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Air Berlin fliegt mit billigem Sprit in die Gefahrenzone

BERLIN - Roter, roter, 2015 - Air Berlin flog unter Aufsicht von Stefan Pichler noch ein paar Euro tiefer in die Verlustzone. Reichlich Rückenwind vom Treibstoffmarkt verschafft Air Berlin dieses Jahr nur vielleicht noch etwas Zeit, um sich neu im europäischen Flugmarkt zu positionieren.

Das aktuelle Air-Berlin-Modell taugt nicht mehr. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, so hat ihn Air Berlin vergangene Woche mit einem katastrophalen Zahlenwerk selbst geliefert. Nettoverlust: 447 Millionen Euro, operativer Verlust: 307 Millionen Euro. Jeweils höher als im Vorjahr.

Pichlers leiser Hinweis auf 2015 leicht gestiegene Stückerträge bewahrten die Berliner nicht vor lauter Häme. "Air Berlin kann nicht mal billigen Sprit einkaufen", titelte die "Welt".

Weil sich Air Berlin am Rohstoffmarkt gründlich verspekulierte, verpasste die Airline im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben ein Einsparpotenzial von 200 Millionen Euro. Laut Pichler wird Air Berlin erst "in der zweiten Jahreshälfte" vom noch immer günstigen Sprit profitieren.

Air-Berlin-Chef Stefan Pichler
Air-Berlin-Chef Stefan Pichler, © www.fotografie-wiese.de

Für einen Airlineprofi wie Pichler ist das eine ziemlich gewagte Aussage. Selbst wenn die 2016er Tankrechnung, wie vom Management unterstellt, Air Berlin um 250 Millionen Euro entlastet, dürfte die Airline davon am Ende wenig merken. Air Berlin ist einfach zu spät dran.

Nahezu alle Flugkonzerne nahmen 2015 satte Einmalentlastungen beim Sprit dankend mit und konnten diese Ersparnis fast 1 zu 1 als Gewinn einstreichen. Nur sind derartige Effekte in der Airlinewelt nicht von Dauer, sondern werden durch steigende Kapazitäten und sinkende Ticketerlöse konsumiert.

Das preist auch Air Berlin schon ein. Obwohl eine operative schwarze Null nach Abzug von 250 Millionen Euro Spritkosten und 40 Millionen Euro, die Air Berlin als Schaden für die zeitweise gefährdeten Codeshareflüge mit Etihad Airways ansetzt, theoretisch in Reichweite läge, vermeidet das Management harte Ergebnisprognosen.

Nur noch ein "besseres operatives Ergebnis", traut Pichler der Airline 2016 zu. Das Jahr stelle Air Berlin vor "nicht unerhebliche Herausforderungen". Im November klang das noch anders. Da sprach Pichler von einem "Wendepunkt", der 2016 erreicht und Air Berlin Anfang 2017 in die schwarzen Zahlen bringen werde.

Jetzt will sich Air Berlin verstärkt auf Geschäftskunden konzentrieren und das Langstreckenangebot ebenso ausbauen wie eine Allianz mit Alitalia. Das Flugprogramm soll nach den Kürzungen der vergangenen Jahre erstmal nicht weiter schrumpfen.

Großaktionär Etihad Airways fährt seine Unterstützung unterdessen langsam zurück. Air Berlin sicherte sich 325 Millionen Euro neue Kreditmittel, um über das Jahr zu kommen. Nur noch 75 Millionen Euro steuerte Etihad Airways als Gesellschafterdarlehen bei, der Rest sind Bankkredite, für die Etihad bürgte.

Beim Umbau zur Netzairline könnte Air Berlin billiger Sprit paradoxerweise eher schaden als helfen. Konkurrenten, allen voran Lufthansa und Eurowings, werden die Schritte der Berliner aufmerksam verfolgen und beantworten. Und dann?
© aero.de | Abb.: Ingo Lang | 02.05.2016 10:38

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Beitrag vom 04.05.2016 - 11:17 Uhr

Wenn die AB nun beklagt, wie teuer der Vertrag ist, fordert sie, der Vertrag möge aufgehoben werden. Aber sie will weder den Millionenbetrag von damals zurückzahlen, noch Stuttgart und Italien abgeben noch die HLX wieder an der Backe haben.

Diesen unbequemen Teil der Wahrheit läßt die AB gerne weg, wenn sie über den Vertrag schimpft.

Danke, Debaser, für Ihre Ergänzungen!

Ich kann es nämlich mittlerweile nicht mehr hören/lesen:
- der BER ist schuld
- der Sprit ist schuld
- die TUIfly ist schuld
- usw... die anderen

die Gründe der Probleme von AB liegen weit in der Vergangenheit und verwaschen allmählich durch die Zeit und immer höher aufstockender finanzieller Belastungen - und dem übermässigen Zucker aus Abu Dhabi. Da ist es natürlich sehr einfach für die Medien und Journalisten und nicht zuletzt der Geschäftsleitungen auf Versammlungen, ihre Argumentationen zu stützen auf Sachlagen, die ohne Hintergrundwissen nicht mehr nachvollziehbar sind für den gemeinen Leser und des Interessierten.
Beitrag vom 03.05.2016 - 17:20 Uhr
dass dieser Vertrag ohne Zeitbegrenzung unterschrieben wurde (2019 ist falsch). Erst eine von beiden Seiten dargelegte Kündigungsabsicht könnte diesen Vertrag aufheben.

Das ist korrekt. AB will den Vertrag seit drei Jahren aufheben, aber TUI will nicht - aus gutem Grund (€€€).

Man darf auch drei andere Dinge nicht vergessen: Erstens floß, wie schon erwähnt, ein achtstelliger Betrag an AB, als der Vertrag geschlossen wurde. Zweitens erhielt AB Zugang zu Stuttgart und Italien, wo man bis dato sehr schwach war. Und drittens hat die TUI eine ganze Airline aus dem Markt genommen, die der AB stark zugesetzt hat - die HLX. Deswegen war der Vertrag etwas teurer und hat so wasserdichte Ausstiegsklauseln.

Wenn die AB nun beklagt, wie teuer der Vertrag ist, fordert sie, der Vertrag möge aufgehoben werden. Aber sie will weder den Millionenbetrag von damals zurückzahlen, noch Stuttgart und Italien abgeben noch die HLX wieder an der Backe haben.

Diesen unbequemen Teil der Wahrheit läßt die AB gerne weg, wenn sie über den Vertrag schimpft.
Beitrag vom 03.05.2016 - 12:06 Uhr
dass dieser Vertrag ohne Zeitbegrenzung unterschrieben wurde (2019 ist falsch). Erst eine von beiden Seiten dargelegte Kündigungsabsicht könnte diesen Vertrag aufheben.

Das ist korrekt. AB will den Vertrag seit drei Jahren aufheben, aber TUI will nicht - aus gutem Grund (€€€).


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