Über den Sommer war Turkish Airlines ziemlich mit sich selbst beschäftigt und sortierte gehorsam Mitarbeiter aus, die augenscheinlich nicht mehr ins aktuelle politische Lagebild eines leicht reizbaren Präsidenten Erdogan passten. Immerhin ist Turkish Airlines noch zu 49 Prozent in staatlicher Hand.
Zuletzt ging Temel Kotil von Bord. Wie freiwillig der langjährige Airlinechef, der Turkish Airlines in zehn Jahren von 12 auf 60 Millionen Passagiere navigierte, das Unternehmen am Ende verlassen hat, ist nicht überliefert. Kotil, so heißt es in der Branche, hielt zu lange eine schützende Hand über ungenehme Mitarbeiter.
Von Juli bis September war Kotil jedenfalls noch im Amt und erlebte die Entzauberung von Turkish Airlines hautnah mit. Ein Rückgang der Passagiererlöse um 11,6 Prozent zeitigte einen Gewinneinbruch um 66,9 Prozent und demontierte das Sommerquartal.
Ein kurzzeitiges Einflugverbot, das die Vereinigten Staaten im Juli überraschend gegen Turkish Airlines verhängt hatten, stand an der Spitze der Verwerfungen, mit denen Turkish Airlines nach dem gescheiterten Putschversuch des Militärs in der Türkei fertig werden musste.
Nach neun desaströsen Monaten belasten 260 Millionen US-Dollar operativer Verlust die Zwischenbilanz. Zum Vergleich: vor einem Jahr begann Turkish Airlines das traditionell schwächere Schlussquartal noch mit einem bärenstarken Gewinnpolster von 732 Millionen US-Dollar im Rücken.
Das Nettozwischenergebnis von Januar bis Ende September fällt mit einem Verlust von 463 Millionen US-Dollar gar 1,34 Milliarden US-Dollar schlechter aus als im selben Zeitraum des Vorjahres. Dabei profitierte Turkish Airlines sogar noch von einer deutlich geringeren Treibstoffrechnung als 2015.
Turkish Airlines wird zunehmend das Opfer ihrer eigenen Rasanz. Zwischen Angebotsausbau (ASK) und Mehrabsatz (RPK) klafft eine Kerbe von 6,1 Prozentpunkten, die vor allem der internationale Verkehr schlug. Auf der Langstrecke ging die Auslastung binnen eines Jahres um 4,6 Punkte auf 73,6 Prozent zurück.
Das Jahr 2016 ist für Turkish Airlines bisher ein einziger Stresstest, der sich in der aktuellen Wintersaison weiter verschärfen könnte. Kotils Nachfolger Bilal Eksi muss gegensteuern und dünnt den Flugplan aus. Turkish Airlines trat außerdem an Airbus und Boeing heran - 39 A320neo und 737 MAX sollen nun später ausgeliefert werden.
© aero.de | Abb.: Ingo Lang | 10.11.2016 13:53
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