2015 war ein Luftfahrtjahr, das nachwirkt. So haben wir es erlebt.
#4U9525 #indeepsorrow
24. März, ein Dienstag. Der Airbus A320 D-AIPX von Germanwings startet gegen 10 Uhr von Barcelona nach Düsseldorf. Routine. Absturz.
"Absichtliche Manipulation" - zwei Worte der Staatsanwaltschaft Marseille schickten Tage nach der Absturztragödie eine zweite Schockwelle durch Öffentlichkeit und Branche. Das Unfassbare wurde Gewissheit - der Copilot riss sich und 149 andere Menschen eine halbe Stunde nach dem Start ins Verderben.
Andreas L. sperrt sich im Cockpit ein, ändert die Flughöhenvorgabe von 38.000 auf 100 Fuß und wartet ab, bis der Airbus nahe Le Vernet in den französischen Seealpen zerschellt. Später finden die Ermittler im Nachlass des Copiloten Hinweise auf eine langjährige psychische Krankengeschichte.
Die Aufzeichnungen des aus dem Trümmerfeld geborgenen Stimmenrekorders sind auch für hartgesottene Unfallermittler schwer erträglich. Sie dokumentieren die Todesangst in der Kabine und die verzweifelten Versuche des Kapitäns, die verriegelte Cockpittür doch noch von Außen zu öffnen.
Fassungslosigkeit schlägt in Hilflosigkeit um - wie soll die Luftfahrt psychisch kranke Piloten erkennen, wie ihnen begegnen? Eine befriedigende Antwort ist bis heute nicht gefunden.
#GE235
Schon im Februar trauerte die Welt um 43 Opfer des TransAsia-Airways-Flugs 235. Eine Verkettung technischen und menschlichen Versagens ließ die ATR-72 kurz nach dem Start in Taipeh in einen Fluss stürzen. Nur 15 Menschen an Bord überlebten den Unfall.
#A400M_Sevilla
Tragödie bei Airbus. Am 09. Mai sterben vier Mitarbeiter der Airbus-Flugtestabteilung an Bord des Jungfernflugs der A400M MSN023. Zwei Menschen überleben den Absturz nahe des Werks Sevilla, der später auf eine schlampig aufgespielte Triebwerkssoftware zurückgeführt werden kann.
Airbus räumt nach dem Unfall "ernsthafte Qualitätsprobleme" in der A400M-Endmontage ein. Die Luftwaffe lässt ihre A400M über Monate am Boden stehen, das Vertrauen in den neuen Militärtransporter ist schwer angeknackst.
#7K9268
Terror gegen Urlauber. Auch wenn Ägypten nach wie vor in andere Richtungen ermitteln lässt - russische und westliche Dienste sind sich darin einig, dass der Absturz eines Airbus A321 der Gesellschaft Metrojet am 31. Oktober kein Unfall, sondern ein Anschlag war.
Die Terrormiliz IS will in einer Getränkedose eine Bombe an Bord gebracht und über dem Sinai gezündet haben. Alle 224 Menschen im Airbus kommen ums Leben. Viele Airlines und Reiseveranstalter trauen der Sicherheitslage in Ägypten nicht mehr und meiden das Land.
#Zwischenruf
2015 war leider in vieler Hinsicht ein Traumajahr für die Luftfahrt. Punkt. Es war aber ebenso ein Jahr vieler Weichenstellungen.
#Air Berlin
Zaubern kann auch Stefan Pichler nicht. Seit Februar krempelt der neue Chef das Sorgenkind um, strafft Netz, Flotte und wohl auch die Belegschaft. Die Auslastung stimmt inzwischen, beim Ergebnis hat Air Berlin 2016 vorsichtig gesprochen noch Luft nach oben.
Neue Langstrecken und eine enge Allianz mit den Partnern Etihad und Alitalia sollen Deutschlands Nummer 2 am Himmel fit für die Zukunft machen. Als Marathon-Läufer wird Pichler die Puste so schnell nicht ausgehen - und Air Berlin auch nicht.
#BER
Zaubern kann auch Karsten Mühlenfeld nicht.
#Lufthansa
Lufthansa erwartet für 2015 einen Milliardengewinn, den Konzern plagen aber akute Zukunftsängste. Der Konkurrenzkampf mit Billigfliegern und Golfairlines zwingt Lufthansa, neue Geschäftsfelder zu erschließen und, so sieht es das Management, ihre Kosten erheblich runterzufahren.
Konzernchef Carsten Spohr nahm 2015 neue Konfrontationen im Haus in Kauf, um mit Eurowings einen echten Günstigflieger zu etablieren. Er löst Germanwings ab.
Dass Lufthansa die neue Flugbetriebsplattform Eurowings Europe in Österreich, außerhalb der Reichweite deutscher Gewerkschaften, anmelden wird, ließ Spohr die Mitarbeiter über ein Zeitungsinterview wissen. Zeitgleich stellte Spohr klar, Piloten nicht länger zu den Bedingungen des Konzerntarifs neu einzustellen.
Piloten und Flugbegleiter quittierten den Sparkurs zu ihren Lasten mit ausgeweiteten Streiks. Mindestens 230 Millionen Euro dürften die Ausstände Lufthansa 2015 gekostet haben und eine Delle in der Bilanz hinterlassen. Viel schwerer wiegen jedoch der Imageschaden und verlorenes Passagiervertrauen.
Bringt 2016 die Wende? In jedem Fall wird 2016 das Jahr, in dem Eurowings Europe richtig flügge und sich die von Spohr begonnene Zeitenwende bei Lufthansa fortsetzen wird.
#Airbus
Airbus startete mit der A350 ins neue Jahr: am 15. Januar flog Erstkunde Qatar Airways mit Europas neuem Großraumjet den ersten Linieneinsatz. Als Premierenziel erkor die Airline Frankfurt aus - auch, um vor Lufthansa mit der A350 "anzugeben", wie Qatar-Airways-Chef Akbar Al-Baker unumwunden zugab.
Nach Qatar Airways trugen sich 2015 noch Vietnam Airlines und Finnair in die Liste der frühen A350-Betreiber ein.
In den Airbus-Werken brummt die Produktion. Nur die im zehnten Jahr nach dem Erstflug kaum noch gefragte A380 bereitet den Verantwortlichen Sorgen. 2016 will Airbus entscheiden, wie es mit dem Superjumbo weitergeht. Großkunde Emirates drängt auf eine Generalüberholung und fordert die A380neo.
Das Zugpferd für Airbus bleibt unterdessen die A320 - 2015 verstärkte Airbus das Programm mit einer vierten Endlinie im Machtbereich des Erzrivalen Boeing. 2016 soll das neue Werk Mobile in Alabama seine erste A321 an JetBlue Airways übergeben. Später wird der neue Standort auch die A320neo bauen.
Nicht ganz so reibungslos wie im Vorjahr mit der A350 aber im Zeitplan flog die A320neo 2015 ihr Testprogramm zu Ende. Im November hielt Airbus die Zulassungsurkunden von EASA und FAA in Händen. Noch vor dem Jahreswechsel soll die erste A320neo, an Lufthansa, ausgeliefert werden.
#Boeing
Auch bei Boeing lugt der Nachfolger der aktuellen 737, die 737 MAX, um die Ecke. Der erste Prototyp ist fertig und soll Anfang 2016 zum Erstflug abheben.
Am anderen Ende der Modellpalette plagen Boeing ähnliche Probleme wie Airbus - die 747-8 , letzte Vertreterin der Jumbo-Ära, steht faktisch vor dem Aus.
#Bombardier
Mit der CSeries will der kanadische Hersteller den Markt 2016 aufmischen. Auf dem Weg zum EIS 2016 bei Swiss ging Bombardier allerdings um ein Haar die Puste aus. Das verzögerungsgeplagte Programm sog Bombardier die Kassen leer, ein Partner musste her. Airbus winkte ab, schließlich stellte Bombardiers Heimatprovinz Quebec die CSeries mit einer Milliardenspritze wieder auf feste Füße.
Nach der Premiere der CS100 bei Swiss wird 2016 bei AirBaltic auch die CS300 den Flugdienst aufnehmen. Bombardier hofft, dass dann auch andere Airlines bei der CSeries zugreifen. Trotz geballter CSeries-Präsenz auf der Paris Air Show reiste Bombardier im Juni ohne neue Aufträge von der Messe ab.
Anfang 2016 will Embraer seinen gründlich überholten E-Jet "E2" vorstellen - viel zeitlichen Vorsprung hat Bombardier vor seinem brasilianischen Wettbewerber im Rennen um neue Kunden also nicht mehr.
#Elektroflug
Beenden wir den Jahresrückblick 2015 mit einer wahr gewordenen Vision. Am 03. Juli landete die Solar Impulse 2 nach 118 Stunden Nonstop-Flug aus Japan in Hawaii. Das Team um Bertrand Piccard und André Borschberg erbrachte damit den Beweis, dass rein elektrische Flüge auch über lange Etappen möglich sind.
Im April 2016 setzen die Schweizer Flugpioniere ihre im Juni begonnene Weltumrundung mit der Solar Impulse 2 fort. Wir freuen uns darauf und wünschen allen Lesern und Freunden von aero.de einen guten Rutsch in das neue Jahr!
© aero.de | Abb.: Lufthansa | 29.12.2015 13:49
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