Siemens eAircraft-Chef Frank Anton
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Ein neues Linienflugzeug für den Hybridmotor

ERLANGEN - Siemens, Airbus und Rolls-Royce arbeiten an einem Hybridmotor für Flugzeuge, der bis 2035 für die Linienluftfahrt einsatzbereit sein soll. Doch dafür braucht es einen völlig neuen Flugzeugtyp, wie der Chef der Siemens eAircraft-Sparte Frank Anton im Interview mit aero.de erklärt.

Herr Anton, wie sieht Ihre Zeitachse auf dem Weg zum hybridelektrischen Flugzeug aus?

Frank Anton: Lassen Sie mich von hinten beginnen: 2035 erwarten wir, dass es in der kommerziellen Luftfahrt Flugzeuge gibt, die 50 bis 100 Menschen hybridelektrisch über Distanzen von 500 bis 1.000 Kilometer transportieren.

Als zweite Marke auf der Zeitskala rechnen wir bis 2022 mit dem Einsatz von kleineren hybridelektrischen Business-Luftfahrzeugen, die vielleicht vier oder sechs Leute und mittelfristig auch bis zu 19 Leute transportieren.

Also schon 2022 ein erster hybridelektrischer Business-Jet, das wäre zwei Jahre nach dem ersten Flug auf dem Jumbolino?

Anton:
Ja, aber wie gesagt: ein Vier- bis Sechssitzer. Da sind wir in der viel kleineren Kategorie der CS23 unterwegs. Beim Jumbolino sind wir in der CS25. Eine andere Möglichkeit ist der City-Airbus. Airbus kann sich vorstellen, den bis 2023 als zugelassenes Luftfahrtzeug in Betrieb zu haben.

Dr. Frank Anton, Siemens eAircraft
Dr. Frank Anton, Siemens eAircraft, © Siemens

Dort soll das Hybridkonzept auch miteinfließen?


Anton: In den City-Airbus fließen nur die Dinge aus der Siemens-Airbus-Kollaboration mit ein. Die leistet sowohl die Vorarbeiten für den City-Airbus als auch für den Antrieb des Jumbolinos. Beim Jumbolino kommt aber als drittes Element die Turbine von Rolls Royce mit einem integrierten Generator hinzu, um einen Antrieb in der zwei Megawatt-Größenordnung zu erproben.

Die Siemens-Airbus-Kooperation läuft seit April 2016. Das Projekt mit Airbus und Rolls Royce ist quasi "on top", also für den EFan X.

Würden Sie uns das Hybridkonzept für den EFan X genauer erläutern?

Anton: Der EFan X ist ein serieller Hybrid. Das heißt, es gibt im Rumpf eine Turbine mit integriertem elektrischen Generator. Diese Einheit dient im EFan X ausschließlich der Stromerzeugung und nicht der Schuberzeugung.

Außerdem gibt es draußen an der Tragfläche den Fan, der von einem zwei Megawatt-Elektromotor angetrieben wird. Der dient ausschließlich der Schuberzeugung. Der Strom, der von der Turbine im Generator im Rumpf erzeugt wird, wird über eine Energieverteilung draußen in den Elektromotor geleitet.

Dort wandelt der Elektromotor ihn mit dem Fan in Schub um. Und dann gibt es irgendwo noch eine dicke Batterie.

In welchen Flugphasen unterstützt der Hybridantrieb beziehungsweise der Elektromotor die Leistung aus der Brennkammer – am Beispiel des EFan X?


Anton: In diesem Hybridkonzept wird die Turbine so dimensioniert, dass sie gerade die elektrische Energie liefern kann, die für den Reiseflug nötig ist. In der Take Off- und Climb-Phase, wo das Flugzeug mehr Energie braucht, kommt dieser zusätzliche Energiebedarf aus der Batterie.

Die Batterie ist genauso bemessen, dass man damit auf das Flight Level kommt - also dahin, wo man hin will. Danach ist die Batterie auf einem weitgehend entladenen Niveau. Dann kann man das System so aufsetzen, dass sie während des Fluges langsam wieder aufgeladen wird.

Wie verhält es sich am Boden - wird das Flugzeug mit dem Motor komplett elektrisch rollen können?

Anton: Wenn das Flugzeug mit dem Schub dieser elektrisch angetriebenen Fans rollt, dann rollt es natürlich rein elektrisch. Wir haben aber nicht die Absicht, auch ein elektrisch angetriebenes Fahrwerk einzubauen.

Haben Sie bereits Prognosen hinsichtlich der Reichweite und möglicher Emissionsreduzierung für einen hybridelektrischen 100-Sitzer?

Anton: In Bezug auf die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und damit einhergehend die Reduzierung der Emissionen gehen wir davon aus, dass sie im deutlich zweistelligen Prozentbereich liegen werden.

Also in etwa das, was jetzt die Getriebefan-Technologie geliefert hat?

Anton: Die liegt auch in dem Bereich, ja.

Welche größeren Herausforderungen sehen Sie auf dem Weg zum Prototypen und später zur Serienentwicklung für den EFan X?

Anton: Die eine große Herausforderung ist natürlich die Leistungsdichte. Gegenüber allen anderen Bereichen, in denen Elektroantriebe zum Einsatz kommen, müssen wir die Leistung pro Gewicht für die Fliegerei verzehnfachen.

Das ist ein technischer Schritt, den die meisten vor fünf bis zehn Jahren für unmöglich gehalten haben. Mittlerweile sind wir jedoch ungefähr die Hälfte des Weges gegangen. Wir wissen jetzt, dass es geht.

Airbus E-Fan X
Airbus E-Fan X, © Airbus

Die zweite Herausforderung schildere ich ganz plastisch: Die ersten Antriebe für Luftfahrzeuge stammen aus dem Jahr 1903. Aus einer Zeit, in der es toll war, wenn der Pilot das zwei Jahre überlebt hat. In den vierziger und in den sechziger Jahren haben wir erst die Düse militärisch und dann das Nebenstromtriebwerk in der zivilen Luftfahrt eingeführt.

Zu jener Zeit war es in die Luftfahrt immer noch so, dass man davon sprach, dass Fliegen nicht ganz ungefährlich ist. Heute führen wir zum dritten Mal eine Technologie im Luftfahrtantrieb ein.

Diesmal ist die Luftfahrt das am wenigsten fehlertolerante System - der Verlust einer Seele ist absolut unakzeptabel und das ist richtig so. In dieser Situation ist es eine große Herausforderung, eine völlig neue Antriebstechnologie einzuführen – selbst, wenn man mit allen Prozessen sicher stellt, dass diese Technologie sicher ist.

Die dritte Herausforderung besteht darin, im richtigen Moment mit dieser Technologie in das richtige Plattformprojekt hineinzukommen. Nur, wenn eine neue Plattform kommt, hat man eine Chance, sie gleich hybridelektrisch anzulegen oder wenigstens eine hybridelektrische Option unterzubringen.

Mit welchen technischen Plattformen ist die Hybridtechnologie kompatibel – wird sie eine ganz neue Plattform benötigen?

Anton: Mit Plattform meine ich natürlich in erster Linie das Luftfahrzeug. Hybridelektrisch hat zwei Haupteffekte: wir trennen die Energieerzeugung von der Schuberzeugung. Dadurch können wir die beiden einzeln optimieren und verteilen elektrische Antriebe an Positionen, wo sie dem Luftfahrzeug besser nutzen als bisher. Dadurch steigt die Effizienz des Luftfahrzeugs.

Das bedeutet aber, dass wir in andere Ecken des Designs von Luftfahrzeugen vordringen müssen. Wenn ich nur ein existierendes Flugzeug nehme und Antriebe gegen hybridelektrische Antriebe tausche, wird das Flugzeug günstigenfalls schwerer und hat die gleiche Leistung.

Wenn man aber in andere Ecken des Design Spaces geht, die lange nicht genutzt werden konnten, weil es die Antriebstechnologien nicht gab, kann man große Hübe machen.

Das heißt, dass die Hybridtechnologie ihr volles Potenzial erst an einem komplett neu konstruierten Hundertsitzer entfalten wird?


Anton: Ja. Wird dieser Hundertsitzer dann völlig anders aussehen als ein heutiges Flugzeug – das will ich nicht unbedingt postulieren, obwohl ich es mir gut vorstellen kann. Aber er wird jedenfalls eine ganze Reihe von den üblichen Paradigmen nicht mehr bedienen, die man sonst bei der Entwicklung eines solchen Flugzeugs unbedingt braucht.

Das Hochauftriebssystem wird vielleicht eine andere Bedeutung bekommen, weil es gelingt, mit vier oder sechs elektrisch angetriebenen Fans, die direkt vor den Flächen sitzen und die ich vielleicht ein bisschen bewegen kann, die Umströmung der Tragfläche so zu ändern, dass sie einerseits für den Reiseflug optimal ist - und in der anderen Position für die Landung.

Brauche ich noch ein Seitenleitwerk, wenn ich so viele verteilte Antriebe habe, dass selbst, wenn mir einer oder zwei ausfallen, ich immer noch genug da sind, um das Flugzeug insgesamt um seine Hochachse zu drehen?

Wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von dem Ihrer Konkurrenten Boeing und Zunum Aerospace?


Anton: Die Ansätze sind sich interessanterweise sehr ähnlich. Auch Zunum fängt erstmal mit etwas kleineren Luftfahrzeugen an. Auch Zunum geht den Weg des Hybridelektrischen und nutzt einen größeren Teil des Design Spaces des Flugzeugs.

Ich glaube, dass wir im Moment drei Jahre Vorsprung haben. Es ist aber ganz klar, dass wir uns auf dem jetzigen Vorsprung nicht ausruhen dürfen sondern schnell voran müssen. Insgesamt sehen wir, dass sich dieser entstehende Markt von hybridelektrischen Antrieben schneller entwickelt, als wir das vor drei Jahren prognostiziert haben.

In der Automobilindustrie gelten Hybridantriebe als Brücke zu vollelektrischen Fahrzeugen – ist das aus heutiger Sicht für Linienflüge eine realistische Perspektive?

Anton: Das ist eine sehr weite Perspektive. Außer für Nischenanwendungen wird es in den nächsten drei Jahrzehnten plus keinen reinelektrischen Antrieb geben. Wir bekommen durch den hybridelektrischen Antrieb einen Benefit: gute zweistellige Raten von Kraftstoffeinsparungen.

Wir haben aber nicht den Anspruch, rein emissionsfrei zu werden. Wir werden nicht darauf setzen, dass die Batterien so gut werden, dass wir mittlere Strecken oder womöglich sogar längere Strecken rein aus der Batterie darstellen können. Einfach, weil nicht erkennbar ist, dass eine solche Batterietechnologie in den nächsten zwanzig Jahren verfügbar wäre.

Die Hybridtechnologie, wie Sie sie skizzieren, wird tatsächlich der technologische Umbruch im Flugzeugbau insgesamt sein, der die nächsten drei Jahrzehnte bestimmt. Beschränkt er sich nur auf die Hundertsitzer?

Anton: Ja. Da muss man den Gedanken aber weiterspinnen und fragen: würde so ein Antrieb im A350, im A380, in der 747, in der 777 Sinn machen? Nein, würde er nicht.

Aber in der nächsten Generation von Widebodies vielleicht?

Anton:
Das Hybridprofil ist immer dann gut, wenn es Phasen hoher Leitungsbedarfe gibt, die sich mit Phasen niedriger Leistungsbedarfe abwechseln. Wenn ich nur die Hochleistungsphase habe wie bei einem Widebody ist das Hybridkonzept nicht tauglich.
© aero.de, boa | Abb.: Siemens, Airbus | 19.01.2018 14:05

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Beitrag vom 21.01.2018 - 13:59 Uhr
@Hans von Ohain,
wieviel Tonnen darf die Batterie wiegen? Wieviel Zeit kostet das Aufladen oder der Austausch der Batterien?
Eine weitere Turbine mit Stromgeneratoren dürfte da schon leichter sein.
Die Integration der Turbinen dürfte aber das grösste Problem seien. Die Turbinen benötigen Platz und in allen Lagen genügend "Frischluft". Dadurch entsteht Luftwiderstand...

Ja dürfte vermutlich leichter sein da der Akku als Redundanz schon groß sein müsste (wie groß genau weiß ich nicht).

Vielleicht die Lufteinlässe in die Flügelwurzel?
Die steht ja eh etwas raus und da drinnen ist ja, auch wenn das Teil natürlich recht massiv ist, auch Platz man müsste sie ja nichtmal groß um den Lufteinlass herumkonstruieren - das gibt dann natürlich etwas Luftwiderstand aber zumindest ein Kolbenmotor (vielleicht auch ein Turboprop) zieht die Luft ja eh nicht so schnell ein wie ein normaler Turbofan.

Ich hab mal einen Flügelmittelkasten gesehen der war wirklich ein fast komplett geschlossener Kasten (Cfk) der da dann reingeschoben wurde fast wie bei einem Modellflugzeug aber ich kann mir nicht vorstellen das das grundsätzlich der Fall ist, gerade bei den kleineren Fliegern.

Und am Rumpfende, hinter dem Druckschott die Generatoren.
Beitrag vom 21.01.2018 - 13:11 Uhr
@Hans von Ohain,
wieviel Tonnen darf die Batterie wiegen? Wieviel Zeit kostet das Aufladen oder der Austausch der Batterien?
Eine weitere Turbine mit Stromgeneratoren dürfte da schon leichter sein.
Die Integration der Turbinen dürfte aber das grösste Problem seien. Die Turbinen benötigen Platz und in allen Lagen genügend "Frischluft". Dadurch entsteht Luftwiderstand...


Dieser Beitrag wurde am 21.01.2018 13:12 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 21.01.2018 - 12:59 Uhr
@tip,

die Norwegen sind halt etwas schizophren: Das Geld für die E-Mobilität kommt aus der Öl- und Gasförderung... Wieviele Flüsse und Täler wurden bereits den Strom und die E-Mobilität geopfert?

Dieser Beitrag wurde am 21.01.2018 13:11 Uhr bearbeitet.


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