Airlinepoker
Älter als 7 Tage

Lufthansa greift nach Air Berlin und Marktmacht

FRANKFURT - Mit der faktischen Dreiteilung der Air Berlin ist der Poker um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft erst so richtig eröffnet. Derzeit scheint die Lufthansa die besten Karten in der Hand zu halten, um den kriselnden Konkurrenten auf Sicht komplett zu übernehmen.

Entsprechende Gespräche der Frankfurter mit dem Air-Berlin-Großaktionär Etihad sollen bereits laufen und auch die Politik unterstützt nach Informationen des "Handelsblatt" eine deutsche Lösung.

An einer Schlüsselstelle sitzt jetzt der frühere Germanwings-Chef Thomas Winkelmann, der am Sonntag aus dem Lufthansa-Konzern an die Spitze der Air Berlin berufen worden ist.

Die angeschlagene Airline vermietet ab dem kommenden Jahr 38 ihrer Jets an die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian und hat zudem 33 Flugzeuge an einen neuen Ferienflieger in Österreich ausgegliedert. Damit stellt sich für alle Beteiligten die bange Frage, ob der verbleibende Air-Berlin-Rumpf mit 75 Maschinen an den Drehkreuzen Düsseldorf und Berlin allein überlebensfähig sein kann.

Lufthansa und Air Berlin in DUS
Lufthansa und Air Berlin in DUS, © Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf

Das Zutrauen ist angesichts der angespannten finanziellen Lage der offensichtlich nicht sehr groß. "Zunächst geht es erst einmal um die Absicherung des Wet-Lease-Geschäfts", sagte Luftverkehrsberater Gerald Wissel. Winkelmann werde dafür sorgen, dass Eurowings und Austrian bei dem Leihgeschäft mit 38 Jets keine bösen Überraschungen erlebten.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat zudem deutliches Interesse an den 14 Langstrecken-Jets vom Typ A330 der Air Berlin erkennen lassen, mit deren Hilfe operative Probleme beim noch dünnen Fernangebot der Billigtochter Eurowings gelöst werden könnten.

Lufthansa konsolidiert auch intern


Die starken Gewerkschaften bei der Lufthansa sehen das Zusammenrücken der beiden Airlines mit gemischten Gefühlen. Bei Eurowings kommen die zusätzlichen Air-Berlin-Maschinen nämlich nicht obendrauf, wie es der Konzern zunächst in seiner Wachstumsstory angekündigt hatte.

Stattdessen werden 20 ziemlich betagte Jets der Germanwings stillgelegt und ihre teuren KTV-Besatzungen zur Lufthansa-Mutter transferiert. Das habe man für die Flugbegleiter immerhin mit guten Sozialplänen abgesichert, sagt der Chef der Kabinengewerkschaft Ufo, Nicoley Baublies.

Lufthansa will hier die etwas niedrigere Kostenstruktur der samt Besatzungen geleasten Air-Berlin-Jets nutzen, um das Gesamtangebot auszudünnen und so den Markt im eigenen Sinne zu bereinigen.

eurowings Airbus A330 Flotte
Eurowings Airbus A330-200, © eurowings

Die Probleme mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) werden dadurch aber auch nicht kleiner, denn die sieht sich auch in den Cockpits der Air Berlin "gut bis sehr gut organisiert", wie ihr Sprecher Markus Wahl sagt. Die VC dürfte es daher bei einer engeren Zusammenarbeit als ihre wichtigste Aufgabe ansehen, die Tarife anzugleichen, und zwar möglichst auf dem höheren Lufthansa-Niveau.

Bei einer weitergehenden Integration der Rest-Air-Berlin in den Lufthansa-Konzern sind aber noch viele weitere Fragen ungeklärt. Da sind der Schuldenberg der Berliner Gesellschaft von rund einer Milliarde Euro und die kartellrechtlichen Probleme auf zahlreichen Strecken, die bislang noch von Lufthansa und Air Berlin in Konkurrenz angeboten werden.

Laut "Handelsblatt" haben besonders Landespolitiker aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hohes Interesse daran gezeigt, das bisherige Angebot an ihren Flughäfen aufrechtzuerhalten.

Kartellrechtlich gelegen könnte das stark ausgeweitete Angebot der aggressiven Billigflieger Ryanair und Easyjet kommen, die ihrerseits keine kriselnden Gesellschaften übernehmen wollen. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte als einer der ersten prophezeit, dass die Air-Berlin-Reste letztlich bei der Lufthansa landen würden.

Ball liegt bei Etihad


Antworten sind derzeit vor allem aus Abu Dhabi gefragt, wo sich der Air-Berlin-Großaktionär Etihad entscheiden muss, was er mit seiner defizitären Deutschlandbeteiligung anfängt.

Das erste Abkommen mit der Lufthansa über gemeinsam vermarktete Flüge weist den Weg zu einer engeren Zusammenarbeit oder sogar kapitalmäßigen Verflechtung mit der Lufthansa. Die könne ihrerseits einen arabischen Partner aus strategischen Gründen gut gebrauchen, glaubt Wissel.
© dpa, aero.de | Abb.: Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf | 19.12.2016 15:01

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Beitrag vom 21.12.2016 - 19:09 Uhr
Airlinervielfalt gegen Managereinfalt!!! Es wird teuer und laaangweilig über Deutschland!
Beitrag vom 21.12.2016 - 09:35 Uhr
Mich erinnert das bei LH momentan an die Agenda 2010 von Schröder. Heute sind ihm alle dankbar das er es gemacht hat.

Nur wenn man das "alle" durch "alle, die von den Regularien entweder nicht betroffen sind oder davon profitieren" ersetzt, könnte der Satz möglicherweise stimmen...

Stimmt, erweitert um: wäre es nicht passiert ständen perspektivisch alle schlechter da.

Das kommt eben auf die Perspektive an.
Aus der Perspektive einer alleinerziehenden Mutter, eines 55-jährigen Arbeiters oder eines atypisch beschäftigten "Aufstockers" ist das glaube ich nicht so.


Es hat den produktionsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig gemacht, das kann man kaum verneinen.

Es hat Arbeit billiger gemacht und Unternehmengewinne erhöht. Zum einen durch direkte Kostenreduktionen der Lohnnebenkosten und durch einen erhöhten Druck auf Arbeitslose auchatypische Beschäftigung anzunehmen. Das so eingesparte Geld fehlt allerdings den Beschäftigten und auch in den Sozial- und Gesundheitssystemen. Die Agenda 2010 kann daher durchaus auch als Umverteilung von der nach Reichtum unteren Hälfte der Gesellschaft auf die obersten 5% angesehen werden.
Die das dann "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" nennen und über verschiedenste Institute massiv medial bewerben lassen. :-)

Deutschland ist auf dem Weltmarkt zeifelsohne wettbewerbsfähig.
Dummerweise reißt gerade die Steigerung deutsche Wettbewerbsfähigkeit der letzten 10 Jahre den Euro außeinander, da das Wettbewerbsgefälle mit Deutschland an der Spitze in Europa massiv steiler geworden ist.
Die andere Seite der Medallie sind die kriselnden Länder Südeuropas.
Ein hoher Außenhandelsüberschuss wie Deutschland ihn hat ist entgegen der duetschen Darstellung nichts Gutes, da diesem Schulden der Käufer gegenüberstehen.
Eine hohe Wettbewerbsfähigkeit eines einzelnen Landes in einer Währungsunion ist auch nichts Gutes für das Gesamtsystem.

Das dabei bestimmt nicht alles richtig gemacht wurde mag ich nicht bewerten.

Doch, genau diese Bewertung sollten mehr Leute vornehmen.

Dieser Beitrag wurde am 21.12.2016 09:40 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 21.12.2016 - 09:31 Uhr
Ich frage mich: Ist den "pro Piloten Gehaltsforderung" Schreibern überhaupt bewusst, dass Strecken nun mal in der Einzel Vollkostenbetrachtung gerechnet werden müssen und es eine Herangehensweise a la: "Der Konzern hat letztes Jahr Gewinn gemacht gemacht also geht das" einfach nicht geht?! So führt man Unternehmen nicht. Und die Cockpit Kosten machen nun mal einen großen Teil aus. Und i.V. zu anderen einen zu großen. Auch AF hat ja versucht das Thema anzugehen. Mich erinnert das bei LH momentan an die Agenda 2010 von Schröder. Heute sind ihm alle dankbar das er es gemacht hat.

Es wird nicht mehr lange viele Strecken geben, die mit den hohen Kosten der KTV Piloten gewinnbringend zu fliegen sind. Die Verlagerung der FRA-PHL Flüge auf Jump ist da wohl erst der Anfang, da wird es noch mehr Strecken in Zukunft geben, die so bei der LH Mainline wegfallen werden.EW steht mit der Langstrecke in den Starlöchern in MUC (dort sind noch viele Langstrecken im "roten Bereich") und ich könnte mir auch vorstellen, dass auch noch in FRA vermehrt in Zukunft aus diesem Grunde Strecken von der Mainline verloren gehen, - oder sogar ganz eingestellt werden müssen.
Eine Hoffnung scheint man ja mit der AB Langstrecke zu haben, die man übernehmen will. Dorthin werden dann wohl auch LH Mainline Strecken wandern


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