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Tarom sucht den Neuanfang

Tarom ATR 72-600
Tarom ATR 72-600, © ATR

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BUKAREST - Rumäniens Flag Carrier Tarom will seine Flotte moderner gestalten. Deshalb least Tarom neun fabrikneue ATR 72-600 über Nordic Aviation Capital. Das erste Flugzeug haben die Rumänen nun übernommen - und zugleich eine neue Lackierung eingeführt. Ein Ende der Turbulenzen?

Auf Turboprops aus dem Hause ATR setzt man bei Tarom schon seit über 20 Jahren: im Juni 1998 übernahm die staatliche Airline Rumäniens ihre erste ATR 42, sieben davon sind bis heute geblieben. Ihr Durchschnittsalter: 21,5 Jahre.

Die aktive Dienstzeit dieser Flugzeuge neigt sich nun dem Ende, denn Tarom hat am 19. Februar in Toulouse die erste von neun bestellten fabrikneuen ATR 72-600 in Empfang genommen. Die geleasten Airliner, die 72 Passagieren Platz bieten, stellt Nordic Aviation Capital und sollen die älteren Schwesterflugzeuge ersetzen.

Bis Ende des Jahres möchte Tarom alle neun ATR 72-600 im Besitz haben. Mit den neuen Flugzeugen werde man in der Lage sein, "neue Routen zu entwickeln, Frequenzen und Sitzplatzverfügbarkeit zu erhöhen und gleichzeitig ein Höchstmaß an Komfort zu bieten", kommentierte Taroms gegenwärtiger CEO, George Barbu, die Auslieferung der ersten Maschine an seine Airline.

Die ATR 72-600 ist die modernste Variante der erfolgreichen europäischen Turboprop-Familie. Sie besitzt ein modernes Thales-Glascockpit sowie eine komfortablere Kabine und wird von zwei Pratt & Whitney PW127M-Propellerturbinen angetrieben, die der Maschine unter anderem eine höhere Nutzlast bescheren.

Neuer Anstrich, neues Glück?

ATR verspricht seinen Kunden bis zu 40 Prozent Treibstoffersparnis im Vergleich zu ähnlich großen Regionaljets. Zudem könne die robuste Zweimot Tarom dabei helfen, schlecht angebundene Regionen in Rumänien besser ins Streckennetz zu integrieren.

Das von Tarom übernommene Flugzeug, es trägt die Kennung YR-ATJ, ist zugleich das erste in der Flotte, das einen modifizierten Anstrich erhielt. Damit möchte das Management offenbar den Willen zur Veränderung auch optisch unterstreichen.

In der jüngeren Vergangenheit machte Tarom nämlich eher mit internen Turbulenzen, anhaltenden Verlusten und häufigen Vorstandswechseln auf sich aufmerksam. Mehrfach mussten Geschäftsführer der Airline 2019 nach wenigen Monaten im Amt ihren Hut nehmen.

Im Dezember 2019 gewährte die rumänische Regierung der Airline einen Notkredit von 157 Millionen Euro - auch, um vereinbarte Maßnahmen zur Neustrukturierung finanziell abzusichern.
© FLUG REVUE - PZ | Abb.: Tarom | 23.02.2020 12:33

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Beitrag vom 24.02.2020 - 09:03 Uhr
Da ich beruflich etwas mit Rumänien zu tun habe hier ein wenig Ergänzendes zu diesem interessanten Artikel:

TAROM ist in sehr schwerem Gegenwind unterwegs. Rumänien steht wirtschaftlich heute ja ungefähr dort, wo Polen vor gut 15 Jahren stand - zwar mit aufwärts weisender Tendenz, aber von sehr, sehr niedrigem Niveau aus und in politisch sehr volatilem Umfeld. Ob und wie es vorangeht, hängt wesentlich von der Politik ab - und die ist in Rumänien so eine ganz spezielle Sache. Der "gegenwärtige CEO George Barbu" (hintersinnig und zutreffend formuliert) von TAROM ist tatsächlich bereits der siebte CEO in gerade einmal drei Jahren - seine (inzwischen auch schon wieder) Vorvorgängerin wurde nach nur einem Vierteljahr im Amt im Oktober letzten Jahres vom Verkehrsminister gefeuert, weil sie sich geweigert hatte, durch künstliche Verspätungen von Inlandsflügen oppositionelle Parlamentsabgeordnete daran zu hindern, rechtzeitig zu einer wichtigen Abstimmung im Parlament in Bukarest zu kommen, so dass die Regierung diese Abstimmung verlor. Diese Affäre sagt nicht nur viel darüber aus, nach welchen Kriterien das Top-Management von TAROM ausgewählt wird. Es ist unter diesen Umständen tatsächlich verwunderlich und in der Tat eine Leistung, dass man bei TAROM überhaupt noch zu einer Art von Geschäftsführung kommt.

Deutlicher Marktführer in Rumänien ist inzwischen die Wizz Air, danach haben der rumänische LCC Blue Air und die Lufthansa-Group, die rumänische Airports durch die CityLine, Air Dolomiti und die AUA mit Frankfurt, München und Wien verbindet, inzwischen ebenfalls größere Marktanteile als der - immer noch - Flag Carrier TAROM. Eine Langstrecke hat man bei TAROM schon lange nicht mehr, mit der Ausflottung des letzten A 310 im Jahr 2016 (!) auch keinen Widebody mehr. Die (vom Vorvorvorgänger von Herrn Barbu 2018 angestoßene) Erneuerung der Flotte ist seit langem überfällig, mit den neuen ATR zielt man vor allem auf das Kerngeschäft, die rumänischen Inlandsflüge, wo man auf den meisten Strecken (die Frage ist: wie lange noch?) ein Monopol hat. Aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation Rumäniens sind Jets auf diesen Routen zu groß, die ATR 72-600 daher eine gute Wahl. Eigentlich stehen zumindest Teile der Mittelstreckenflotte ebenso dringend zur Erneuerung an, TAROM operiert hier zum Teil noch mit uralten 737-300 Classics und A 318, die weder mit den A 320/ A 321 des "Lowest Cost Carriers" Wizz Air noch - im Bereich der Geschäftskunden - mit den modernen Embraer-Jets der Lufthansa mithalten können, die von dieser auf den Rumänien-Routen zumeist eingesetzt werden, im Grunde nicht einmal mit den auf den Rumänien-Routen von Wien aus einstweilen immer noch eingesetzten Dashs der AUA. Auch diesen ebenso wichtigen Teil der Flottenerneuerung hat der Vorvorvorgänger von Herrn Barbu freilich eigentlich bereits eingeleitet, allerdings ist er leider auf die Idee gekommen, sie ausgerechnet mit der 737 MAX durchführen zu wollen. Im Jahre 2018 vor dem Lion-Air-Crash schien das noch eine gute Idee zu sein, zumal TAROM als einzigen etwas jüngeren Teil seiner Flotte 737-NGs (-700 und -800) besitzt. Jetzt müssen die uralten Classics und die A 318 vorerst einfach noch so lange durchhalten, bis geklärt ist, ob und wie es mit der MAX weitergeht. Und in dieser Zeit werden sie weiter Verluste einfliegen und wahrscheinlich auch Marktanteile verlieren. Wie erwähnt, TAROM ist in ziemlich schwerem Gegenwind unterwegs. Die neuen ATRs sind da wenigstens etwas Positives, von dem es sonst bei dieser europäischen Traditions-Airline nicht viel gibt.


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