Staatsgeld für Ersatzteillager
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Russland will Superjet-Service verbessern

Suchoi Superjet 100
Suchoi Superjet 100, © Suchoi

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MOSKAU - Die russische Regierung will dem kränkelnden Suchoi Superjet-Programm mit einer kräftigen Geldspritze neues Leben einhauchen: aus einem Fonds sollen vier Milliarden Rubel (55 Millionen Euro) in den Aufbau eines Ersatzteillagers fließen. Und auch neue Kunden haben die Russen im Visier.

Schönzureden gibt es nichts: Bisher war 2019 für den Suchoi Superjet ein Seuchenjahr. Direkt zu Beginn verlor Suchoi den prestigeträchtigen Westeuropa-Kunden Cityjet aus Irland, der 15 Superjet bestellt und bereits sieben davon im Dienst hatte - teilweise im Wet Lease für SN Brussels Airlines.

Ein kurz darauf ausgehandelter Deal mit der slowenischen Adria Airways endete im Streit und scheiterte. Am 5. Mai crashte ein Superjet der Aeroflot bei einer Notlandung in Moskau-Scheremetjewo und brannte aus, wobei 41 Menschen ums Leben kamen.

Nur einen Tag später erklärte die russische Yamal Airlines, sie wolle ihre derzeit 15 Superjets schnellstmöglich loswerden und auch die noch ausstehenden zehn Maschinen nicht übernehmen.

Und zuguterletzt ging in der vergangenen Woche der zweite große Westkunde, die in Finanznöten steckende Interjet aus Mexiko, auf Distanz zum Suchoi Superjet und kündigte an, ihre 22 Flugzeuge auszuflotten. Harte Zeiten also für das einstige Hoffnungsprojekt der russischen Zivilluftfahrt.

Vier Milliarden Rubel für Service-Support

Warum das Flugzeug bei vielen seiner Kunden in Misskredit geraten ist, liegt jedoch auf der Hand: es fällt zu oft aus und steht dann zu lange still.

Das Service-Netz für den Superjet ist löchrig wie ein Schweizer Käse, Ersatzteile sind nur mit großem Zeitaufwand zu bekommen. Interjet sah sich deshalb gezwungen, einen Teil der Flotte zu kannibalisieren und mehrere Superjets zu Ersatzteilspendern zu degradieren.

Sukoi Superjet 100
Sukhoi Superjet 100, © Sukhoi

Bei UAC und dem Triebwerkshersteller United Engine Corporation, der die SaM146-Turbofans des Superjet produziert, ist man sich des Problems längst bewusst - und versucht bereits seit geraumer Zeit gegenzusteuern. So fuhr UAC schon im vergangenen Jahr die Produktionsrate des Flugzeugs herunter, um sich stattdessen verstärkt auf den After-Sales-Support und eine Aufstockung des Ersatzteillagers zu konzentrieren.

Diese Bemühungen werden nun auch vom russischen Staat direkt unterstützt: Wie Interfax am 3. September berichtete, ordnete Ministerpräsident Dimitri Medwedew an, aus einem Reservefonds vier Milliarden Rubel (etwa 55 Millionen Euro) bereitzustellen, um ein umfangreiches Ersatzteillager aufzubauen.

Außerdem wolle man 64 "Service Bulletins" ausarbeiten. Damit soll das globale Servicenetz für die Kunden auf Vordermann gebracht - und der Ruf des Superjet gerettet werden. Darüber, dass die Gelder tatsächlich in die richtigen Kanäle fließen, solle das russische Ministerium für Industrie und Handel wachen, schreibt Interfax weiter.

Neue Kundschaft für den Superjet


Unterdessen zeichnete sich für Russlands Regionaljet in den letzten Tagen tatsächlich der eine oder andere Silberstreif am Horizont ab: Auf dem Aviasalon MAKS in Moskau vom 27. August bis zum 1. September präsentierte UAC das Regionalflugzeug am Boden wie in der Luft.

Aeroflot Superjet 100
Aeroflot Superjet 100, © Superjet International, CC

Im Laufe der Show konnte UAC für sein Sorgenkind auch neue Aufträge präsentieren: Yakutia Airlines erklärte schriftlich, zu ihren fünf bestellten bis zu zehn weitere Superjet zu übernehmen – per Leasing. Auch Azimuth Airlines, die ausschließlich auf den Superjet setzt, wird zwei weitere Flugzeuge leasen.

Und mit der privaten usbekischen Qanot Sharq könnte gar ein ganz neuer Kunde in den Kreis der Superjet-Nutzer stoßen. Die Usbeken unterzeichneten auf der MAKS eine Absichtserklärung für drei Maschinen, ebenfalls via Leasing.

UAC gegen Aeroflot


Dass beim Hersteller United Aircraft Corporation (UAC), zu dem Suchoi gehört, trotzdem die Nerven blank liegen, demonstrierte Ende August Boris Aleshin, technischer Berater des UAC-Chefs Juri Sljussar. In einem Vortrag auf dem Eurasian Space Congress in Moskau warf Aleshin der Aeroflot vor, den Superjet im Zusammenhang mit dem Unglück vom 5. Mai absichtlich in Misskredit gebracht zu haben:

Aeroflot habe von Beginn an suggeriert, das Flugzeug sei "Müll" und für den Unfall alleinverantwortlich, ohne die weiteren Ermittlungen abzuwarten, zitiert Interfax den UAC-Berater. Bis die Unfallermittlung abgeschlossen sei, habe jedoch niemand das Recht, Anklage zu erheben.

UAC habe schließlich auch nicht die Aeroflot-Crew oder das Ausbildungsniveau der Aeroflot-Piloten kritisiert – auch nicht "die Probleme, die Aeroflot selbst aufgrund unzulänglichen Managements verursachte".

Die staatliche Aeroflot ist mit 150 bestellten Maschinen der mit Abstand größte Kunde für den Suchoi Superjet - und ebenfalls unzufrieden mit dessen Alltags-Performance. Der Superjet sei der "unzuverlässigste Flieger der Flotte", zitierte die "WELT" im Mai einen internen Aeroflot-Bericht.

Pünktlich zur MAKS in Schukowski schienen sich die Wogen allerdings wieder geglättet zu haben - zumindest nach außen: Neben dem vierten Superjet von Yakutia parkte im Static Display auch ein Exemplar in den Farben der Aeroflot.
© FLUG REVUE - PZ | Abb.: Superjet International | 07.09.2019 03:06

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Beitrag vom 08.09.2019 - 18:02 Uhr
Also rein aus meiner Erfahrung raus ist es schon den Gesellschaften sehr wichtig, an den Airports (Also zumindest an den größeren.) und auch an den Wartungsbasen einen ausgereiften Support zu haben. Das betrifft nicht nur die Sparepart Versorgung, wobei die natürlich richtig gut laufen muss, sondern es gehört ja auch der technische Support was Engineering Leistungen angeht dazu. Weiterhin gibt es weltweit Airbus / Boeing Repräsentanten, welche direkt vor Ort sind, wo es brennt und in der Regel sehr gut vernetzt sind, um verschiedene AOG - Szenarien und ähnliches effizient zu lösen. Das ganze weltweit abzudecken, ziehst Du ja nicht eben mal so auf, sondern das entwickelt sich natürlich über die Jahrzehnte. Und dort denke ich, hat ein neuer Hersteller sein Riesenproblem, auf den Markt zu kommen. Es gibt ja nun noch nicht so viele Betreiber des SSJ, aber man hört ja immer mal, dass selbst diese wenigen nicht ausreichend supported werden können. (Wobei ich zugeben muss, dass höre ich nur so, dafür habe ich keine Fakten.
Beitrag vom 08.09.2019 - 11:20 Uhr
Ich verstehe das so, dass vereinfacht gesagt die Fluggesellschaften beim Aufbau ihrer Flotten sich auch ein Ersatzteillager zulegen. Hier erfolgt eine Erstausstattung mit Hilfe von Airbus. Dabei wird ein Bestand an bestimmten Ersatzteilen benannt und eingekauft. Dieser Bestand unterliegt dem von mir früher schon beschriebenen Kreislauf. Sollte Bedarf an seltenen oder nicht mehr vorrätigen Ersatzteilen bestehen, kann wieder auf Airbus zurückgegriffen werden.

Natürlich ist insofern ein umfangreicher Herstellersupport beim Aufbau einer Ersatzteilversorgung gerade auch beim Neuaufbau von grosser Bedeutung.

Es wird wohl jede Fluggesellschaft oder die für die Wartung der Flotte verantworliche Firma ständig gebrauchte Verschleißteile vorhalten. Für alles Andere gibt es Wartungsverträge, die entweder schon im Kaufvertrag enthalten sind, oder Extra ausgehandelt werden. In diesen Verträgen wird festgelegt wie schnell der Hersteller oder eine von ihm beauftragte Firma weitere Ersatzteile zu liefern hat. Da ein Flugzeug eine beträchtliche Investition darstellt, ist jeder Inverstor daran interessiert die Standzeiten wegen Reparaturen so gering wie möglich zu halten. Dann hilft es mir auch nicht, wenn ich ein Flugzeug z.B. für 60% des Preisen eines Airbus oder einer Boeing bekomme, wenn es dann Wochen oder Monate am Boden steht, weil bestimmte Ersatzteile nicht verfügbar sind, die bei den beiden Anderen innerhalb von kurzer Zeit zur Verfügung stehen.
Ich denke da kann sich jeder ausrechnen, was auf Dauer billiger ist.
Von Flugausfällen wegen nichtverfügbarkeit ganz zu schweigen.

Dieser Beitrag wurde am 08.09.2019 11:20 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 08.09.2019 - 10:54 Uhr
@Runway

Interessanter Link. Danke.

Ich verstehe das so, dass vereinfacht gesagt die Fluggesellschaften beim Aufbau ihrer Flotten sich auch ein Ersatzteillager zulegen. Hier erfolgt eine Erstausstattung mit Hilfe von Airbus. Dabei wird ein Bestand an bestimmten Ersatzteilen benannt und eingekauft. Dieser Bestand unterliegt dem von mir früher schon beschriebenen Kreislauf. Sollte Bedarf an seltenen oder nicht mehr vorrätigen Ersatzteilen bestehen, kann wieder auf Airbus zurückgegriffen werden.

Natürlich ist insofern ein umfangreicher Herstellersupport beim Aufbau einer Ersatzteilversorgung gerade auch beim Neuaufbau von grosser Bedeutung.


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