Lufthansa
Älter als 7 Tage

"Wir sind endlich wieder in der Offensive"

FRANKFURT - Carsten Spohr war noch am Donnerstag die Erleichterung anzumerken. Auf der Bilanz-Pressekonferenz in München konnte der 50 Jahre alte Lufthansa-Chef deutlich befreiter über die Zukunft seines Unternehmens sprechen, weil er am Tag zuvor den Dauerstreit mit seinen Piloten beigelegt hatte.

Der komplexe Deal zu allen offenen Tariffragen der rund 5.400 Konzernpiloten verspricht nicht nur ein Ende der sprichwörtlichen "Streikhansa", sondern auch echte Kostensenkungen in den kommenden Jahren.

Die werden dringend benötigt, wenn Lufthansa ihre führende Position in Europa halten will. Wieder steigende Kerosinpreise und ein heftiger Preisverfall insbesondere nach Nordamerika setzen den Kranich trotz steigender Passagierzahlen unter Druck, noch härter zu sparen.

Schon 2016 hat das trotz aller Bemühungen nicht gut genug geklappt, um den operativen Gewinn zu halten. Er ging um 3,6 Prozent auf 1,75 Milliarden Euro zurück. Auch im aktuellen Geschäftsjahr werde diese entscheidende Kennzahl leicht schrumpfen, kündigte Spohr an.

Carsten Spohr
Carsten Spohr, © Deutsche Lufthansa AG

Dass Lufthansa trotzdem erneut einen Rekordüberschuss von diesmal 1,8 Milliarden Euro präsentieren konnte, ist auch den harten Tarifauseinandersetzungen mit dem Personal zu verdanken. Die Umstellung der Betriebsrenten entlastet den Konzern von künftigen Pensionszusagen, weil nicht mehr die Renten, sondern nur noch die Arbeitgeberbeiträge garantiert werden müssen.

Lange Nacht im Aviation Center

Auch die Piloten haben angesichts der erdrückenden Zinsrisiken nun eingewilligt, dieses Rundum-Sorglos-Paket aufzugeben. Für 2016 konnte Lufthansa bereits 652 Millionen Einsparungen für die Flugbegleiter verbuchen, im laufenden Jahr könnte es noch höhere Einsparungen für die Piloten geben. Doch das sind Einmaleffekte, die schon im kommenden Jahr nichts mehr zählen.

Es war eine harte Nachtsitzung bis 07.00 Uhr am Mittwochmorgen in Spohrs Büro im Lufthansa Aviation Center am Frankfurter Flughafen. Der Vorstand hatte hoch gepokert und den Piloten angedroht, eine neue Gesellschaft außerhalb der bestehenden Tarifverträge zu gründen, um mit einer "Neben-Lufthansa" auch Fernflüge abzuwickeln.

Im Gespräch waren 40 Jets, es hätten aber schnell auch mehr werden können, sofern der bereits informell eingeschaltete Aufsichtsrat zugestimmt hätte.

Dieses Szenario hat die Tarifkommission der Vereinigung Cockpit (VC) offenbar so beeindruckt, dass sie in den Eckpunkten Kostensenkungen von 15 Prozent akzeptierte, die erstmals im kommenden Jahr greifen sollen.

Die noch nicht komplett ausverhandelten Stellschrauben sind vielfältig und jährlich 150 Millionen Euro wert: Die Gehälter junger Piloten steigen langsamer, alle Flugzeugführer bekommen weniger bezahlte Überstunden und weniger freie Tage - und der Vorruhestand winkt im Schnitt erst mit 60 statt mit 58 Jahren.

Wachstum bei Lufthansa Classic

Auf der anderen Seite garantiert Lufthansa der Gewerkschaft neben Gehaltserhöhungen, dass sie bis Mitte 2022 die Lufthansa Classic mit mindestens 325 Flugzeugen nach den Regeln des nun erneuerten Konzerntarifvertrags betreiben wird.

Das eröffnet seit Jahren nicht mehr gekanntes leichtes Wachstum der Flotte, Karriereaussichten auf Kapitänsstellen und bringt die lang ersehnten Neueinstellungen für hunderte längst ausgebildete Jungpiloten - wohl die zentralen Punkte der VC.

Spohr kann darauf hoffen, mit dem Paket nach drei Streikjahren endlich seine wichtigste Truppe im Unternehmen wieder hinter sich gebracht zu haben. Den Aufbau der Billigtochter Eurowings und weitere Kooperationen rund um den Globus kann er nun leichter in Angriff nehmen.

Und Spohr wäre nicht Lufthansa-Chef, wenn er nicht sofort einen neuen Siegeswillen im Unternehmen verspüren würde. Aus dem getriebenen Kranich soll wieder ein Angreifer auf dem vor zahlreichen Umbrüchen stehenden Luftverkehrsmarkt werden. "Wir sind endlich wieder in der Offensive", jubelt Spohr.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Lufthansa | 16.03.2017 15:29

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Beitrag vom 17.03.2017 - 15:32 Uhr
@ Digiflieger

Werden durch die neue angestrebte Vereinbarung Arbeitsplatzsicherheit und ordentliches Auskommen der LH-Piloten gefährdet?

Nee, aber das war mal das Ziel... In so fern bin ich tatsächlich ganz zufrieden...

Was bedeutet 'soziale Marktwirtschaft' für Sie? Sind die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt, wenn Tarifpartner eine Einigung erzielen?
Jaein, ich wollte damit sagen, dass das Gleichgewicht zwischen Kapital und AN und AG verschoben ist.

Die 1,8 Mrd. Gewinn für 2015 verteilte sich wie folgt:
200 Mio für das Kapital (Dividende)
600 Mio für die Mitarbeiter (Rückstellung für die Pensionsverpflichtungen)
1000 Mio. für AG und Mitarbeiter (Flugzeuginvestition für die Flottenverjüngung)

Das Gleichgewicht ist tatsächlich verschoben! Aber in Richtung Kapital?

Ja, das waren ja mal "meine" Rückstellungen, die jetzt aufgelöst werden. Und ich soll das "unternehmerische" Risiko (Zinsen) tragen und gleichzeitig darf ich die unternehmerische Freiheit nicht einschränken. Das sehe ich schon als Verschiebung an. Ist aber halt Fakt und wurde heir ja auch von vielen vehement gefordert. Dagegen haben wir uns lange gewährt. Wofür wir das nun hergegeben haben, wird sich erst in Zukunft zeigen...


Und ich finde es nicht in Ordnung, wenn Ergebnisse "erzwungen", bzw. "erpresst" wurden. Weder von AG, noch von AN!

Einverstanden!
Aber, Hand aufs Herz: Hätten Sie das auch geschrieben, wenn nach dem 3. Streik die Geschäftsleitung den KTV auch für Eurowings aufgemacht hätte?

Na klar;-)
Ich habe immer zugegeben, dass das Pendel 2001 weit in Richtung VC ausgeschlagen hat...

(Auch weil die LH taktische Fehler gemacht hat;-) und die VC nicht darauf aufmerksam gemacht hat... Aber Stich sitzt bis heute im Vorstandsfleisch oder eher AR-Fleisch;-))

Dieser Beitrag wurde am 17.03.2017 15:33 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 17.03.2017 - 15:15 Uhr
@ Digiflieger

Dann streichen Sie doch einfach die "bald 20 Jahre".

Das Vertragswerk hat den Piloten ein Sicherheit und ein ordentliches Auskommen gegeben.

Werden durch die neue angestrebte Vereinbarung Arbeitsplatzsicherheit und ordentliches Auskommen der LH-Piloten gefährdet?

Was bedeutet 'soziale Marktwirtschaft' für Sie? Sind die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt, wenn Tarifpartner eine Einigung erzielen?
Jaein, ich wollte damit sagen, dass das Gleichgewicht zwischen Kapital und AN und AG verschoben ist.

Die 1,8 Mrd. Gewinn für 2015 verteilte sich wie folgt:
200 Mio für das Kapital (Dividende)
600 Mio für die Mitarbeiter (Rückstellung für die Pensionsverpflichtungen)
1000 Mio. für AG und Mitarbeiter (Flugzeuginvestition für die Flottenverjüngung)

Das Gleichgewicht ist tatsächlich verschoben! Aber in Richtung Kapital?

Und ich finde es nicht in Ordnung, wenn Ergebnisse "erzwungen", bzw. "erpresst" wurden. Weder von AG, noch von AN!

Einverstanden!
Aber, Hand aufs Herz: Hätten Sie das auch geschrieben, wenn nach dem 3. Streik die Geschäftsleitung den KTV auch für Eurowings aufgemacht hätte?

Dieser Beitrag wurde am 17.03.2017 15:15 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 17.03.2017 - 14:47 Uhr
Dann streichen Sie doch einfach die "bald 20 Jahre".

Das Vertragswerk hat den Piloten ein Sicherheit und ein ordentliches Auskommen gegeben. Beides wurde und wird immer wieder in Frage gestellt. Warum wird dann immer suggeriert, dass es "veraltet" ist?


Was wir aktuell erleben ist leider die absolute Markt- und Maximierungshörigkeit (im Gegensatz zur Optimierung!).

Was verstehen Sie denn Optimierung?

Optimierung ist der best mögliche (In so fern kann es auch eine Maximierung sein;-)) Kompromiss(Lösung) aller Abhängigkeiten eines Problems.


Da nehme ich die Piloten nicht aus, wenn ich da so einzelne Aussagen zur vorgestrigen Vereinbarung höre;-(
Wir sollten uns alle die Frage stellen, ob und wie wir die soziale Marktwirtschaft leben wollen, bzw. wie oder ob wir sie am Leben erhalten wollen.

Was bedeutet 'soziale Marktwirtschaft' für Sie? Sind die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt, wenn Tarifpartner eine Einigung erzielen?
Jaein, ich wollte damit sagen, dass das Gleichgewicht zwischen Kapital und AN und AG verschoben ist. Und ich finde es nicht in Ordnung, wenn Ergebnisse "erzwungen", bzw. "erpresst" wurden. Weder von AG, noch von AN!

Ist es z.B. in Ordnung, wenn verschiedene Beschäftigungsgruppen zweistellige Prozente in Einkommen oder Altersversorgung abgeben, obwohl die Firma immer Gewinne erwirtschaftet ...

Ich denke schon, wenn die Tarifpartner sich da einig sind?

Siehe oben, es sind mir zuviel Machspielchen am Werk, statt sachorientierte, ausgewogene Tarifarbeit.


...und gleichzeitig die Vorstände zweistellige Zuwächse verzeichnen dürfen?

Da sind doch hier alle derselben Meinung, da gibt es doch gar keinen Disput.

Ich persönlich finde das zwar nicht in Ordnung, aber so es scheint der "Markt" zu wollen und dem haben sich, für manche endlich mal, auch die Piloten der LH gebeugt.
Ich bitte weiter zu bedenken, dass wir alle den Markt durch eigenes Verhalten, wenn auch minimal, beeinflussen können;-)
Dazu gehört eben auch mal auf etwas zu verzichten (z.B. wenn man sich das teuere nicht leisten kann) oder dem anderen etwas (wie z.B. mehr zu verdienen oder eine gute Altersversorgung zu haben) auch einfach mal zu gönnen. Das scheint aber heutzutage nicht mehr ganz so modern zu sein.

Schön gesagt!
Sagen Sie es doch einfach mal Boeing757767, der hier nicht müde wird, aufzuzählen, was bei anderen Airlines so alles aufgetischt wird und das LH da hin muss, um in fünf Jahren überlebensfähig zu sein. Das wird bestimmt eine interessante Diskussion, wenn Sie ihm 'Verzicht' und 'anderen etwas gönnen' vorschlagen.

Das ist ein bisschen die Frage auch Henne oder Ei, was war zuerst?
Ich hatte die Beiträge von 757767 meistens als Antwort auf die Aussage, dass bei LH zu viel für die Arbeit der Piloten gezahlt wurde, bzw. wird, gesehen. Das heisst ja nicht, dass man mit dem was man bekommt nicht versuchen kann, den Markt zu beeinflussen. Vielleicht kann er das ja aufgrund des Einkommens sogar noch mehr steuern, als andere.... und auf das Mehreinkommen bei anderen Airlines verzichten, bzw. es den Piloten dort gönnen;-)


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