Von Jump bis Örowings
Älter als 7 Tage

Lufthansa taktiert auf Plattform-Ebene

FRANKFURT - Lufthansa jongliert im Europaverkehr mit einer zusätzlichen Plattform. Für neue Eurowings-Flugzeuge beantrage Lufthansa ein AOC in Österreich, überraschte Konzernchef Carsten Spohr am Wochenende die Mitarbeiter. "Örowings" setzt die neue Plattform-Strategie nahtlos fort.

Früher stiefmüttlerlich behandelte kleine Flugbetriebe der Lufthansa blühen unter Spohr regelrecht auf - dahinter steckt viel taktisches und vor allem tarifpolitisches Kalkül.

Eurowings


Die fast in Vergessenheit geratene Eurowings wird das neue Aushängeschild der Lufthansa für Europa. Eurowings soll nach Vorstellung des Vorstands den zu halbherzig gedachten Günstigversuch Germanwings korrigieren und zumindest Easyjet eine echte Konkurrentin gegenüberstellen.

Eurowings Airbus A320
Eurowings Airbus A320, © Deutsche Lufthansa AG

Als Marke verschwindet Germanwings, ihre 60 mit KTV-Piloten bereederten A320 bleiben. Beim Betriebsstart der neuen Eurowings in Wien werden aber Crews von Austrian Airlines zwei neue Flugzeuge bedienen. Auch die paneuropäischen Flüge führt Eurowings später unter österreichischer Flagge durch.

Die Entscheidung für eine Anmeldung in Österreich sei erst Ende Mai gefallen, sagte Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels aero.de am Mittwoch.

Ganz unerwartet ist das Austro-AOC nicht - schon bei der Ankündigung der "Wings"-Strategie im Juli 2014 hatte Spohr durchblicken lassen, dass eine neue Günstigplattform juristisch eher nicht in Deutschland beheimatet werde. Der Gang ins vertraute Österreich lag letztlich nahe.

"Lufthansa wird im Point-zu-Point Verkehr innerhalb Europas die Nummer drei sein", gab Spohr vor fast einem Jahr das neue Ziel vor.

Wird die neue Eurowings auch in Deutschland expandieren? Hier sei man mit den vereinten Bestandsflotten von Germanwings und aktueller Eurowings vorerst gut aufgestellt, meint Bartels. Das seien immerhin 83 Flugzeuge.

"In Deutschland wachsen wir außerdem über die Röhre", verweist der Sprecher auf den Rollover von 23 CRJ900 auf die gleiche Stückzahl A320 bei Eurowings. Seit Februar fliegt Eurowings mit größerem Gerät und zusätzlicher Kapazität Strecken im Auftrag von Germanwings.

Cityline

Acht Airbus A340-300 verlegt Lufthansa zur Regionaltochter Cityline, um sie mit günstigen Crews für eigene Strecken zurückzuleasen. Das und ein Verzicht auf eine First Class sollen die etwas angegrauten Flieger fit für ihr zweites Leben im Konzern machen. Cityline musste allerdings erstmal eine Langstreckenlizenz beim LBA beantragen.

Lufthansa Cityline CRJ900
Lufthansa Cityline Bombardier CRJ900, © Deutsche Lufthansa AG

Zähneknirschend trugen die Piloten den treffend "JUMP" betitelten Sprung der A340-300 zur Regionalairline mit. "Da die Kollegen der Cityline aufgrund des Abbaus von Flugzeugen einen Personalüberbestand haben, haben wir uns nicht gegen diese Lösung gestellt", sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg aero.de im Februar.

Von ihren CRJ700 trennt sich Cityline schon seit 2013. Im März legte Lufthansa nach - 17 Embraer E195 ziehen ab August von Cityline zu Austrian um, um dort 21 alte Fokker zu beerben. Zum Ausgleich erhält Cityline einige CRJ900, die Eurowings im Zuge der Komplettumflottung auf A320 verlassen.

Die konzerninterne Regionalrochade löste für Lufthansa gleich drei Probleme auf einmal: den ohnehin notwendigen Flottenaustausch bei Austrian, den Flugzeugüberhang bei Eurowings und ein drohendes Spannungsfeld mit Cockpit - eine tarifliche Sondervereinbarung, die Lufthansa den E195-Betrieb ohne KTV-Piloten erlaubte, wäre in diesem Jahr abgelaufen.

Swiss Global Air Lines


Auch die Schweizer Konzerntochter Swiss fand es schade, dass ihre kostengünstige Regional-Plattform "Swiss European Air Lines" nur kleine Avros durch Europa fliegt.

Sehr zum Unmut der Airbus-Piloten von "Swiss International Airlines" meldet Swiss ihre neun ab 2016 eintreffenden Boeing 777-300ER nun bei der kurzerhand in "Swiss Global Air Lines" umfirmierten Swiss European an. Die Trennlinie zwischen den zwei Pilotengruppen der Swiss weicht auf.

SunExpress Deutschland

Jetzt wird es noch ein wenig komplizierter. Der Ableger des deutsch-türkischen Ferienfliegers soll zum Winter drei Airbus A330-200 unter seinem AOC für Eurowings betreiben.

Ferne Warmwasserziele fand Lufthansa bis dato eher unspannend - zu wenig Premiumnachfrage. Umso mehr freut man sich in Frankfurt jetzt über offenbar rege Vorausbuchungen der Kunden.

Piloten: Tarifpolitik mit Plattformen

Bei der Vereinigung Cockpit verfolgt man die Kreativität des Vorstands bei der Umschichtung von Flotten zwischen rechtlich getrennten Flugbetrieben längst mit Argwohn. "Lufthansa betreibt Tarifpolitik mit Plattformen und spielt diese Plattformen gegeneinander aus", sagte Cockpit-Sprecher Markus Wahl aero.de am Montag.

Der jüngste Schritt bei Eurowings belaste die Gesamtschlichtung, zu der sich Lufthansa erst im Mai durchgerungen habe. "Einfacher wird es dadurch nicht", sagte Wahl. Zwölfmal legten die Piloten im aktuellen Tarifstreik bereits die Arbeit nieder.
© aero.de | Abb.: world-of-aviation.de, Björn Schmitt Aviation Photography | 03.06.2015 14:28

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Beitrag vom 07.06.2015 - 13:11 Uhr
Bin ja schon gespannt auf das Fiasko das sich anbahnt mit den Plänen die Eurowings Flieger von OS Crews bereedern zu lassen. Denen fehlen ja für die eigenen Flieger hinten und vorn die Crews, wie sollen sich da zwei zusätzliche ausgehen bitte?
Beitrag vom 03.06.2015 - 16:19 Uhr
Das sieht zwar nach Salamitaktik aus, fügt sich inzwischen aber zu einem Gesamtbild zusammen: alles, was in Europa nicht Hubzubringer ist, wird ausgelagert oder - wenn das das heimische Tarifwerk nicht hergibt - ins Nachbarland "ausgeflaggt".

VC wird am Ende vll sogar durchsetzen, dass zumindest ihr Status Quo erhalten bleibt, aber neue Jobs entstehen anderswo.
Beitrag vom 03.06.2015 - 15:56 Uhr
Ob man sich mit dieser Salamitaktik ein gefallen tut wage ich zu bezweifeln. Dies führt doch nur dazu dass der Kunde nicht mehr weiß ob Lufthansa drin ist wenn Lufthansa drauf steht. Wenn der Lufthansa Kunde, der ja i.d.R. ein "Überzeugungstäter" ist, diesen Eindruckt bekommt, verliert die Marke "Lufthansa" ihren Mehrwert und der Kunde bucht zukünftig einfach den preisgünstigsten Flug.

Mit dieser Taktik sägt m.E.n. der Kranich auf dem Ast auf dem er sitzt.

Dieser Beitrag wurde am 03.06.2015 15:57 Uhr bearbeitet.


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