Eyjafjallajökull-Jahrestag
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Als eine Aschewolke über Island Europas Luftverkehr lahmlegte

Vulkan-Aschewolke des Eyjafjallajökull über Island am 1. Mai 2010
Vulkan-Aschewolke des Eyjafjallajökull über Island am 1. Mai 2010, © DLR
Aschewolke 09. Mai 2010
Verbreitung der Aschewolke am 09. Mai 2010 über Europa, © VAAC

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REYKJAVIK - Es mag vielen Reisenden völlig absurd vorgekommen sein: Im April 2010 kommen Millionen Menschen in Europa nicht vom Fleck, weil ihre Flüge ausfallen. Schuld sind weder Pilotenstreiks noch ein später Wintereinbruch. Nein, ganz am Rande des Kontinents, einige Flugstunden von Deutschland entfernt, hat ein Vulkan sagenhafte Mengen Asche ausgespuckt.

Während sich die Einwohner der isländischen Hauptstadt Reykjavik nur über Staub auf der Motorhaube ihrer Autos beklagen, spielen sich direkt am Gletschervulkan dramatische Szenen ab. Die gigantische Aschewolke schiebt sich über den Nordatlantik und stürzt den europäischen Luftverkehr ins Chaos.

"Nichts fliegt mehr" - "Vulkan-Alarm lähmt Europa!" titeln Zeitungen damals. Den Eyjafjallajökull kennt seitdem jeder - auch wenn ihn immer noch die wenigsten aussprechen können. Fünf Jahre nach seinem Ausbruch ist er mehr Touristenziel als Schreckgespenst. An der belebten Ringstraße an der Südseite des Vulkans eröffnete ein Jahr nach dem Flugchaos ein Museum. "Die Eruption, die die Flüge auf der Welt angehalten hat" - aus der Werbung klingt fast Stolz heraus.

Den hartgesottenen Isländer steckt es in den Genen, immer das Beste aus der Situation zu machen. Dabei war die Eruption 2010 nicht das einzige, das das Inselvolk zu dieser Zeit erschütterte. Gerade erst hatte die Bankenkrise das kleine Land mit Wucht gerammt. Dann fing auch noch der Krater an zu spucken - und das völlig überraschend: "Niemand hat das erwartet", sagt die Bauersfrau Gudny Valberg.

Die 61-Jährige und ihr Mann Ólafur Eggertsson leben auf ihrem Hof Thorvaldseyri direkt am Fuße des Vulkans. Heute liegt er friedlich da, damals war der Berg eine geräuschvoll brodelnde Bedrohung. "Manchmal sind wir mitten in der Nacht wachgeworden, weil es so laut war", sagt Valberg. In ihren Betten musste sich die Familie dick einpacken: Die Fluten aus dem Gletscher hatten die Heißwasserleitungen zerstört.

Die weißen Häusern mit roten Dächern verschluckte das fahle Pulver komplett. "Man konnte nicht normal atmen", erzählt Valberg. Wochenlang saßen die Bauern ständig auf gepackten Koffern. Dreimal mussten sie den Hof verlassen, weil es zu gefährlich wurde. Wenn Eggertsson tagsüber kurz zurückkehrte, um die Kühe zu melken, fuhr er manchmal an seinem Zuhause vorbei, weil er es in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Irgendwann erlitt er einen Zusammenbruch.

Alle drei bis vier Jahre breche auf Island ein Vulkan aus, erklärt Magnús Gudmundsson vom Vulkanologischen Zentrum an der Universität Reykjavik. Viele tun das aber in abgelegenen Gebieten auf der dünn besiedelten Insel. Gudmundsson tippt mit einem Holzstock auf eine Stelle auf der Landkarte, die er auf eine Leinwand projiziert hat. "Sie bedrohen unser Leben nicht." Internationale Aufmerksamkeit erregen sie meist schon gar nicht.

Auch für den Eyjafjallajökull interessiert sich zunächst niemand, als es am 20. März 2010 auf einem Pass zwischen zwei gletscherbedeckten Vulkanen beginnt: Geschmolzenes Gletscherwasser ergießt sich wie ein Wasserfall in eine Schlucht an der Nordseite. Doch erst bei der Eruption am 14. April schleudert der Vulkan kilometerhohe Aschefontänen in die Luft - und bis nach Europa. Über hunderttausend Flüge fallen aus, überall auf der Welt stranden Passagiere.

Nach tagelangem Stillstand heben fünf Tage später in Deutschland wieder die ersten Flüge ab. Doch knapp drei Wochen nach dem ersten Chaos im Luftverkehr löst die Vulkanasche aus Island noch einmal Flugverbote aus: Zunächst über Großbritannien, dann im Süden Europas. Während der Kontinent danach langsam wieder aufatmet, brauchen der isländische Bauer Eggertsson und seine Frau mit Hilfe von Nachbarn und Freunden noch Monate, um ihre Farm von der dicken Ascheschicht zu befreien. Erst Weihnachten machen sie die Fenster wieder auf. Doch den hartgesottenen Isländer steckt es eben in den Genen, immer das Beste aus der Situation zu machen: "Es hätte so viel schlimmer kommen können."
© Julia Wäschenbach, dpa | 15.04.2015 07:03


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