Sie repräsentieren 83 Prozent des weltweiten Luftverkehrs und hatten keine Zeit für Strand und Palmen, denn die knapp zwei Tage dieses zum 73. Mal abgehaltenen jährlichen Mega-Treffens haben es in sich. Hier werden Deals unter den Airline-Chefs gemacht, hier wird der künftige Kurs der Branche bestimmt.
Sich da vor und hinter den Kulissen einig zu werden ist nicht einfach. In diesem Jahr war es besonders schwierig, Krisen verschiedener Art in den Griff zu kriegen. Teilweise hausgemachte wie die jüngsten Vorfälle bei United Airlines und British Airways, die beide durch schlechte Kommunikation ihre Image-Probleme massiv verschärften.
Teilweise von außen aufgezwungene Krisen wie die Verbannung von Laptops aus Flugzeugen auf dem Weg vom Mittleren Osten in die USA und Großbritannien. Oder die plötzlich während des IATA-Treffens ausbrechende Katar-Krise.
Qatar Airways-Chef Akbar Al Baker liebt es, seine Kreuzzüge auch gegen die Führung des Branchenverbandes bei diesen Treffen offen auszufechten. Der mächtige Mann aus Doha war auch diesmal nach Mexiko angereist. Nach Ende des feuchtfröhlichen Eröffnungsabends am Pool parlierte Al Baker noch am späten Sonntagabend Ortszeit in Cancun entspannt mit anderen Delegierten.
Er hatte offensichtlich auch keine Ahnung, welche Krise ihn überkommen würde. Am nächsten Morgen bei Beginn der Versammlung war Al Baker mit seiner Delegation überstürzt nach Doha abgereist, in einem eigens dafür gecharterten Boeing BBJ Business Jet. Zurück blieb Ratlosigkeit.
Clark gibt IATA einen Korb
Viele Teilnehmer hätten sich eine deutlichere Stellungnahme der IATA gewünscht, die aber lediglich lauwarm verlauten ließ, man wünsche sich eine baldige Öffnung der für Katar gesperrten Lufträume. Deutlich war in Cancun, dass die Ära der Dominanz der Golf-Gesellschaften derzeit klar vorbei ist, schon wegen der miserablen Zahlen etwa bei Emirates.
Deren Chef Sir Tim Clark ist stets ebenfalls eine wichtige Größe auf IATA-Jahrestreffen, diesmal blieb er fern. Aus seinem Umfeld verlautete, er sei unzufrieden mit dem Engagement der IATA gegen den Laptop-Bann bei Flügen aus dem Mittleren Osten, der auch Emirates hart trifft.
Die IATA verweist darauf, dass die Entscheidung überraschend gekommen sei, man aber alles versucht habe. Dass derzeit noch kein weitergehender Laptop-Bann durch die USA verhängt wurde rechnet sich die IATA als Erfolg ihrer Gespräche mit allen Beteiligten an.
"Wir sind jetzt beratend dabei und arbeiten mit den USA an alternativen Vorschlägen, das Fliegen auch ohne einen solchen Bann sicher zu halten," sagt IATA-Chef Alexandre de Juniac. Ansonsten konnte der frühere Air France-Boss auf seinem ersten Jahrestreffen als IATA-Chef gute Zahlen vorlegen, die Gewinnerwartung der Airlines für 2017 wurde nochmal nach oben korrigiert auf 31,4 Milliarden US-Dollar, bei Umsätzen von 743 Milliarden US-Dollar.
Was bedeutet, dass den Airlines pro Passagier im Durchschnitt weltweit gerade 7,69 US-Dollar an Gewinn bleiben. Das aber immerhin bei erstmals über vier Milliarden Fluggästen in 2017.
United und British Airways in der Defensive
Umso erschreckender sollte es für die Branche sein, dass Fluggesellschaften derzeit vor allem in den USA und in Großbritannien zu den von ihren Kunden meistgehassten Branchen gehören.
Wozu vor allem United Airlines mit der gewaltsamen Entfernung eines Passagiers aus einem Flugzeug im April beigetragen hat und zuletzt British Airways, die nach einem IT-Komplettausfall zeitweise ihren Betrieb fast komplett einstellen musste.
In beiden Fällen haben die jeweiligen Airline-Chefs kaum und viel zu spät kommuniziert. Beide Gesellschaften wurden in Cancun mit ihrem Verhalten konfrontiert. United-Chef Oscar Munoz gab sich bei einer Podiumsdiskussion zwar leicht reumütig ("wir hätten mehr und stärker entschuldigend kommunizieren sollen"), rechtfertigte sich aber auch.
Der Vorfall sei gegen 21 Uhr Ortszeit passiert, und manchmal sei es besser mit dem kommunizieren zu warten bis man die Fakten kenne. Dem widersprach der Chef von Malaysia Airlines, Peter Bellew, der selbst erst vor wenigen Tagen mit einem Entführungsversuch einer Malaysia-A330 umgehen musste.
"Man hat heute als CEO 15 Minuten um Sorry zu sagen, da stehen sie fürchterlich unter Druck." Das zeigte sich im Fall der Malaysia-A330 auch darin, dass Passagiere von Bord der tief fliegenden Maschine bereits live auf Facebook streamten bevor sie überhaupt gelandet war.
Und schließlich seien durch den IT-Ausfall, verursacht durch den offenbar ungewollten Eingriff des Technikers einer Fremdfirma, auch übliche Kommunikationskanäle lahmgelegt gewesen. Trotzdem habe doch BA-CEO Alex Cruz täglich über YouTube kommuniziert, zeichnet Walsh ein rosiges Bild des katastrophalen kommunikativen Umgangs mit dem Desaster.
"Es ist unfair zu sagen wir hätten nicht kommuniziert, aber klar müssen wir besser werden. Wir werden uns davon erholen, aber ich wünsche diese Erfahrung niemandem", so Walsh.
"Diese Industrie ist komplett verrückt"
So oder so, die Branche muss stets mit bösen Überraschungen rechnen und darauf dann umgehend die angemessene Antwort finden. "Diese Industrie ist komplett verrückt - aber genau darum lieben wir sie auch so sehr", brachte es Peter Bellew am Ende auf den Punkt. Im kommenden Jahr begibt sich der IATA-Wanderzirkus zum Jahrestreffen ans andere Ende der Welt, nach Sydney.
"Bis dahin wird viel passiert sein und wir werden wieder interessante Diskussionen führen", ist sich IATA-Chef Alexandre de Juniac sicher.
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: IATA | 07.06.2017 09:27
Kommentare (2) Zur Startseite
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wie Trump auf irgendetwas unqualifiziert zu reagieren, ist immer falsch.
Eine auf Fehlinformationen basierte allgemeine Entrüstung kann man nicht verhindern.
United hat abgewägt: Kunden entschädigen gegen bewährte Paxis, Passagiere ohne Grund (Eigenbedarf ist kein Grund) auch nach Übergabe der Boardingkarte nicht mitfliegen zu lassen.
Das United-Beispiel zeigt nur, dass gewisse Vorgänge gar nicht richtig weitergeleitet werden mussten.
Daher sollte sich jede Airline mit schnelle Reaktionen auf mögliche Themen vorbereiten.
Einfach abwarten und in Ruhe durch irgendwelche Gremien abarbeiten lassen, das war einmal.