Angst vor dem "Brexit"
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Britische Luftfahrtszene will Teil der EU bleiben

LONDON - Am 23. Juni stimmt Großbritannien über seinen Verbleib in der EU ab. Die eng mit dem gemeinsamen Europa verflochtete britische Luftfahrtlandschaft hofft, dass danach alles beim Alten bleibt. Zwei Wochen vor dem weichenstellenden Referendum ist hier die Nervosität besonders greifbar.

Promiente Köpfe der Szene sprechen sich unisono für einen Verbleib in der EU aus. Eine Übersicht:

IAG

Kein anderer Airlinekonzern, nicht einmal Lufthansa, hat sich so europäisch positioniert wie die International Airlines Group (IAG). British Airways, Iberia, Vueling und Air Lingus formen einen Konzern, der die Möglichkeiten des offenen europäischen Himmels gekonnt für sich nutzt.

Trotzdem werde ein Brexit keine größeren Auswirkungen auf das Airlinegeschäft der IAG haben, sagte IAG-Chef Willie Walsh im Februar.

Willie Walsh
Willie Walsh, © British Airways

Zwei Monate später korrigierte Walsh seine Einschätzung  - ein Brexit könnte British Airways sehr wohl Kunden im Transatlantikverkehr kosten. "Man hört von US-Firmen, die ihre Investitionen (in Großbritannien, Red.) verlangsamen und abwarten werden, welche Folgen ein Brexit für sie hat."

Mit dieser Neubewertung steht Walsh nicht allein.

Virgin Atlantic

Verlasse Großbritannien die EU, könnten "reiseintensive" US-Branchen wie Bankwesen, Beratung und Technologie ihr Europa-Geschäft von London nach Frankfurt oder Paris verlagern, gab Virgin-Atlantic-Chef Craig Kreeger zu bedenken. Virgin Atlantic platziert aktuell 70 Prozent ihrer Kapazität auf Flüge von London über den Atlantik.

Virgin Atlantic Boeing 787-9
Virgin Atlantic Boeing 787-9, © Ingo Lang

Für die Außenwirtschaft der EU sei London bisher das Zentrum, sagte Kreeger. "Wenn mit dem Brexit ein leicht zu verstehendes Risiko verbunden ist, dann liegt es in der Verlagerung dieses Zentrums in den offenen europäischen Markt."

Easyjet

Easyjet-Chefin Carolyn McCall möchte sich die Folgen eines Brexit gar nicht ausmalen. Es drohe ein Rückfall in Zeiten "teurer Ticketpreise", warb McCall für einen Verbleib in der EU, "die Passagieren und Unternehmen gleichermaßen viele Vorteile gebracht hat".

Easyjet-Chefin Carolyn McCall
Easyjet-Chefin Carolyn McCall, © Easyjet

Ein Austritt könnte Easyjet von allen Airlines am härtesten treffen, meint zumindest Walsh: "Darf Easyjet in dem Fall weiter nach Belieben zwischen anderen europäischen Ländern fliegen oder Flüge nur noch zwischen Großbritannien und der EU anbieten?"

Ryanair

Ryanair hat sich früh ins Lager der Brexit-Gegner geschlagen. Die irische Airline ist der größte Fluganbieter in Großbritannien und hat nach eigenen Angaben keinen Plan B für den Fall eines Austritts. Airline-Chef Michael O`Leary warnt, gewohnt lautstark, vor den möglichen Folgen.

Ryanair
Ryanair-Vorstandschef Michael O'Leary unterstützt den Verbleib Großbritanniens in der EU, © Ryanair

Ein Austritt aus der EU würde zu "weniger Wettbewerb und höheren Ticketpreisen führen", sagte O`Leary am Donnerstag in Berlin. Im Fall eines Brexit werde seine Airline weniger im Vereinigten Königreich investieren. "Wenn sie in der EU bleiben, werden wir unsere Beschäftigtenzahl dort auf 6.000 verdoppeln."

London Heathrow

Der meistbeflogene Airport der EU füchtet, dass ein Brexit den dringend nötigen Ausbau um eine dritte Start- und Landebahn um Jahre zurückwirft.

"Wenn wir die EU verlassen, wird die Regierung erstmal versuchen abzusehen, was das für unser Land bedeutet und muss neue Abkommen verhandeln", sagte Airport-Chef John Holland-Kaye am Mittwoch in London. Die Entscheidung über eine Erweiterung des Flughafens dürfte dann erstmal auf Eis gelegt werden.

Heathrow Ausbau
Heathrow Ausbau (Animation), © Heathrow Airport

"Ironischerweise werden wir den Ausbau von Heathrow aber mehr denn je brauchen, wenn wir tatsächlich aus der EU austreten", sagte Holland-Kaye. Denn in diesem Fall müsse sich die britische Volkswirtschaft stärker und schneller mit den Wachstumsmärkten in Asien, Nord- und Südamerika vernetzen.

Auch innenpolitische Nachwehen eines Brexit könnten den Ausbau von Heathrow stoppen. Londons ehemaliger Bürgermeister Boris Johnson macht sich für einen Austritt aus der EU stark und ist ein ausgesprochener Gegner der Heathrow-Erweiterung. Verlässt Großbritannien die EU, werden Johnson gute Chancen auf das Amt des Premierministers nachgesagt.

Airbus

Nein, Airbus habe im Fall eines Austritts keine Pläne, Produktion aus Großbritannien abzuziehen, stellte Airbus-Chef Fabrice Brégier vergangene Woche in Hamburg klar. Airbus beschäftigt im Vereinigten Königreich 16.000 Mitarbeiter, die unter anderem Tragflächen, Treibstoffsysteme und Fahrwerke herstellen.

Mit Investitionen in Großbritannien werde sich Airbus nach einem Brexit aber erstmal zurückhalten, sagte Brégier.

Tom Enders und Fabrice Brégier
Tom Enders und Fabrice Brégier, © Airbus

Erst werde Airbus abwarten, "wie sich das Pfund im Verhältnis zum US-Dollar entwickelt und ob die britische Regierung die Aerospace-Industrie weiterhin unterstützt", erklärte Brégier. Blieben diese Parameter stabil, "haben wir keinen Anlass, etwas an unserer UK-Strategie zu verändern".

Der Konzernchef der Airbus Group, Tom Enders, hatte im Februar eindringlich vor einem Brexit gewarnt. "Ein Brexit würde unsere Wettbewerbsfähigkeit in Großbritannien nicht steigern", sagte Enders. "Bei einer solchen Entscheidung könnte niemand die Konsequenzen absehen."

So habe auch Airbus keine Vorstellungen, welche Folgen ein mögliches EU-Ausscheiden des Vereinigten Königreichs haben könnte: "Geschäftsleute gehen nicht gern ins Dunkle und Unbekannte."

© aero.de, dpa-AFX, Bloomberg | Abb.: Ryanair | 10.06.2016 12:24


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