Abschlussbericht zu Flug 4U-9525
Älter als 7 Tage

BEA empfiehlt klare Regeln für Schweigepflicht bei Gefährdung

Germanwings Airbus A319
Germanwings Airbus A319, © Mark Harkin, CCBY

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PARIS - Als Konsequenz aus Flug 4U-9525 fordert die französische Untersuchungsbehörde BEA routinemäßige Überprüfungen bei Piloten-Ausfällen sowie klare Regeln für die ärztliche Schweigepflicht. Die Schweigepflicht bei einer Gefährdung sei von Land zu Land unterschiedlich geregelt, stellt die BEA in ihrem Abschlussbericht fest.

Den Bericht legte die Behörde am Sonntag in Le Bourget bei Paris vor. Beide Maßnahmen sollten "auch im Hinblick auf psychiatrische und psychologische Probleme" erfolgen.

Copilot Andreas L. brachte am 24. März 2015 den Airbus A320 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich zum Absturz. Zuvor hatte er den Flugkapitän aus dem Cockpit ausgesperrt. L. war nach Erkenntnissen der Ermittler psychisch krank und hatte mehrere Ärzte aufgesucht. Er litt unter Depressionen und suchte im Internet nach Suizid-Möglichkeiten.

Laut dem BEA-Bericht diagnostizierte ein Mediziner nur zwei Wochen vor der Katastrophe eine mögliche Psychose bei L. - eine schwere Störung, die mit einem zeitweiligen weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs einhergeht. Der Arzt empfahl eine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus.

Die BEA bestätigte außerdem, dass L. die Lufthansa-Tochter Germanwings vor dem Unglücksflug nicht über seine Krankschreibung informierte: "Weder die Behörden noch der Arbeitgeber waren vom Copiloten selbst oder von einer anderen Person, zum Beispiel einem Arzt, Kollegen oder einem Familienangehörigen informiert worden." Der Copilot habe vermutlich auch finanzielle Einbußen befürchtet für den Fall, dass er seine Verkehrspiloten-Lizenz verlieren würde.

Ihre Empfehlungen schickte die BEA an die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) und die EU-Mitgliedsstaaten. Den Abschlussbericht veröffentlichten die Ermittler kurz vor vor dem ersten Jahrestag des Absturzes, bei dem alle 150 Menschen an Bord der Maschine in Südfrankreich starben.

Auf Empfehlungen für Veränderungen an verschlossenen Cockpit-Türen verzichtet die Untersuchungsbehörde: Die Türen seien wegen der Gefahr einer terroristischen Bedrohung gesichert, betonte BEA-Chef Rémi Jouty. Viele Fluglinien haben inzwischen eine Regelung eingeführt, nach der stets eine zweite Person im Cockpit sein muss. Diese zweite Person sollte aus Vertrauensgründen zuvor ausgewählt werden, sagte Jouty. Aus Sicht der BEA gibt es aber Möglichkeiten, die Sicherheit zu erhöhen und gleichzeitig ein Entriegeln von außen zu erlauben: Dies könne etwa mit Fingerabdrücken der Flugbesatzung geschehen. Eine weitere Möglichkeit sei eine nur vom Cockpit aus zu erreichende Toilette.

Der Bericht löste unterschiedliche Reaktion aus: Er zeigt nach Ansicht eines Opferanwalts deutliche Mängel bei der Auswahl, der Einstellung und der Überwachung des verantwortlichen Copiloten. "Der Lufthansa-Konzern hat einen psychisch krankhaft vorbelasteten Pilotenanwärter eingestellt und ausgebildet, ein Fehler mit schrecklichen Folgen", kritisierte Anwalt Christof Wellens am Sonntag auf Anfrage. Schon am Samstag hatte die BEA Angehörige auf Veranstaltungen in Bonn und Barcelona über die Ergebnisse informiert.

Die Pilotenvereinigung Cockpit lobte die BEA-Forderungen: "Die Sicherheitsempfehlungen der Unfalluntersuchungsbehörde bilden ein ausgewogenes Maßnahmenpaket, um solch eine Katastrophe in Zukunft weniger wahrscheinlich zu machen", sagt Sprecher Markus Wahl in Frankfurt am Main. Die Sicherheitsempfehlungen müssten zügig umgesetzt werden. "Die aus reinem Aktionismus eingeführte Zwei-Personen-Regel oder unangekündigte Drogen- und Alkoholtests hingegen bieten keine Verbesserung der Sicherheit und gehören daher wieder abgeschafft."

Johann Reuß, bei der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) für die Kooperation mit der BEA zuständig, betonte mit Blick auf die ärztliche Schweigepflicht: "Da ist von heute auf morgen keine Änderung zu erwarten... Das ist durchaus auch ein langer Weg."

In Deutschland streben Union und SPD bereits eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes an. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol hatte der Deutschen Presse-Agentur im Februar gesagt: "Stichproben bei Piloten auf Drogenkonsum dienen der Sicherheit der Passagiere." Bei Tauglichkeitsuntersuchungen durch die Airlines bleibe der Konsum von Drogen, Alkohol und Medikamenten meist unentdeckt. Die Pläne gehen zurück auf eine Arbeitsgruppe, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach dem Absturz eingesetzt hatte. Auch soll es künftig eine flugmedizinische Datenbank geben. Das soll verhindern, dass kranke Piloten durch ständigen Arztwechsel ihre Probleme verschleiern können.
© dpa | Abb.: Mark Harkin, CCBY | 13.03.2016 12:12

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Beitrag vom 16.03.2016 - 21:30 Uhr
@Viri, ich denke schon, dass ich Carsten duzen würde. In einem Forum ist das auch ok.

Zu deiner Frage: ich übe eine verantwortungsvolle Tätigkeit in der Branche aus. Bei jedem Zwischenfall rattert bei mir das Gedächtnis, wo ich ggf. zu wenig getan habe.

Und ja ich wäre bereit, mich untersuchen zu lassen über das Maß der Dinge hinaus. Ich glaube auch nicht, dass ich im Falle einer Berufsunfähigkeit "fallen gelassen" würde. Darüberhinaus weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es im Leben von Menschen zu kritischen Ereignissen kommen kann, die zu einer Gefährdung andere führen kann. Und da kann ich nur sagen, dass sich mir Menschen anvertrauen und dass ich im Zweifel schon Leute aus dem Verkehr gezogen habe, die sich oder andere gefährdet haben. Im Falle psychischer Erkrankungen ist das zugegebener Maßen natürlich nicht ganz trivial .
Beitrag vom 16.03.2016 - 18:03 Uhr
@swift1212,
was vielleicht helfen mag, könnte Folgendes sein:
- Psychiater oder Psychologen nur auf Überweisung vom Hausarzt
- Psychopharmaka nur von Psychiatern.
Man denke nur an den oben genannten Fernsehbericht über SSRI-Produkte, die in der Anfangsphase nicht ganz unproblematisch sind, aber jeder Arzt locker verschreibt!

L. wußte nur zu gut, dass mit der ersten Droge seine Fluglizenzen ungültige wurden.
Beitrag vom 16.03.2016 - 15:17 Uhr
@A300B4ever,
@fbwlaie
.
Bei der BEA und den Ermittlern läuft hier einiges recht merkwürdig und irgendwie etwas sehr einseitig ab.
Habe mit dem Bericht noch einige Verständnisprobleme .
Aber vielleicht kann ja jemand die Hinweise zu den Medikamenten auf Seite 34 des BEA Berichtes genauer erklären, wie das zu versehen ist und welche Konsequenzen das haben müsste:
.
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 http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Escitalopram-Lundbeck-20mgml-Tropfen-z.-Einnehmen-10358174.html
Nebenwirkungen von Escitalopram Lundbeck 20mg/ml Tropfen z. Einnehmen:
Nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar):
Suizidale Gedanken, suizidales Verhalten
Fälle von Suizidgedanken und suizidalem Verhalten während der Therapie mit dem Arzneimittel oder kurze Zeit nach Beendigung der Behandlung sind berichtet worden.
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 http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Zolpidem-HEXAL-10mg-Filmtabletten-24124.html
Nebenwirkungen von Zolpidem HEXAL 10mg Filmtabletten
- Nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar)
- Mental: Ruhelosigkeit, Aggressivität, Wahnvorstellungen, Ärger, mentale Störungen (Psychosen), Schlafwandeln, unpassendes Verhalten und andere unerwünschte Verhaltenseffekte, Verlust des Erinnerungsvermögens (Amnesie), die mit unangemessenem Verhalten verbunden sein kann. Solche Reaktionen treten vermehrt bei älteren Patienten auf;
- Bestehende Depressionen können während der Anwendung des Arzneimittels oder anderen Schlaftabletten (Hypnotika) in Erscheinung treten.
- Die Einnahme des Präparates über eine lange Zeit kann zu körperlicher oder psychischer Abhängigkeit führen: Wenn Sie die Einnahme des Arzneimittels plötzlich beenden, kann es sein, dass Sie an Entzugserscheinungen leiden.
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 http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Mirtazapin---1-A-Pharma-30mg-Schmelztabletten-6320361.html
Nebenirkungen: Mirtazapin - 1 A Pharma 30mg Schmelztabletten
- Suizidale Gedanken, suizidales Verhalten*:
* Fälle von Suizidgedanken und suizidalem Verhalten während der Therapie mit diesem Arzneimittel oder kurze Zeit nach Beendigung der Behandlung sind berichtet worden.
.
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Hätte da von der BEA vielleicht ein Verbot dieser Medikamente und eine ausschließliche Anwendung nur unter Aufsicht und nach einer eingehenden Überprüfung der Patienten(Sicherheitsüberprüfung) erwartet.
– Die Patienten können physisch nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, wenn es die Behandlung nur an einem Ort gibt. So ein Patient kommt dann nicht mehr an einen Waffenschrank, in ein Cockpit, ein AKW, zu einer Großveranstaltung oder an irgendeinen anderen kritischen Ort.
Aber solche Medikamente einfach zu verschreiben, herausgeben und dann den Patienten mit dem Beipackzettel einfach laufen zu lassen, das geht gar nicht!


Dieser Beitrag wurde am 16.03.2016 15:26 Uhr bearbeitet.


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