Flug LX7545
Älter als 7 Tage

Swiss mustert letzte Avro aus

ZÜRICH - Flug LX7545 war ein besonderer Flug, in jeder Hinsicht. Er fand am Dienstag dieser Woche statt, die Avro RJ100 mit dem Kennzeichen HB-IYZ startete in Genf und landete 53 Minuten später in Zürich. An Bord waren nur 30 Passagiere, und das aus gutem Grund: Jeder sollte einen Fensterplatz genießen können.

Wobei genießen in dem vierstrahligen Hochdecker relativ ist, denn aus vielen Sitzreihen dieses Flugzeugtyps sind nur die hoch hängenden Triebwerke zu sehen und sonst wenig. Doch dieses Problem beschränkter Aussicht haben die Fluggäste von Swiss nun nicht mehr, denn Flug LX7545 war unwiderruflich der letzte der Schweizer mit diesem Flugzeugmuster.

Swiss verschiedet ihren letzten Avro
Swiss verabschiedet ihre letzte Avro, © Andreas Spaeth

Zur Hoch-Zeit, kurz nach Gründung der 2002 aus der Regionalgesellschaft Crossair hervorgegangen Swissair-Nachfolgerin, umfasste die Flotte bis zu 21 Flugzeuge des ungewöhnlichen Vierstrahlers.

Crossair hatte bereits ab 1990 vom Hersteller British Aerospace ihre ursprünglich BAe 146 genannten Maschinen übernommen, die in Basel ansässige Airline flog insgesamt 25 Avros.

Ihr Chef Moritz Suter erfand aus Marketing-Gründen die Bezeichnung "Jumbolino" für den kleinen, gedrungenen Vierstrahler, die sich aber in der Umgangssprache nicht durchsetzte. Fast alle Avros bei Swiss stammten von der Vorgängerin.

Grund genug jetzt das Ende einer Ära mit einem besonderen Schmankerl-Flug zu begehen. Avro-Flottenchef Michael Weisser und sein Stellvertreter Peter Huber nutzten die hervorragenden Wetterbedingungen über der Schweiz am Dienstag für einen Sightseeingflug der Extraklasse.

Swiss verschiedet ihren letzten Avro
Swiss verabschiedet ihre letzte Avro, © Andreas Spaeth

In einer Reiseflughöhe von nur 18.000 Fuß (knapp 5.500 Meter) ging es nach dem Start in Genf direkt über die Alpen, nacheinander wurden der Montblanc, das Matterhorn und das Jungfrau-Massiv mit dem Aletschgletscher umkurvt, die Ikonen der Schweizer Bergwelt.

Während des Fluges sprach der Technische Pilot der Swiss-Avro-Flotte, Patrick Fritz, an Bord mit aero.de über das Flugzeug, in dem er selbst 5.000 Stunden absolviert hat. "Ich bin ein bisschen traurig, das war ein sehr spezielles Flugzeug", so Fritz. Vor allem wegen seiner Kurzlande- und Starteigenschaften.

"Durch die überdimensionierten Rad-Bremsen kombiniert mit der in jeder Höhe ausfahrbaren Luftbremse am Heck können wir sehr schnell sinken", erklärt Fritz. Das war von entscheidender Bedeutung am London City Airport, wo Crossair den Anflug mit Avro-Jets bereits 1992 begann. "Auf diese besonderen Flüge war ich immer stolz", sagt Patrick Fritz, "Swiss flog dort bis zu achtmal täglich hin."

Der Anflugwinkel in London City beträgt 5,5°, die Avro schafft sogar 7°, während normale Anflüge nur mit 3° sinken.

Swiss verschiedet ihren letzten Avro
Swiss verabschiedet ihre letzte Avro, © Andreas Spaeth

Nach Ankunft in Zürich empfing die Flughafenfeuerwehr wie schon vor dem Start in Genf die letzte Swiss-Avro mit Salut aus Wasserfontänen, Mitarbeiter präsentierten ein Abschiedsbanner.

Swiss-Chef Thomas Klühr sagte bei einem "Good bye Avro"-Empfang: "Wir haben die Avro rund zwei Jahre länger geflogen als geplant war, wegen der verspäteten Auslieferung ihres Nachfolgers, der C Series von Bombardier. Und sie hat uns nicht im Stich gelassen."

Seit der Swiss-Gründung 2002 seien in 700.000 Flugstunden eine halbe Million Flüge mit ihr durchgeführt worden, "die dabei zurückgelegte Strecke entspricht 465 Mal der Distanz zwischen Erde und Mond", so Klühr. "Viele Piloten und Besatzungen haben ihren Dienst mit der Avro genossen, jetzt verlässt unser Arbeitspferd die Flotte, und das Paradepferd, die C Series, tritt ein."

Gebrauchte Avros aus der Schweiz gefragt

Klühr zeigt sich als Airline-Chef vor allem darüber erfreut, dass der kanadische Neuling gegenüber dem britischen Vorgänger rund 30 Prozent weniger Treibstoff verbraucht. Die derzeit zehn CSeries-Flugzeuge bei Swiss wiesen derzeit eine technische Zuverlässigkeit von 96% aus, was für einen Neuling normal sei, während die Avro-Jets zuletzt beinahe 99% Zuverlässigkeit erreicht hätten.

Swiss verschiedet ihren letzten Avro
Swiss verabschiedet ihre letzte Avro, © Andreas Spaeth

"Sehr positiv überrascht" zeigte sich Klühr gegenüber aero.de über die erzielten Verkaufspreise für die ausgemusterten Avros, deren älteste Exemplare über 20 Jahre alt sind. "Die Nische der Kurzstart- und Landefähigkeit ist ein Riesenvorteil, das sind sehr leistungsstarke Flugzeuge", so Klühr.

Von den ehemals 21 Avros der Swiss sind nach Aussage von Patrick Fritz lediglich vier für Ersatzeile ausgeschlachtet oder verschrottet worden, sechs gingen zurück an Leasinggeber, zehn verkaufte Swiss direkt. Abnehmer sind Airlines in aller Welt, die einen besonderen Bedarf für derartige Flugzeuge haben.

Etwa die chilenische Aerovias DAP aus Punta Arenas, die damit auch unbefestigte Pisten in der Antarktis ansteuert. Eine ehemalige Swiss-Avro sorgte auf dem Ferry-Flug nach Chile kürzlich für Aufsehen, als sie auf dem noch nicht für Linienverkehr geöffneten Flughafen der Insel St. Helena zwischenlandete.

Ein anderer Abnehmer ist BVI Airways auf den britischen Jungferninseln. Größte verbleibende Avro-Betreiber in Europa sind City Jet (14 Flugzeuge), die damit ebenfalls vor allem London City ansteuert, sowie Braathens Regional in Schweden mit elf Maschinen, sie benötigt Avros für den Betrieb zum Stockholmer Stadtflughafen Bromma. Einziger anderer Betreiber mit über zehn Flugzeugen ist Airlink in Südafrika mit zwölf.

Abschied nach 44.000 Flugstunden


"Eigentlich sind Avros nur für ein Leben von maximal 40.000 Flugstunden ausgelegt", erklärt Patrick Fritz. "Bei zehn unserer Flugzeuge haben wir ein Lebensverlängerungsprogramm aufgelegt, mit dem sich die Betriebszeit auf 60.000 Flugstunden erhöht."

Swiss verschiedet ihren letzten Avro
Swiss verabschiedet ihre letzte Avro, © Andreas Spaeth

Das älteste Flugzeug unter den Swiss-Avros hatte etwa 44.000 Flugstunden erreicht, und das jüngste war die HB-IYZ mit rund 32.000 Flugstunden. "Ich gehe davon aus, dass die Flugzeuge bei ihren neuen Betreibern noch mindestens fünf Jahre weiter betrieben werden", sagt Patrick Fritz.

Weltweit fliegen derzeit noch 50 ältere BAe 146 sowie 79 Avro RJs. Gebaut wurden insgesamt 387.
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: Andreas Spaeth | 19.08.2017 00:11


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