Silvano Cassano
Älter als 7 Tage

Alitalia entdeckt ihr altes Flair für moderne 5-Sterne-Airline

ROM - Als Silvano Cassano nach einer Beratertätigkeit vergangenes Jahr die Leitung einer Firma angetragen wurde, dachte er: "Wenn es in Italien ist, nein danke." Heute ist Cassano nicht nur Chef irgendeiner italienischen Firma, sondern verantwortet den größten Turnaround im Land: Alitalia.

Nach Jahrzehnten voller Verluste und frustrierter Kunden unternimmt Cassano den letzten Anlauf zur Wiederbelebung einer Airline-Ikone. Sein Plan sieht vor, unrentable Kurzstrecken zu Gunsten internationaler Flüge aufzugeben, in Technologie zu investieren und Passagiere zu umgarnen.

Cassano, früher für Fiat und Benetton tätig, fand Gefallen an der Großaufgabe, weil man ihm hier die Wiederbelebung eines Traditionsunternehmens - der erste Alitalia-Flug datiert auf das Jahr 1947 - mit einem starken Partner an der Seite anvertraut habe.

Seit 2014 gehören Etihad Airways aus Abu Dhabi 49 Prozent von Alitalia. Etihad-Vorstandschef James Hogan und Cassano kennen sich aus gemeinsamen Tagen beim Autovermieter Hertz in den 1990er Jahren.

Silvano Cassano
Alitalia CEO Silvano Cassano, © Alitalia

"Nur als 5-Sterne-Airline kann Alitalia gedeihen", sagte Cassano in einem Interview am Flughafen Rom Fiumicino. Hinter ihm rollen Flugzeuge in den Firmenfarben grün, rot und weiß. "Unsere Kunden sagen: gebt uns einen Vorwand, zu euch zurückzukommen. Sie wollen die Liebesbeziehung von vorne beginnen."

Der Vorstandschef plant über die nächsten drei Jahre Investitionen von 700 Millionen Euro. Die Hälfte des Geldes wird in einen vollständigen Umbau der Flotte fließen, der im Juni mit zwei neuen Airbus A330 beginnt. Weitere 100 Millionen Euro wird Cassano in Technologie stecken.

Cassano genießt uneingeschränkte Rückendeckung der Politik und von James Hogan, dessen Airline Gesamtinvestitionen von 1,76 Milliarden Euro zur Neufindung von Alitalia erst möglich machte. Den Rettungsanker erhielt Alitalia aber nicht ohne Gegenleistung: die Airline musste sich zur Streichung von 2.000 Stellen verpflichten, noch bevor Verträge unterzeichnet waren.

Designer-Gestühl für die vordere Kabine


Im Jahr 2017 werden alle Flugzeuge von Alitalia mit Internetzugang, besserer Bordverpflegung und neuen Business Class-Sesseln in feinstem Leder aufwarten. Letztere sollen von der italienischen High-End-Möbelmanufaktur Poltrona Frau gestaltet werden.

Cassano schwebt außerdem eine Neulackierung der Flotte vor, damit der Neuanfang auch von Außen sichtbar ist. "Eine kleine Airline kann nur in der lukrativen Niche eines Premiumprodukts für Langstrecken überleben", stützt Andrea Guiricin, Professor für Luftfahrt an der Mailänder Bicocca Universität, den Kurs des Managers.

Cassano ist sich überaus bewusst, dass er die Zeit nicht zurückdrehen kann. Das Alitalia Kurzstreckengeschäft wurde von Hochgeschwindigkeitszügen und den mit eigenen Basen im Land vertretenen Günstigfliegern Ryanair und Easyjet nicht weniger als vernichtet.

Die Erweiterung der Langstrecke soll mit einem Fokus auf Verkehrsströme in schnell wachsende Märkte Asiens gelingen. Alitalia verhandelt dieser Tage über Codeshare-Flüge mit Partnern in China, um die 30 Topdestinationen des Landes für die eigenen Kunden zu erschließen.

Natürlich wird Alitalia aber auch neue Routen nach Abu Dhabi - von Bologna und Catania - ins Progamm nehmen und Passagiere so an Etihad-Flüge nach Afrika, Indien und Australien anbinden.

Aus Cassanos Sicht ist Alitalias Pakt mit einem finanzstarken Investor ein Modell für die gesamte europäische Luftfahrt, für die er eine Konsolidierung um wenige große Airlinekonzerne neben den Günstigfliegern vorhersagt. Konkurrenten aus Drittländern, wie Etihad, dürfen dabei nur Minderheiten an europäischen Airlines erwerben.

Italien versenkte Milliarden in Alitalia

Trotz der nun zur Verfügung stehenden Mittel bleibt Alitalia eine große Herausforderung. Fast zwei Jahrzehnte lang flog die Airline immense Verluste ein und musste mit ansehen, wie ihre Passagiere auf andere Verkehrsmittel umstiegen. In jüngerer Vergangenheit fand sich Alitalia zwischen politischen Querelen und lustlosen Investoren wieder.

Etihad Airways stützt Alitalia
Seit 2014 stützt Etihad Airways Alitalia, © Alitalia

2008 mandatierte Silvio Berlusconi ein Gruppe "couragierter Patrioten" mit der Rettung der Airline und damit, sie um jeden Preis in italienischen Händen zu halten - ein Übernahmeangebot von Air France-KLM schlug Italien kurzerhand aus.

Laut einer Studie der Bicocca Universität versenkte der Staat danach rund vier Milliarden Euro in der unsanierten Gesellschaft sowie in einem steuerfinanzierten Programm zum Jobabbau bei Alitalia.

Fünf Jahre später intervenierte die Regierung erneut. Dieses Mal mit 500 Millionen Euro, welche die Politik unter anderem von der italienischen Post und den zwei größten Banken des Landes akquirierte. Doch auch dieses Geld war schnell aufgebraucht - Alitalia benötigte einen Investor, der sich besser mit dem Airlinegeschäft ausgekennt, als die Post.

Sie fand ihn in Abu Dhabi. Nach der bewegten Vorgeschichte ließ sich Etihad allerdings nicht schnell überzeugen. Zwölf Monate arbeitete sich Etihad durch die Bücher des Beteiligungsziels und formulierte unverhandelbare Voraussetzungen, bevor sie Alitalia im August 2014 in ihren weltweiten Beteiligungsverbund aufnahm.

"Keine Atmosphäre, keine Aktivität"


Für Cassano liegt die Komplexität der Aufgabe Alitalia in der Tatsache, dass er in jedem Teilbereich der Airline Handlungsbedarf vorfand - in der Flotte, der IT, dem Crewtraining und dem Netzwerk. Als erstes ordnete Cassano allerdings eine Renovierung der Firmenzentrale an, um die Mitarbeiter zu motivieren.

Der Vorstand erinnert sich an seinen ersten Eindruck, als er verganges Jahr zum ersten Mal das Alitalia-Gebäude betrat und dort nur auf Rechtsanwälte und Berater traf. "Da war gar nichts: keine Atmosphäre, keine Aktivität." Heute hält Cassano wöchentliche Meetings mit Mitarbeitern der Zentrale und Piloten ab.

"Vor 200 Mitarbeitern, egal aus welcher Abteilung, zu sprechen und ihnen klipp und klar vermitteln: Lasst uns die Bürokratie streichen! - das bring mich wirklich in Schwung", sagte Cassano.
© Bloomberg News | Abb.: Alitalia | 01.05.2015 09:28


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