Interview mit CEO Farhad Parvaresh
Älter als 7 Tage  

Iran Air erhält erstes neues Flugzeug seit 1994 von Airbus

TOULOUSE - Der 12. Januar 2017 ist ein wirklich bemerkenswerter Tag in der iranischen Luftfahrtgeschichte. Das iranische Fernsehen übertrug live als Flug IR700 aus Toulouse gegen 14.30 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Mehrabad landete. Es war der Auslieferungsflug eines Airbus A321, Kennzeichen EP-IFA.

Seine Landung markierte die Ankunft des ersten neuen Flugzeugs für eine iranische Airline seit 1994. Sogar damals, vor fast 23 Jahren, erhielt Iran Air zwei Airbus A300-600 nur mit einer Sondererlaubnis, als Kompensation für eine Maschine gleichen Typs, die vom amerikanischen Kriegsschiff USS Vincennes 1988 über dem Persischen Golf abgeschossen worden war.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Andreas Spaeth

Die letzte reguläre Auslieferung eines fabrikneuen westlichen Flugzeugs nach Persien geht zurück auf 1980, als im April eine A300B4 nach Teheran überführt wurde, als Teil einer Bestellung von sechs Flugzeugen 1978, vor der Revolution 1979.

"Dieses Flugzeug, registriert EP-IBS, fliegt immer noch sicher, Gott sei dank, trotz aller verhängen Sanktionen und den Problemen, die sie uns bereitet haben, dank der iranischen Wartungstechniker. Wir werden sie so lange fliegen wie wir können", verspricht der mit sanfter Stimme sprechende Chairman und CEO von Iran Air, Farhad Parvaresh, in einem exklusiven Interview mit dem aero.de-Dienst PaxEx.de in Toulouse am Tag vor dem Auslieferungsflug.

Er arbeitet bereits seit Jahrzehnten für die nationale Fluggesellschaft im Staatsbesitz, an der Spitze steht er seit fast acht Jahren. In den letzten Jahrzehnten, als der Iran international immer isolierter wurde wegen des Argwohns gegenüber seinem Atomprogramm, musste das Land improvisieren und sich auf Zwischenhändler stützen, um seine Fluggesellschaften in der Luft zu halten.

Farhad Parvaresh
Farhad Parvaresh, CEO Iran Air, © Airbus

Weil alle westlichen Flugzeuge amerikanische Komponenten enthalten, stand der Kauf neuer Flugzeuge außer Frage. Das änderte sich erst 2015, als ein Nuklearabkommen zwischen dem Iran und dem UN Sicherheitsrat plus Deutschland und der EU unterzeichnet wurde und ein Prozess begann, Embargos und Sanktionen zu beenden.

Im Januar 2016 wurde eine Vereinbarung besiegelt zwischen Iran Air und Airbus für eine Bestellung über 118 Flugzeuge des europäischen Herstellers: 21 A320, 24 A320neo, 27 A330, 18 A330neo, 16 A350-1000 sowie zwölf A380. Dann begann für Airbus der Prozess, alle nötigen Lizenzen und Genehmigungen für den Export der Flugzeuge inklusive ihrer amerikanischen Teile in den Iran einzuholen.

Keine A380, keine 747-8

Nach fast einem ganzen Jahr, am 22. Dezember, wurde der finale Vertrag unterschrieben, der jetzt aus 98 neuen Flugzeugen bestand, plus zwei bereits vorhandenen. Die volle vorgesehene Zahl an Flugzeugen der A320-Familie sowie der A350 aus dem Januar-Abkommen sind Teil des Vertrags, allerdings nur noch 38 der A330-Familie und, als große Enttäuschung für Airbus, keine A380.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Andreas Spaeth

"Die nötige Infrastruktur im Iran wäre in der mittelfristigen Zukunft nicht rechtzeitig fertig um die A380 abzufertigen, daher haben wir entschieden darauf zu verzichten und uns zuerst auf die anderen neuen Flugzeuge zu konzentrieren und damit vertraut zu werden", erklärt Parvaresh gegenüber PaxEx.de und betont: "Als Iran Air haben wir derzeit keine Pläne, jegliche Boeing 747 oder A380 zu kaufen."

Bei den Großraumflugzeugen wird die Gesellschaft sowohl die A350-1000 als auch die Boeing 777-300ER erhalten, letztere als Teil eines immer noch auf Bestätigung wartenden Vertrags mit Boeing, der derzeit 80 Flugzeuge umfasst (50 737MAX 8, 15 777-300ER und 15 777-9). Außerdem steht eine Vertragsunterzeichnung mit ATR kurz bevor, ebenfalls in Toulouse ansässig, über 20 Regionalflugzeuge, was die Gesamtzahl der in den kommenden elf Jahren erwarteten neuen Flugzeuge auf 200 bringt.

Iran Air bestreitet jegliches weitere Interesse an Produkten anderer Hersteller, genauso wie an noch größeren Flugzeugen. "Diese Kapazität reicht aus, vielleicht gibt es in Zukunft Bedarf für größere Flugzeuge, das werden wir sehen", sagt der Iran Air-CEO.

In jedem Fall hat sich die Fluggesellschaft eine Menge vorgenommen, die derzeit nach weltweitem Standard beinahe winzig ist, mit aktuell gerade mal 23 aktiven Flugzeugen und etwa sechs Millionen Passagieren im Jahr. Das gilt besonders für ein Land, das zweitgrößte im Mittleren Osten nach Saudi Arabien, Heimat für 80 Millionen Menschen und etwa gleich groß wie die Türkei, allerdings nur mit der halben Wirtschaftskraft.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Airbus

Aber niemand bestreitet, dass Irans Luftfahrt ein riesiges Potenzial darstellt. "Die Renaissance der iranischen Luftfahrtindustrie ist eine der wichtigsten Entwicklungen unserer Branche seit langer Zeit", betonte Airbus CEO Fabrice Brégier während der Übergabezeremonie in Toulouse.

Im Gespräch mit PaxEx.de sagte Brégier: "Es ist erstaunlich zu sehen wie schnell wir einen der umfangreichsten Verträge, die es bei Airbus je gegeben hat, umsetzen konnten, und dies ist erst der Anfang."

Farhad Parvaresh von Iran Air scheint von dem Tempo ähnlich beeindruckt: "Man kann keine Airline in der Geschichte finden, die einen Vertrag mit einem Hersteller wie Airbus unterschrieben hat, und dann drei Wochen später ihr Flugzeug geliefert bekommt. Das war natürlich alles vorbereitet, aber eben erst vor drei Wochen unterschrieben, und jetzt haben wir die erste Auslieferung", strahlte der CEO.

Was besonders bemerkenswert ist, weil der oberste Airbus-Verkäufer John Leahy gerade am gleichen Morgen betont hatte, dass die Single Aisle-Produktion bis 2021 ausverkauft sei.

Befragt von PaxEx.de, wie er Iran Air mit so kurzem Vorlauf trotzdem habe bedienen können, grinste Leahy: "Wir können immer eine Lieferposition für ein oder zwei Single Aisle-Flugzeuge finden, indem wir die Dinge ein wenig hin und herschieben, aber vielleicht hatten wir denen ja auch schon eine Position reserviert..."

Iran Air nimmt zwei abgestellte A330


Es zeigt sich nun dass das jetzt an Iran Air gelieferte Flugzeug (MSN 7418, Erstflug 16. November 2016) von Avianca bestellt, aber nicht übernommen wurde. Was auch erklärt, warum es als einziges bei Iran Air an allen 194 Sitzen über IFE-Monitore verfügt, eben in der Konfiguration für Avianca.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Airbus

Und Leahy enthüllte auch, dass zwei der A330, die jetzt an Iran Air gehen, bereits vor zwei Jahren gebaut und ebenfalls nicht übernommen wurden, dem Vernehmen nach von einem libyschen Carrier, "die sind nie kommerziell geflogen und derzeit in Europa abgestellt."

Vor dem Persischen Neujahrsfest am 21. März hofft Farhad Parvaresh noch mindestens zwei weitere neue Airbus-Jets zu bekommen, während 2017 geht er von fünf weiteren A320 und zwei A330 als Neuzugängen aus.

Diese Flottenerweiterung wird sehnsüchtig erwartet, da die derzeit aktiven 23 Flugzeuge auch schon ein Durchschnittsalter von 23 Jahren aufweisen, und nochmal etwa die gleiche Anzahl an Maschinen eingemottet ist.

"Einige sind in der Wartung, andere warten etwa auf einen Triebwerksaustausch, aber wir glauben es wäre unwirtschaftlich sie wieder einzusetzen und dafür Geld zu investieren, wo wir jetzt neue Flugzeuge bekommen", erklärt der CEO. "Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden wir schrittweise einige der anderen Typen ausmustern, wie die Fokker 100 oder die MD-82, von denen wir jeweils vier betreiben, außerdem ältere Airbusse."

Mit der Ausnahme eines Frachters sind alle 747 seit einiger Zeit gegroundet, die letzten stillgelegten waren 2016 die 747SP. Die Flotte von Iran Air ist in jüngster Zeit erheblich geschrumpft, "vor sechs Jahren hatten wir 54 Flugzeuge in der Luft", erinnert sich Parvaresh.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Airbus

Für seine Wettbewerber sieht es auch nicht besser aus, inklusive des Marktführers Mahan Air. "Es gibt derzeit im Iran überhaupt nur 150 Flugzeuge, weitere hundert sind abgestellt, von allen 16 Airlines die wir haben", so der CEO von Iran Air. Gerade mal sechs derzeit im Iran registrierte Flugzeuge, vor der aktuellen Auslieferung, sind nach dem Jahr 2000 gebaut worden, nämlich alle Second-Hand A340-600 von Mahan Air.

"Das ist nicht gut, und es zeigt den Bedarf an Flugzeugen im Iran", sagt Farhad Parvaresh. Für seine Airline, die vor 40 Jahren täglich von Teheran nach New York flog mit der Boeing 747SP, sieht der CEO großes Potenzial für den Betrieb eines wichtigen Drehkreuzes, wenn die Infrastruktur fertig ist.

"Durch unsere Lage können wir Flugzeiten von bis zu zweieinhalb Stunden weniger bieten zwischen Europa und Südostasien als über die derzeitigen Hubs am Persischen Golf, das würde weniger Sprit und Zeit verbrauchen und man könnte günstigere Tickets anbieten. Wir müssen alle daran arbeiten, dass das gelingt."

Andreas Spaeth


Andreas Spaeth fliegt. Viel. Auf PaxEx.de schreibt Spaeth, einer der führenden Luftfahrtjournalisten in Europa, über seine Erlebnisse als Passagier rund um den Globus.

Auf Twitter ist der Autor als @SpaethFlies unterwegs.
© Andreas Spaeth | Abb.: Airbus | 13.01.2017 13:35


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