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Riesen-Netz und Mega-Hub – Turkish Airlines steckt die Weltkarte ab

Turkish Airbus A330-200
Turkish Airbus A330-200, © Airbus S.A.S.

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ISTANBUL - Hinter dem Panoramafenster von Temel Kotils Büro in Istanbul heben Turkish-Airlines-Flugzeuge in die ganze Welt ab. Der Chef der Fluggesellschaft hat kleine Flaggen aller 109 Zielländer auf der Fensterbank aufgereiht. Auf einer riesigen Weltkarte hinter seinem Schreibtisch markieren Lämpchen die Städte, die Kotils Flotte ansteuert. Die Flaggensammlung wächst stetig, und alle paar Tage kommt ein neues Lämpchen auf der Karte dazu.

Turkish Airlines fliegt inzwischen nach eigenen Angaben mehr internationale Ziele an als jede andere Fluglinie. Die Airline, deren Eintritt in das Luftfahrtbündnis Star Alliance die Lufthansa einst förderte, ist zur Bedrohung der etablierten Gesellschaften aus Europa geworden. Seit die Airline unter Kotil 2006 privatisiert wurde, schaut nicht nur die deutsche Konkurrenz mit wachsender Sorge auf die Türken - die in Istanbul noch dazu eines der weltgrößten Luftfahrt-Drehkreuze bauen.

Vor zehn Jahren noch flog mit Turkish Airlines nur, wer das musste. Inzwischen ist die Linie im Ranking der Unternehmensberatung Skytrax zum vierten Mal in Folge zur besten europäischen Airline gewählt worden. Auch wer am Boden bleibt, begegnet dem in den türkischen Landesfarben gehaltenen Emblem des Unternehmens, dem stilisierten weißen Vogel auf rotem Grund: Sportbegeisterten Deutschen ist die Linie spätestens ein Begriff, seit sie Borussia Dortmund sponsort.

Kotil erklärt den Erfolg auch mit dem Service, auf den die Gesellschaft selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise konsequent gesetzt habe. "In der Krise packen wir mehr Essen auf den Tisch", sagt er. Für den neuen Flughafen will Kotil sogar eine eigene Lounge für Economy-Passagiere auf der Langstrecke schaffen.

Kotil hat die einstige Exoten-Airline zu einem der großen Player im internationalen Luftfahrtgeschäft gemacht. Der bescheiden auftretende Top-Manager erzählt die Geschichte der Firma mit so leiser Stimme, dass er gelegentlich kaum zu verstehen ist. Dennoch hört man die Begeisterung heraus, wenn er vom Geschäft mit der Fliegerei erzählt. Dabei stammt der 55-Jährige aus einem Dorf in der Region Rize an der Schwarzmeerküste, die eher für Fischerei bekannt ist. Kotil dagegen studierte in Istanbul Luftfahrttechnik, 1991 promovierte er in den USA. Seit 2005 steht er an der Spitze des Unternehmens.

In seinem Büro präsentiert Kotil einen ganzen Stapel Grafiken, die allesamt das rasante Wachstum der vergangenen Jahre nachzeichnen. 223 internationale Ziele fliegt die Airline inzwischen an. Nicht nur das gigantische Netz, auch moderate Preise überzeugen immer mehr Transitpassagiere. 2014 gelang es der Fluglinie, ihren Reingewinn auf umgerechnet 648,7 Millionen Euro mehr als zu verdoppeln.

Die Flotte will das Unternehmen in diesem Jahr von 263 auf 293 Maschinen vergrößern, bis 2023 sollen es 450 sein. Am Großraumflugzeug A380 habe Turkish Airlines derzeit kein Interesse, sagt Kotil. Stattdessen setzt die Fluggesellschaft darauf, beliebte Ziele mehrfach am Tag mit kleineren Maschinen anzusteuern. Von Istanbul nach Berlin etwa fliegt Turkish Airlines fünfmal am Tag, auf dieser Route hat Lufthansa gar keinen Direktflug. Aber auch kleine Airports wie Friedrichshafen oder Salzburg haben die Türken im Programm. Von dort kommen Reisende via Istanbul in die gesamte Welt.

Auf der Weltkarte in Kotils Büro strahlen bereits etliche Lämpchen in Europa und Asien. In Nord- und Südamerika kam vor wenigen Tagen San Francisco als elftes Ziel dazu. Auch Afrika ist auf der Karte längst kein dunkler Kontinent mehr - und wenn es nach dem Willen Kotils geht, wird er bald noch viel heller leuchten. Auf der Suche nach neuen Kunden setzt Kotil vor allem auf diesen noch wenig erschlossenen Markt. Afrika mit mehr als einer Milliarde Menschen, einer wachsenden Mittelschicht und vielen natürlichen Ressourcen seidas "neue China neben der Türkei und auch neben Europa".

Zur Expansion trage die Politik der türkischen Regierung bei, die der Airline mit ihrem internationalen Engagement etwa in Afrika den Weg zu neuen Zielen und damit zu neuen Kunden bereite, sagt Kotil. Ohnehin sei die islamisch-konservative Regierung ein großer Förderer der Luftfahrt. Da gehe es Turkish Airlines besser als Mitbewerbern in Westeuropa. Während überfällige Flughafenerweiterungen dort auf große Widerstände stießen, treibe die türkische Regierung den Bau des neuen Istanbuler Drehkreuzes voran, das 2017 in Betrieb gehen soll.

Der neue Flughafen soll nach einer Ausbauphase 150 Millionen Passagiere im Jahr bewältigen - zweieinhalb mal so viele wie heute Frankfurt. Er soll auf 7600 Hektar entstehen, das ist sechsmal so groß wie der Atatürk-Airport und entspricht fast der Fläche des Chiemsees. Größenwahnsinnig ist das aus Kotils Sicht keineswegs - im Gegenteil: Langfristig, glaubt der Manager, müssten Flughäfen sogar noch riesiger werden, um im Wettbewerb zu bestehen. Kotil geht dabei von 10 000 Hektar aus. "Das ist die Größe der Zukunft."
© Lena Klimkeit und Can Merey, dpa | 19.04.2015 10:16


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