787-Batteriefeuer
Älter als 7 Tage

NTSB findet Fehler bei Boeing, FAA und GS Yuasa

Christopher Hart
Christopher Hart, © NTSB

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WASHINGTON - Das Batteriefeuer, das die Boeing 787 im vergangenen Jahr für drei Monate am Boden hielt, war das Resultat unzureichender Konstruktions- und Testverfahren. Mit dieser Feststellung und einiger Kritik an Boeing, FAA und GS Yuasa schloss die US Ermittlungsbehörde NTSB am Montag ihre Fallakte.

Laut der von Boeing seinerzeit eingereichten Dokumentation zum neuen Lithium-Ionen-Akku hätte eine überhitzende Zelle keine Kettenreaktion in Gang setzen dürfen. Die Zulassungsbehörde FAA hegte weder gegen die Konstruktion der Batterie noch gegen die von Boeing durchgeführten Tests Bedenken.

Im Abschlussbericht müssen sich Boeing und FAA nun vom NTSB vorhalten lassen, nicht alle Möglichkeiten eines Batterieversagens durchgespielt zu haben. Beim japanischen Akkulieferanten GS Yuasa stieß das NTSB außerdem auf Defizite in der Produktion der sensiblen Komponente.

Boeing verbaut in der 787 zwei Akkupacks, um den Dreamliner mit Strom zu versorgen. Ein Kurzschluss in einer der acht Batteriezellen habe am 07. Januar 2013 eine Kettenreaktion in Gang gesetzt und zum Brand im Heck des am Flughafen Bosten geparkten Flugzeugs von Japan Airlines geführt, hält das NTSB fest.

Das Feuer sowie eine Notlandung einer weiteren 787 von All Nippon Airways (ANA) nur Tage später führten zum längsten Grounding eines zivilen Flugzeugtyps in den Vereinigten Staaten seit den 1950er Jahren.

NTSB spart nicht mit Kritik

"Die Untersuchung hat Defizite in den Konstruktions- und Zertifizierungsabläufen ans Tageslicht gebracht", schrieb NTSB Vorstand Christopher Hart in einer Email. Glücklicherweise habe sich der Brand von Boston "am Boden entwickelt, so dass die Feuerwehr schnell zur Stelle war".

Boeing habe nicht richtig verstanden, was bei einem Batterieversagen passiere und die FAA habe diese Defizite beim Hersteller nicht erkannt. Der FAA gibt Hart im Abschlussbericht 16 Vorschläge mit auf den Weg, um eine solche Aufsichtspanne künftig zu verhindern.

"Boeing stimmt dem Untersuchungsergebnis zu, nach dem ein Kurzschluss den Brand verursacht hat", sagte Konzernsprecher Doug Alder und verwies auf die "grundlegende Überarbeitung" der Batterie.

Zellen können noch immer überhitzen

Boeing hat die Zellen inzwischen besser voneinander abgeschirmt und verpackt die Akkus jetzt vorsorglich in einem Stahlbehältnis mit eigener Abluft.

Aber selbst nach diesen Maßnahmen bestehe weiter ein Restrisiko, schreibt das NTSB. Unter starker Leistungsabgabe könnten Zellen weiterhin überhitzen. Daher sollten dem Batteriesystem weitere Sicherungsmechanismen hinzugefügt werden.

Boeing schätzte die Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Überhitzungsreaktion, bei der Batterieflüssigkeit freigesetzt wird, einst auf 1 zu 10 Millionen. Beim zweiten Vorfall dieser Art in Japan hatte die 787 Gesamtflotte gerade einmal rund 52.000 Flugstunden hinter sich.

GS Yuasa muss sich vom NTSB ebenfalls harte Kritik gefallen lassen. Das Unternehmen habe für seine Tests nicht die Batterien verwendet, die später in der 787 verbaut wurden, rügen die Ermittler.

Auch seien die Produktionsanlagen bei einer Inspektion nicht kontaminationsfrei gewesen. Nicht unter Reinraumbedingungen hergestellte Batterien wiesen aber "eine erhöhte Anfälligkeit für interne Kurzschlüsse" auf.

Abschlussbericht des NTSB im Volltext (PDF)
© Bloomberg News | Abb.: Boeing | 02.12.2014 12:10

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Beitrag vom 03.12.2014 - 19:39 Uhr
@Avokus

Das Verständnis für diese Problematik fehlt mitunter sogar im kleinen, aber direkt am Betrieb beteiligten Rahmen:

Mir wollte mal ein RampAgent - welcher sich eigentlich mit der potentiellen Problematik von Fracht und anderem auskennen sollte - mal meinen Photorucksack abnehmen. Sein Argument: Das Ding sei zu groß für die CRJ. Meine Antwort, dass ich den Rucksack unter dem Vordersitz verstauen werde und das haufenweise LiIo-Akkus darin seien, interessierte ihn nicht. Abgeben war angesagt!

An Board fragte ich die neben mir stehende Purserin, wie sie es bewerten würde, dass ein Rucksack mit zwei integrierten DSLR-, Wechsel-, Camcorder-, Macbook-, iPad-, Telefon- und Blitz-Akkus im Frachtraum liegen würde. Alle in LiIo-Bauweise. Ich sagte ihr, dass ich gerne meinen persönlichen Fußraum verringern würde, um das Zeugs wenigstens unter Beobachtung halten zu können.
Sie dankte mir herzlichst für diese Information und sehr schnell war der große wie auch nominell zu schwere Rucksack in der Kabine.

Zugegeben: Die Akkus von klassischer Consumer-Electronic machen nicht sooo oft Probleme.
Ebenfalls zugegeben: Das Löschen von LiIo-Bränden ist alles andere als trivial.
Aber lieber entdecke ich den Brand innerhalb der Kabine frühzeitig und gebe derart der Crew eine Chance zu reagieren, als dass es erstmal im Frachtraum die Temperaturen der Kuscheligkeit ungestört übersteigt bevor jemand etwas mitbekommt.
Bei Feuer an Bord geht es um jede Minute ...
Beitrag vom 03.12.2014 - 10:53 Uhr
Das ganze Thema Elektromobilität zeigt noch immer große Schwächen, die teilweise, vielleicht auch politisch gewünscht, totgeschwiegen werden. Die Problematik ist zwar durch die Luftfahrt zu Tage getreten und nicht erst mit dem 787Desaster, sondern bereits vorher, siehe vorausgegangener Frachterbrand, war es in Dubai oder Sharjah LH MD-11?. Ionen Akkus sind klassifiziert als Gefahrgut und dürfen selbst im Landverkehr nur unter besonderen Vorkehrungen transportiert werden. Der jetzt noch übliche Akkuversand per Post oder DHL ist nur ein Beispiel für Gefahrenquellen. Privatversender müssen dies gar nicht deklarieren, und tun dies auch nicht und DHL weis am Ende nicht was sie da eigentlich verschickt. Another Desaster waiting to happen. Auch hat noch niemand thematisiert was bei Elektroautos passiert wenn da mal ein Akku abfackelt. Diese Akkus sind nicht ohne weiteres zu löschen und brennen sogar ohne Sauerstoff oder unter Wasser weiter. Die Vorstellung eines Akkubrands während des Fluges lässt mich deshalb sehr zurückschrecken in Bezug auf die Wahl der Airline bei künftigen Flügen.
Beitrag vom 03.12.2014 - 10:47 Uhr
Im Bericht steht, dass die FAA nicht nur bei der Zertifizierung der Lithium-Akkus versagt hat.

Es wird auch erwähnt, dass sowohl der Flight Data Recorder ziemlichen Müll liefert und der Cockpit Voice Recorder im Flug keine brauchbaren Tonaufzeichnungen der Pilotenunterhaltungen gemacht hat. Aber alles von der FAA zertifiziert.


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