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Panikmache um die AUA

Austrian Arrival
Austrian Boeing 767-300, © Gerhard Vysocan, Edition Airside

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WIEN - Krise ist 'in', auch bei der AUA. Keine Frage, sie hat ihr Jahresziel nicht erreicht. Mit einem kolportierten Fehlbetrag von 64 Mio Euro bleibt ihr Ergebnis tief rot. Überrascht hätte aber eher das Gegenteil. Bei einem Mindererlös von rund 5 EUR pro Ticket (i.e. weniger als ein Drittel der neuen Flugsteuer !) die Airline inzwischen in Insolvenznähe zu reden, ist freilich brandgefährlich, nicht nur für die AUA, auch für den Standort und die Kunden.

Wo die fünf Euro blieben, zeigt schon die Diskrepanz zwischen Auslastung und Marktpräsenz. Im Januar blieben im Schnitt 32 Prozent aller Sitze unbesetzt, trotz der um kräftige 4,8 Prozent gestiegenen Verkehrsleistung (Konzern 1,6 Prozent). Auch bei den Passagieren lag der Zuwachs mit 7,1 Prozent über dem Konzernschnitt (LHG 3,9 Prozent). Trotz Besserung um 0,8 Punkte auf 68 Prozent blieb die Auslastung hingegen auf Konzerntief. (LHG +0,4 auf 73,7 Prozent). Unübersehbar: Die AUA hat die 'falschen' Flieger. Die via Zukäufe (Lauda Air, Tyrolean) geerbte Flotte passt hint' und vorn nicht mehr. Zu viele ihrer Flieger sind zu groß, und halb leer zu teuer.

Nach der Übernahme durch die Lufthansa polte Austrian ihre Netzstrategie grundlegend um, von einem großteils niedervolumigen (hochpreisigen) Nischennetz auf einen Mix aus hochvolumigem (niedergepreisten) O&D Verkehr und wachstumsintensivem Transfer aus Osteuropa und Nahost. Die Triebkräfte dahinter: Der Wettbewerb mit Lowcost-Airlines. Einen Richtungswechsel gab's auch auf der Langstrecke. Fütterten die Interkontflüge zuvor primär ihr Europanetz, so füllt die Airline nun ihre Langstreckenboeings zunehmend mit Kunden aus ganz Europa und Nahost. Und trotz Krisen in Japan und Nordafrika verdient sie damit zum ersten Mal auch gutes Geld.

Gutes Geld bleibt freilich zunehmend auf den Europastrecken liegen, nicht nur bei der AUA. Auch industrieweit. Konkret leidet die Airline unter ihrem zwar nötigen, unterm Strich aber ungenügenden Haircut bei der Flotte. Mit der Ausflottung der stückkostenintensiven 50-Sitzer (CRJ/Dash8) und der Übernahme der Lauda Air-Flotte (737) in den Liniendienst, verschob sich das Einsatzprofil der Flotte um gut 30 Sitze nach oben. Wenig überraschend: Schwache Nischen kommen dadurch zunehmend unter starken Yielddruck.

Abhilfe soll nun ein zweiter 'Haircut' bringen. Und eine Revision des Netzwerks. Mit der längst fälligen Umstellung der Mittelstrecke auf eine reine Airbusflotte (wie berichtet sollen die 11 Boeing 737 gegen 7 A319/320 getauscht werden), wird die Airline ihre überschüssige Sitzkapazität spürbar herunterfahren. Die dann um 4 auf 30 Einheiten reduzierte Mittelstreckenflotte soll dafür öfter fliegen, dito die Crews. Die neue Flottenstruktur und die auf mehr Einsatzzeit getrimmten Besatzungen werden's alleine nicht bringen. Auch das Netz wird angepasst. Nach oben. Ab Sommersaison erhöht die AUA im Europaverkehr kräftig die Frequenzen und nach Nahost die Kapazität.

Die grösste Baustelle ist inzwischen aber das Verhältnis zwischen Management und Mitarbeitern. Der neuerliche Verlust nagt tief am Selbstverständnis der Belegschaft, die nicht nur mit reputierter Leistung, sondern auch dank ihres teilweisen Gehaltsverzichts den Betrieb am Leben halten. Ironischerweise soll nun ein neuer, bei der Schwester Swiss erprobter Kollektivvertrag die alten, teils noch aus Swissair Consultingzeiten stammenden Verträge ablösen.

Während der Vorstand von einer dringend notwendigen Modernisierung der Personalstrukturen spricht, fürchten die Mitarbeiter im günstigsten Fall für weniger Geld mehr arbeiten zu müssen. Durchaus Kraft haben auch Ängste, die von der Konzermutter angekündigte Zentralisierung der Verwaltung, IT und Technik (und damit verbunden, ein Abbau an Selbstständigkeit) könnte zu weiterem Personalabbau führen, trotz Beschwichtigung aus Frankfurt, dies alles sei über normale Fluktuationen machbar.

Wenig dienlich sind freilich Szenarien, wie eine 'medial' kolportierte Insolvenzgefahr bei Scheitern der Verhandlungen. Der Vorstand setzt auf Vernunft, die Mitabeiter auch, und genau dort werden sie sich auch treffen.

Die AUA ist alles andere als insolvenzgefährdet. Im Gegenteil. Trotz härterem Wettbewerb und krisenbedingtem Druck auf ihre Kernmärkte, hat die Airline auch im letzten Jahr Standkraft bewiesen (OS-2011: Passagiere +3,4%, RPK +1,7%). Offensichtlich ist aber, der immer noch relevante Negativ-Ertrag (rund 3% vom Umsatz) kommt vor allem von der Kostenseite, extern wie intern. Extern heißt, der Standort Wien ist nach wie vor zu teuer, und intern die AUA fliegt immer noch zu teuer. Nicht zuletzt auf Grund historisch festgeschriebener Limits bei der Produktivität der Mitarbeiter. Im Fokus stehen nicht deren Leistung und Entgelt, sondern chronisch mitgeschleppte Altlasten wie nicht mehr zeitgemäße Sonderleistungen bei den Pensionen, hohe Abfertigungen, garantierte, ergebnisunabhängige Gehaltsanpassungen, veraltete Arbeitszeitregeln und vieles mehr, Relikte aus prestigegeprägten Zeiten, wo Fliegen (und geflogen werden) echt noch was Besonders war. 
© Bob Gedat, aero.at | Abb.: Ingo Lang | 14.02.2012 22:45


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