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Airbus und EADS: Licht, Schatten und munteres Stühlerücken

Gallois
EADS Vorstandschef Louis Gallois, © EADS

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HAMBURG / PARIS - Überquellende Auftragsbücher bei Airbus, gefährdete Großaufträge bei der Rüstungssparte Cassidian: Zum Jahresstart des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS liegen Licht und Schatten nah beieinander. Zugleich muss der Konzern einen Umbau seiner deutsch-französischen Eigentümerstruktur erdulden, und an der Konzernspitze sorgt ein umfangreiches Stühlerücken für Spannung. Für Airbus war 2011 mit rund 1500 Aufträgen ein Rekordjahr.

Bei der EADS/Airbus-Neujahrskonferenz am kommenden Dienstag (17. Januar) im Hamburger Airbus-Werk dürfte der Konzern jedoch erst einmal auskosten, dass er seinen Erzrivalen Boeing im vergangenen Jahr vor sich hergetrieben hat.

Für den Flugzeugbauer Airbus war 2011 mit rund 1500 Aufträgen nicht nur ein Rekordjahr, sondern auch das Jahr der Spritsparer. Horrende Preise für Kerosin ließen die Fluggesellschaften nach sparsameren Fliegern lechzen. Als Airbus Ende 2010 seinen Kassenschlager A320 in der "neo"-Version mit sparsameren Triebwerken und neu gestalteten Flügeln anbot, traf das Management um Thomas Enders voll ins Schwarze. Die Airlines rannten den Europäern die Türen ein, selbst ehemals stramme Boeing-Kunden bestellten die Mittelstrecken-Jets von Airbus scharenweise. Sie verbrauchen immerhin 15 Prozent weniger Sprit als ihre Vorgänger.

Fast 1200 Festaufträge für die drei A320neo-Varianten sammelte Airbus alleine bis Ende November ein - die exakten Daten werden am Dienstag in Hamburg verkündet. US-Konkurrent Boeing sah sich herausgefordert: Mit der weiterentwickelten 737-MAX wollen die Amerikaner die Kundenflucht stoppen, ja das Rennen gegen Airbus noch gewinnen. Airbus hat aber genügend Aufträge für die kommenden acht Jahre eingesammelt, auch Boeing ist auf Jahre ausgebucht. 2011 stellte Airbus Insidern zufolge mehr als 530 Flugzeuge fertig (2010: 510 Auslieferungen) - Boeing kam nur auf 477 Exemplare. Der US-Konzern hinkt damit bereits seit 2003 den Europäern hinterher.

Airbus A320neo
Studie des Airbus A320neo, © Airbus
Arbeitsplätze stehen auch deshalb bei Airbus nicht auf dem Spiel. Im Gegenteil: 2011 hat der Flugzeugbauer rund 4 000 Mitarbeiter eingestellt, im laufenden Jahr sind nach Insider-Informationen weitere Neueinstellungen geplant. Denn der Flugzeugbauer fährt die Produktion für die A320- und A320neo-Maschinen weiter hoch, um den Auftragsberg überhaupt bewältigen zu können. Fürs laufende Jahr setzt Airbus Enders zufolge nur noch auf ein Drittel der Auftragseingänge des Vorjahres. Zum einen herrscht Unklarheit, ob die Airlines 2012 trotz Finanzkrise problemlos weiter mit Krediten für die Finanzierungen ihrer Jets rechnen können. Zum anderen mangelt es an Ingenieuren.

Bei der Entwicklung des neuen Hightech-Jets A350 muss die Entwicklung der Langversion bereits hintenan stehen: Erst wenn die mittellange Grundversion voraussichtlich 2014 fertig ist, werden bei Airbus wieder genügend Spezialisten für neue Aufgaben frei. Mit Spannung wird erwartet, ob der Zeitplan für den neuen Langstreckenfliegers A350 gehalten wird. Ähnlich wie Konkurrent Boeing bei seiner 787 "Dreamliner" setzt Airbus bei der A350 auf Kohlefaser-Verbundstoffe. Boeing hatte beim "Dreamliner" wegen technischer Probleme mehr als drei Jahre Verspätung und milliardenschwere Mehrkosten eingefahren.

Im laufenden Jahr steht neben dem Wechsel an der Spitze von EADS und Airbus Daimlers weiterer Rückzug aus dem größten europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern an. Daimler will sich von 7,5 Prozent trennen, die staatlich kontrollierte KfW Bankengruppe soll neuer Eigentümer werden. Zugleich wird es ein großes deutsch-französisches Stühlerücken geben: Mitte des Jahres wird aller Voraussicht nach Enders (53) als Nachfolger des scheidenden EADS-Chefs Louis Gallois (67) antreten. An die Airbus-Spitze soll dem Vernehmen nach der Franzose Fabrice Brégier (50) rücken. Um das zwischen Paris und Berlin ausgehandelte Gleichgewicht im Konzern zu wahren, soll dann Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber seinen Platz an der Spitze des mächtigen EADS- Verwaltungsrates frei machen, damit ihn EADS-Großaktionär Arnaud Lagardère nachfolgen kann.

Im Rüstungsgeschäft drohen dem EADS-Konzern unterdessen wichtige Großaufträge verloren zu gehen: Die Bundesregierung will laut einem internen Schreiben die Bestellung der Eurofighter-Kampflugzeuge und des europäischen Militär-Transportflugzeugs Airbus A400M zusammenstreichen, auch Aufträge für die Kampfhubschrauber Tiger und NH-90 stehen offenbar auf der Kippe.
© dpa-AFX | Abb.: Airbus | 13.01.2012 15:22

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Beitrag vom 13.01.2012 - 20:59 Uhr
"2011 stellte Airbus Insidern zufolge mehr als 530 Flugzeuge fertig (2010: 510 Auslieferungen) - Boeing kam nur auf 477 Exemplare."

2011 stellte Airbus Branchenkreise zufolge 543 Flugzeuge in den Dienst.



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