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Beitrag vom 24.02.2020 - 09:03 Uhr
UserNicci72
User (570 Beiträge)
Da ich beruflich etwas mit Rumänien zu tun habe hier ein wenig Ergänzendes zu diesem interessanten Artikel:

TAROM ist in sehr schwerem Gegenwind unterwegs. Rumänien steht wirtschaftlich heute ja ungefähr dort, wo Polen vor gut 15 Jahren stand - zwar mit aufwärts weisender Tendenz, aber von sehr, sehr niedrigem Niveau aus und in politisch sehr volatilem Umfeld. Ob und wie es vorangeht, hängt wesentlich von der Politik ab - und die ist in Rumänien so eine ganz spezielle Sache. Der "gegenwärtige CEO George Barbu" (hintersinnig und zutreffend formuliert) von TAROM ist tatsächlich bereits der siebte CEO in gerade einmal drei Jahren - seine (inzwischen auch schon wieder) Vorvorgängerin wurde nach nur einem Vierteljahr im Amt im Oktober letzten Jahres vom Verkehrsminister gefeuert, weil sie sich geweigert hatte, durch künstliche Verspätungen von Inlandsflügen oppositionelle Parlamentsabgeordnete daran zu hindern, rechtzeitig zu einer wichtigen Abstimmung im Parlament in Bukarest zu kommen, so dass die Regierung diese Abstimmung verlor. Diese Affäre sagt nicht nur viel darüber aus, nach welchen Kriterien das Top-Management von TAROM ausgewählt wird. Es ist unter diesen Umständen tatsächlich verwunderlich und in der Tat eine Leistung, dass man bei TAROM überhaupt noch zu einer Art von Geschäftsführung kommt.

Deutlicher Marktführer in Rumänien ist inzwischen die Wizz Air, danach haben der rumänische LCC Blue Air und die Lufthansa-Group, die rumänische Airports durch die CityLine, Air Dolomiti und die AUA mit Frankfurt, München und Wien verbindet, inzwischen ebenfalls größere Marktanteile als der - immer noch - Flag Carrier TAROM. Eine Langstrecke hat man bei TAROM schon lange nicht mehr, mit der Ausflottung des letzten A 310 im Jahr 2016 (!) auch keinen Widebody mehr. Die (vom Vorvorvorgänger von Herrn Barbu 2018 angestoßene) Erneuerung der Flotte ist seit langem überfällig, mit den neuen ATR zielt man vor allem auf das Kerngeschäft, die rumänischen Inlandsflüge, wo man auf den meisten Strecken (die Frage ist: wie lange noch?) ein Monopol hat. Aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation Rumäniens sind Jets auf diesen Routen zu groß, die ATR 72-600 daher eine gute Wahl. Eigentlich stehen zumindest Teile der Mittelstreckenflotte ebenso dringend zur Erneuerung an, TAROM operiert hier zum Teil noch mit uralten 737-300 Classics und A 318, die weder mit den A 320/ A 321 des "Lowest Cost Carriers" Wizz Air noch - im Bereich der Geschäftskunden - mit den modernen Embraer-Jets der Lufthansa mithalten können, die von dieser auf den Rumänien-Routen zumeist eingesetzt werden, im Grunde nicht einmal mit den auf den Rumänien-Routen von Wien aus einstweilen immer noch eingesetzten Dashs der AUA. Auch diesen ebenso wichtigen Teil der Flottenerneuerung hat der Vorvorvorgänger von Herrn Barbu freilich eigentlich bereits eingeleitet, allerdings ist er leider auf die Idee gekommen, sie ausgerechnet mit der 737 MAX durchführen zu wollen. Im Jahre 2018 vor dem Lion-Air-Crash schien das noch eine gute Idee zu sein, zumal TAROM als einzigen etwas jüngeren Teil seiner Flotte 737-NGs (-700 und -800) besitzt. Jetzt müssen die uralten Classics und die A 318 vorerst einfach noch so lange durchhalten, bis geklärt ist, ob und wie es mit der MAX weitergeht. Und in dieser Zeit werden sie weiter Verluste einfliegen und wahrscheinlich auch Marktanteile verlieren. Wie erwähnt, TAROM ist in ziemlich schwerem Gegenwind unterwegs. Die neuen ATRs sind da wenigstens etwas Positives, von dem es sonst bei dieser europäischen Traditions-Airline nicht viel gibt.