Strategie markiert.
Wie Ryanair und Easyjet will Pichler gleichzeitig mehr Geschäftsreisende locken und hier sogar Branchenprimus werden - ein Angriff auf den großen Konkurrenten Lufthansa. Gleichzeitig will Air Berlin, die mit Mallorca-Flügen groß wurde, ihre Position bei Urlaubsflügen verteidigen.
Pichler: Codeshareflüge mit Etihad "überlebenswichtig"
Dieses breit gefächerte Geschäftsmodell bemängeln Beobachter seit Jahren. "Ich turne jetzt hier vier Wochen rum, da gibt es heute natürlich noch keine ausgefeilte Strategie, die bis in den letzten Streckenbestandteil hineinreicht", sagt Pichler nur, um mögliche Kritik vorwegzunehmen.
"Wettbewerb in unserem Business ist ein bisschen wie ein Marathon-Lauf", sagt der frühere Langstreckenläufer Pichler. Ein klares Ziel hat er aber. "Ich übernehme die volle Verantwortung, die Firma 2016 in die Gewinnzone zu führen."
Dann schränkt er ein: "Das sage ich unter dem Vorbehalt, dass ich nach vier Wochen noch nicht unter jeden Teppich geguckt habe."
Ein wichtiger Einnahmeposten liegt sowieso nicht in seiner Hand. Die gemeinsam vermarkteten Flüge mit dem Großaktionär Etihad sind zwar für den Sommer nochmals genehmigt worden, wie Pichler bekanntgab. "Sie sind für uns überlebenswichtig." Doch das Abkommen über Landerechte mit den Vereinigten Arabischen Emiraten soll neu verhandelt werden - Ausgang ungewiss.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Air Berlin | 03.03.2015 17:24
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Dieser Beitrag wurde am 03.03.2015 19:28 Uhr bearbeitet.