Flug AC759
Älter als 7 Tage

NTSB: Airbus A320 entgeht Katastrophe um 18 Meter

SAN FRANCISCO - Air Canada Flug 759 verwechselte im nächtlichen Anflug auf San Francisco Landebahn 28R mit dem parallel verlaufenden Taxiway C. Ein Restabstand von 59 Fuß (18 Meter) zwischen dem A320 und dem Boden reichte gerade noch aus, eine drohende Katastrophe abzuwenden.

"Air Canada ist gerade direkt über uns geflogen", funkte die perplexe Crew einer Boeing 787-9 von United an den Tower. Hinter dem startbereiten United-Flug 001 nach Singapur reihten sich kurz vor Mitternacht noch ein Airbus A340 von Philippine Airlines und zwei weitere Maschinen von United, bereit zum Abflug.

Der brenzlige Vorfall vom 07. Juli beschäftigt die US-amerikanische Verkehrsbehörde NTSB, die für die Aufklärung von Unglücksfällen im Transportwesen zuständig ist. Einige Puzzleteile konnten die amerikanischen Flugunfallermittler inzwischen zusammensetzen.

AC759
Das NTSB veröffentlichte eine Skizze und die Aufnahme einer Flughafenkamera, die Flug AC759 über Taxiway C zeigt, © NTSB

Die Piloten "erinnern sich nicht daran, Flugzeuge auf dem Taxiway gesehen zu haben", gleichwohl kamen ihnen Zweifel im Landeanflug auf, berichtete das NTSB am Mittwoch aus der laufenden Untersuchung. Demnach wich Flug AC759 schon mindestens drei Meilen vor dem Flughafen vom Kurs auf die 28R ab.

Parallelbahn 28L war außer Betrieb und unbeleuchtet. Von den Ermittlern befragt gaben die Piloten an, die Lichter von 28R als Befeuerung der gesperrten Landebahn 28L fehlinterpretiert und den Anflug deswegen nach rechts - auf Taxiway C - ausgerichtet zu haben. Taxiways sind grün und blau beleuchtet, Runways weiß.

Airbus auf Abwegen

Jetzt verketten sich die Ereignisse: rund 0,7 Meilen vor dem Flughafen nehmen die Air Canada-Piloten Lichter der startklaren Flugzeuge auf dem Taxiway wahr. Die Piloten haken sicherheitshalber beim Tower nach. "Frei zur Landung, niemand außer Euch befindet sich auf 28-Right", antwortet der Fluglotse.

Am Boden biegen die Piloten des United-Dreamliners gerade Richtung Startbahn ab, sehen die A320 auf sich zufliegen und schlagen Alarm: "Er kommt auf den Taxiway rein!" Ein weiteres Flugzeug blendet die Landelichter auf, die Crew will die Air-Canada-Piloten warnen.

Zeitgleich weist der Tower AC759 zum Durchstarten an. Der Airbus zieht knapp über die vollbetankten Airliner - darunter drei Langstreckenflugzeuge mit mehr als 200 Menschen an Bord - hinweg. Wie gering der Abstand tatsächlich war, hat das NTSB noch nicht abschließend berechnet.

Aufzeichnungen des Stimmenrekorders liegen den Ermittlern für ihre Arbeit nicht vor - sie wurden bei späteren Flügen überschrieben. Nach vorläufigen Erkenntnissen des NTSB war der Airbus im Anflug zumindest zeitweise nicht für ein Radarsystem sichtbar, das Kollisionen am Boden verhindern soll.
© aero.de | Abb.: NSTB | 03.08.2017 12:09

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Beitrag vom 07.08.2017 - 11:47 Uhr
Bei der ganzen Angelegenheit gibt es einige Dinge, die mir merkwürdig erscheinen, die aber wohl kaum noch aufzuklären sein dürften (da keine Daten der CVRs und FDRs gesichert wurden). Zunächsteinmal zu den NOTAMs: ja, die sind nicht immer leicht zu lesen, aber ausgebildete Piloten sollten doch in der Lage sein, sie zu interpretieren und wenigstens bei Unsicherheit nachzufragen. Spätestens bei der Aufnahme des ATIS hätte der PM sich eine Notiz machen müssen, dass die Befeuerung von 28L abgeschaltet ist, und das hätte auch Bestandteil des Approach Briefings sein müssen (da sind bei verschiedenen Airlines die Standards leider verschieden hoch... zu ACA kann ich in der Hinsicht jedoch nichts sagen).

Ein weiterer unklarer Punkt ist für mich die Nutzung der ILS-Anzeige. Selbst bei einem VFR Approach wird bei einem A320 die ILS-Frequenz der gewählten Landebahn per Auto-Tune aktiviert, außer jemand überschreibt die Frequenz auf der RAD NAV page der MCDU oder drückt manuell eine andere Frequenz im RCP ein und aktiviert diese. Die ILS-Marker werden auf dem PFD aber nur angezeigt, wenn der entsprechende Push Button aktiviert wurde. Bei einigen Airlines ist es vorschrieben, die ILS-Anzeige auch bei VFR oder RNAV Anflügen zu aktivieren, um zusätzliche Guidance zu haben (gerade wo SFO bei Anflügen über die Bay eine gewisse Anfälligkeit für Nebel hat, und auf den beiden VFR Approach Charts für 28L/R sind die ILS-Frequenzen zusätzlich vermerkt). Ob und wie ACA das handhabt, ist mir unbekannt, aber ich vermute mal, die ILS-Anzeige für's PFD des PF war deaktiviert, oder beide Frequenzen manuell mit SFO und OAK überschrieben.

Und zu guter letzt gibt's ja auch noch einige visuelle Hilfen, speziell beim Anflug auf SFO 28L und 28R - beide Bahnen verfügen über unterschiedliche Approach Lighting Systeme. Bei 28L handelt es sich um ein ALSF-1, bei 28R um ein ALSF-2. Auch das hätte eine Hilfe sein können, um zu bemerken dass die Befeuerung von 28R kommt, und nicht von 28L (mal abgesehen davon dass die Taxiways F und C eben genau nicht hinter einem ALS liegen und damit als solche eigentlich gut von einem Runway unterscheidbar sind).

Zusammengefasst läuft es für mich darauf hinaus, dass eine bessere Vorbereitung des Anflugs den Zwischenfall wohl verhindert hätte - die Ressourcen für einen sicheren und korrekten Anflug waren jedenfalls vorhanden (unterschiedliche ALS-Systeme, NOTAM und ATIS Information zur abgeschalteten Befeuerung auf 28L, und schließlich noch die nicht genutzte ILS Anzeige). Die Verwirrung in der Kommunikation mit ATC kam nur noch als i-Tüpfelchen dazu; schließlich müssen die Piloten vorher "runway in sight" bestätigt haben, sonst hätten sie keine Landefreigabe bekommen.
Beitrag vom 07.08.2017 - 10:48 Uhr
hat ein Runway und ein Taxiway nicht verschiedene Lichtfarben?
Beitrag vom 05.08.2017 - 02:29 Uhr
Warum hat das RAAS eigentlich keine Meldung ausgegeben ("caution, taxiway")?
Weil es ein Visual war und das ILS nicht eingestellt war?


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