Gastbeitrag
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Hell und sicher durch die Nacht

HAMBURG - Nachtflüge sind oft lang und monoton - wie können Piloten der in diesem Umfeld fast zwangsläufig aufkommenden Müdigkeit entgegenwirken? In einem Gastbeitrag für aero.de "beleuchtet" Maximilian Peukert von der TU Dresden einen Ansatz, der unter Laborbedingungen gute Ergebnisse lieferte.

In modernen Arbeitsgesellschaften wird vom Arbeitnehmer ein hohes Maß an Flexibilität und eine konstant zuverlässige Leistung erwartet. Dieser Trend macht auch vor der Luftfahrtbranche nicht halt. Piloten müssen während des gesamten Fluges fit und wachsam sein, um das notwendige Maß an Sicherheit zu gewährleisten.

Die hohen Anforderungen haben in den letzten Jahren jedoch dazu geführt, dass sich Piloten vermehrt mit starker Müdigkeit konfrontiert sehen - ein sicherheitskritischer Faktor. Als effektive Maßnahme zur Müdigkeitsreduktion liefert eine verbesserte Cockpitbeleuchtung vielversprechende Ergebnisse.

Aus arbeitspsychologischer Sicht ist der Pilotenberuf kein Traumberuf mehr. Ein stundenlanger Flug durch die Nacht, häufige Starts und Landungen pro Dienstschicht oder auch ein Dienstbeginn zu Uhrzeiten, zu denen weite Teile der Bevölkerung noch schlafen, sind Pilotenalltag.

Hinzu kommen eine dunkle Cockpitbeleuchtung sowie Monotonie und Langeweile im Reiseflug, welche durch Automatisierung und Überwachungstätigkeiten ausgelöst werden. Dass diese Faktoren Müdigkeit fördern, ist lange bekannt und auch für den Laien gut nachvollziehbar.

Lufthansa Airbus A340 Cockpit
Lufthansa Airbus A340 Cockpit, © Lufthansa

Jeder Mensch weiß, was Müdigkeit bedeutet. Man fühlt sich unwohl und matt, viele Personen berichten auch über erhöhte Reizbarkeit und ein Kältegefühl. Aber auch die Leistungsfähigkeit wird in entscheidendem Maße beeinflusst, was Studien bereits sehr häufig belegt haben.

Beispielsweise kommt es zu Einschränkungen der Aufmerksamkeit, einem verschlechterten Situationsbewusstsein sowie einer erhöhten Rate an Ablese- und Bedienungsfehlern.

Eine wegweisende Untersuchung verglich übermüdete mit alkoholisierten Personen. Die Leistung verringerte sich nach 17 Stunden durchgehender Wachheit auf ein Niveau, welches einem Blutalkoholspiegel von 0.5 ‰ entspricht. Bei 24-stündiger Wachheit entsprach die Leistung einem Wert von 1.0 ‰ Blutalkohol.

Der Vergleich macht deutlich, mit welchen schwerwiegenden Folgen Müdigkeit einhergehen kann. In der Luftfahrtgeschichte können eine Reihe von Vorfällen und Abstürzen in direkten Zusammenhang mit Übermüdung bei den Piloten gebracht werden. Aber auch nach dem Flug stellt Müdigkeit ein Problem für Piloten dar.

Piloten wohnen nicht zwangsläufig in der Nähe des Basisflughafens, so dass häufig nach dem Dienst noch eine lange Heimreise angetreten werden muss. Studien zeigen eine deutlich erhöhte Unfallgefahr im Straßenverkehr nach dem Feierabend des Piloten. Die Luftfahrtforschung, aber auch Fluggesellschaften und nicht zuletzt Pilotengewerkschaften sind zunehmend für das Thema Müdigkeit und die damit verbundenen Gefahren sensibilisiert.

Inflight-Techniken wie beispielsweise Napping können Müdigkeit reduzieren und werden empfohlen. Diese Maßnahmen sind wichtig und richtig, zusätzlich können jedoch auch die technischen Bedingungen am Arbeitsplatz der Piloten im Cockpit helfen, Müdigkeit zu reduzieren.

Ein Ansatz liefert hierbei das Thema Licht und Beleuchtung. Licht dient nicht nur zum Sehen, sondern wirkt auch unmittelbar auf den menschlichen Organismus. In der Industrie sowie dem Bildungs- und Bürokontext zeigten Forschungsergebnisse eine unter intensiven Beleuchtung gesteigerte Wachsamkeit, verringerte Fehlerraten und erhöhtes Wohlbefinden.

Das Licht diente dabei nicht nur einer kurzfristigen Müdigkeitsreduktion, sondern hatte auch langfristig positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Dabei kommt es auf die Art des Lichtes an. Positive Effekte zeigten sich lediglich bei einer intensiven, hellen Beleuchtung mit einer Beleuchtungsstärke von mindestens 300 Lux.

Die Nachtbeleuchtung im Cockpit ist nicht optimal und aus arbeitspsychologischer Sicht unzureichend. Eigene Messungen im Realflug haben gezeigt, dass bei Nachtflügen Beleuchtungsstärken weit unter 50 Lux im Cockpit vorherrschen.

Im Rahmen einer eigens an der Technischen Universität Dresden durchgeführten Studie wurden Probanden im Flugsimulator auf simulierten Nachtflügen unter heller, intensiver Beleuchtung (320 Lux, Messpunkt am Auge) untersucht. Die Forschungsergebnisse waren durchweg positiv.

Es zeigte sich eine deutlich verringerte Müdigkeit, Steigerung des Situationsbewusstseins, ein verbessertes Wohlbefinden und präzisere Flugmanöver, verglichen zur Standard-Nachtbeleuchtung. Auch wenn die Forschung noch gänzlich am Anfang steht und weitere Faktoren (beispielsweise Blendung) geprüft werden müssen, wird das Potenzial des Themas Licht deutlich.

Ein weiteres Anwendungsfeld ergibt sich in der Kabine. Fluggäste profitieren bereits heute von angepasster Beleuchtung. Moodlighting erzeugt mittels verschiedener Lichtfarben und Intensitäten Stimmungen, vermittelt Sicherheit und fördert Wohlbefinden an Bord.

Neueste Erkenntnisse belegen zudem, dass das richtige Licht zur richtigen Zeit die Auswirkungen von Jetlag schon während des Fluges mildern kann.In der Zukunft wird das Thema Licht in der Luftfahrt eine noch größere Rolle spielen.

Innovative Beleuchtungen werden eine Flugreise für den Passagier noch angenehmer gestalten und ein erholtes Ankommen am Zielort ermöglichen. Gleichzeitig können Piloten bei der Ausführung ihrer Aufgaben durch Licht unterstützt und das Fliegen damit noch sicherer gemacht werden.
© Maximilian Peukert, TU Dresden | Abb.: Lufthansa | 10.09.2016 15:08

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Beitrag vom 11.09.2016 - 22:10 Uhr
Bei Start und Landung sollte doch eine gute Nachtsicht seitens des Piloten vorliegen?
Dann müsste man rund eine Stunde vor der Landung die Beleuchtung herunterfahren...
Wieviele Stunden "hellwach" hält man wohl aus? Nach dem Flug muss man auch noch hellwach - zumindest in etwas - sein...
Wenn man gegen 22:00 von FFM nach B'Aires fliegt, weiss man, dass es bis zur ITCZ recht ruhig ist. Dann kann es etws holperig werden und anschliessend wieder langweilig... Schaltet man da nicht automatisch auf "halbe Kraft"...
Die Untersuchung sind noch ganz am Anfang.
Schau'n wir mal!

Dieser Beitrag wurde am 11.09.2016 22:31 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 11.09.2016 - 12:57 Uhr
Eigene Messungen im Realflug haben gezeigt, dass bei Nachtflügen Beleuchtungsstärken weit unter 50 Lux im Cockpit vorherrschen.

Naja, das ist ja auch so gewollt. Die Beleuchtung des Cockpits reguliert sich eben automatisch nach den äußeren Lichtverhältnissen.

Was in der Tat zu prüfen wäre: Macht es vielleicht Sinn unter unkomplizierten Bedingungen im Cruise den Blick nach draussen aufzugeben und bei Dunkelheit nur mit Instrumenten zu fliegen? Man verliert zwar Informationen bekommt aber wachere Piloten. Der Trade-off könnte durchaus positiv sein.
Beitrag vom 11.09.2016 - 12:33 Uhr
Interessanter Ansatz. Es fragt sich hierbei, welche Bedeutung bei Langstrecken Nachtflüge die visuelle Kontrolle noch hat.
Denn hier liegt ja der Grund der Verdunklung der Cockpits bei Nacht. Um so dunkler es drinnen ist, um so besser kann ich draußen einen anderen Flieger erkennen, der sich ja eventuell auch auf Kollisionskurs befinden könnte.
Bei einer Cockpitbeleuchtung bei 300 Lumen am Auge gemessen ist die Crew sicher hellwach.
Nur kann man die Frontscheiben dann auch gleich Verbänden, denn draußen sieht man dann nichts mehr.


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