Interview mit Farhad Parvaresh, CEO Iran Air
Älter als 7 Tage

"Iran ist ein Land mit Hunger auf neue Flugzeuge"

CANCUN - Nachdem er ihn im Januar in Toulouse traf, bei der Übergabe des ersten neuen Flugzeugs, einer A321, an Iran Air in über zwei Jahrzehnten, traf unser Autor Andreas Spaeth den CEO von Iran Air, Farhad Parvaresh, jetzt auf der IATA-Versammlung in Cancun zum Interview wieder.

aero.de: Hat sich die Wahrnehmung, das Image von Iran Air verändert seit Sie im Januar das erste neue westliche Flugzeug bekommen haben?

Farhad Parvaresh: Sehr sogar, die Menschen im Iran freuen sich sehr darüber. Nicht nur die diejenigen, die darin selbst als Passagiere fliegen, sondern auch jene die wissen, dass Verwandte damit fliegen. Sie empfinden die neuen Flugzeuge als sichtbare Früchte aus dem Nuklearabkommen. Dabei empfindet jeder etwas.

aero.de: Haben Sie das selbst schon erlebt?

Parvaresh: Ja, als ich vor ein paar Tagen auf dem Weg zur IATA in Cancun mit einem unserer neuen A330 von Teheran nach Paris geflogen bin. Als ich auf mein Gepäck wartete haben mich etwa fünf Iraner erkannt, sie kamen zu mir und bedankten sich.

Farhad Parvaresh
Farhad Parvaresh, CEO Iran Air, © Airbus

Sie sagten sie seien vorher mit anderen Gesellschaften geflogen, die neuere Flugzeuge haben. Aber jetzt, mit den neuen Flugzeuge, seien sie froh immer Iran Air zu fliegen, dank der neuen Flugzeuge. Das ist ein großer Schub für unser Image, zum ersten Mal sind wir in der Lage auf internationalen Routen mit anderen Gesellschaften zu konkurrieren.

aero.de: Ist das auf Inlandsflügen auch so?

Parvaresh: Ja ist es. Die einzige A321 die wir haben fliegt auf Inlandsrouten zu den meisten größeren iranischen Städten. Und wir wissen dass die Leute unsere Flugpläne studieren um zu sehen, wo das Flugzeug hinfliegt, um dann eigens, um damit zu fliegen, Tickets zu kaufen.

Die wollen wirklich dieses neue Flugzeug testen, nachdem sie vorher mit manchmal 25 Jahre alten Flugzeugen zufrieden sein mussten, und viele noch nie in einem neuen Flugzeug waren.

aero.de: Wie viele neue Flugzeuge betreibt Iran Air heute?

Parvaresh: Insgesamt sieben. Zwei Monate nach der ersten A321 im Januar bekamen wir die erste A330-200, und dann 20 Tage später die zweite A330, als drittes Flugzeug. Und im Mai kamen dann vier ATR-72, alle zur gleichen Zeit. Wir haben sie von Toulouse via Athen nach Teheran geflogen, und ich saß in der ersten Maschine. Das war einmalig. Schritt für Schritt haben wir die ATRs auf Verbindungen in kleinere Städte in Betrieb genommen.

aero.de: Warum spielen zu diesem frühen Zeitpunkt auch regionale Routen eine Rolle?

Parvaresh: Das war die Absicht der iranischen Regierung, auch kleinere Städte von den neuen Flugzeugen profitieren zu lassen, als Ergebnis des Nuklearabkommens, nicht nur internationale Routen. Und damit sind wir sehr glücklich. Die Flughäfen die wir mit den ATR anfliegen wurden vorher fast gar nicht von Linienflügen bedient, weil einfach das passende Fluggerät fehlte. Obwohl die Flughafen-Infrastruktur vorhanden ist.

Iran Air Airbus A321
Iran Air Airbus A321, © Andreas Spaeth

Die kleinsten Flugzeuge, die wir bisher im Iran hatten, waren 150-Sitzer der Typen A320 oder MD-80. Und die würden auf dem Weg zu kleineren Städten gerade mal 50 Prozent Auslastung erreichen. So führen wir eine neue Art von Regionalverkehr ein mit diesen dafür idealen Flugzeugen.

aero.de: Was macht denn die ATRs so passend für Sie?


Parvaresh: Es ist für uns ein großer Vorteil dass wir dafür keine großen Investitionen in die Bodenabfertigung tätigen müssen, weil man für die ATR keine Bodenstrom, Starter oder Schlepper braucht. Wir hoffen dass wir mit den Verbindungen von kleinere in Megastädte unseren großen Flugzeugen dort Passagiere zufüttern können.

Bisher wurden etwa 90 Prozent der Inlandspassagiere im Iran gerade mal zwischen zehn Flughäfen befördert. Jetzt hoffen wir das ganze Land mit 50 oder 60 Flughäfen abdecken zu können. Die Infrastruktur im Iran bei Bahn und Straßennetz ist noch nicht so weit, und weil Iran ein großes Land ist dauert es eben sehr lange auf der Schiene oder Straße unterwegs zu sein.

aero.de: Warum hat es länger als erwartet gedauert, bis die ersten ATRs ausgeliefert wurden?

Parvaresh: Das Hauptproblem waren rechtliche Probleme mit den Triebwerken. Weil wir den Vertrag mit Pratt & Whitney Canada nicht abschließen konnten hat ATR zunächst den Support übernommen, bis das P&W Canada tun kann.

aero.de: Wie viele neue Flugzeuge werden Sie in diesem Jahr übernehmen?

Parvaresh: Der Plan sieht vor dass wir bis Ende 2017 weitere fünf ATRs bekommen, beginnend im August oder September, und weitere elf in 2018, womit dann die 20 bestellten erreicht sind. Und von Airbus hoffen wir zwei A320 bis zum Jahresende zu erhalten.

Iran Air Airbus A330-200
Iran Air Airbus A330-200, © Airbus

Wir bauen die neue Flotte absichtlich langsam auf, weil wir die Neuzugänge verdauen müssen und Piloten und Techniker trainieren. Das haben wir für die A321 und A330 bereits getan, während das ATR-Training noch läuft.

aero.de: Haben Sie nach Ankunft neuer Flugzeuge auch bereits alte stillgelegt?

Parvaresh: Noch nicht, der Plan ist bald zwei weitere auszumustern wenn wir neue Maschinen bekommen. Als erste gehen unsere eigenen Fokker 100 und die unter ACMI-Vereinbarungen geleasten MD-80, die schicken wir zurück.

aero.de: Wie sieht es mit dem Boeing-Deal aus, wann werden Sie die ersten Jets aus Seattle bekommen?

Parvaresh: In Zukunft, nach Plan wird die erste Boeing 777-300ER im April 2018 ausgeliefert. Die Boeing-Techniker waren gerade in Teheran vor zwei Wochen und arbeiten mit unseren Wartungsleuten, um all die verbleibenden Fragen zu klären. Aber es ist alles unter Kontrolle.

aero.de: Befürchten Sie nicht, dass die Politik gerade der unberechenbaren Trump-Administration die Boeing-Auslieferungen noch verhindern könnte?

Parvaresh: Alles kann passieren, aber bis jetzt verläuft noch alles nach Plan. Wenn etwas passiert müssen wir damit fertig werden. Aber die Tatsache, dass etwas passieren könnte, ist keine Entschuldigung einfach nichts zu tun. Wir müssen unseren Job machen.

Iran Air ATR 72-600
Iran Air ATR 72-600, © ATR

Es gibt Regeln in dem Nuklearabkommen, und die EU und die internationale Atomenergie-Behörde haben immer betont dass der Iran genau das macht was er tun soll. Nach unserer Auffassung gibt es keinen Grund, den Boeing-Deal zu blockieren. Wenn es da einen Rückschlag gibt oder neue Sanktionen verhängt werden, dann sollten unsere Politiker die nötigen Maßnahmen ergreifen.

aero.de: Hat eine andere Airline im Iran bereits ebenfalls neue Flugzeuge erhalten?

Parvaresh: Noch nicht. Iran Aseman Airlnes hat eine Absichtserklärung mit Boeing über 30 737MAX unterzeichnet. Aber Boeing muss noch die Lizenzen für diesen Deal erhalten, vielleicht wird das als also noch klappen.

aero.de: Haben Sie denn alle nötigen Lizenzen für Ihren Boeing-Deal?

Parvaresh: Wir haben die Lizenzen vom amerikanischen Office of Foreign Asset Control (OFAC) für die Bestellungen bei Airbus, ATR und Boeing. Das US-Finanzministerium muss diese Lizenzen freigeben, entsprechend dem Nuklearabkommen. Wir hoffen sehr dass sie das auch für Iran Aseman Airlines tun werden. Iran ist ein Land mit Hunger auf neue Flugzeuge. Wir brauchen dringend etwa 300 neue Flugzeuge in den nächsten zehn Jahren.

aero.de: Wie viele neue Flugzeuge werden Sie in Ihrer Flotte haben bis Ende 2018?

Parvaresh: Ich denke es werden zehn bis zwölf Jets sein plus die 20 ATRs.

aero.de: Derzeit fliegen wesentlich mehr Flugzeuge, vor allem von Qatar Airways, durch iranischen Luftraum. Beeinträchtigt das irgendwie Ihren Flugbetrieb?

Parvaresh: Nach meinen Informationen gibt es derzeit etwa hundert Überflüge mehr am Tag als zuvor. Aber das betrifft uns in keiner Weise, es gibt kein Problem, der iranische Luftraum könnte noch viel mehr Flugzeuge aufnehmen.

aero.de: Also sind Sie optimitisch, dass die Erneuerung der iranischen Luftfahrt wie geplant fortschreitet?

Parvaresh: Ja ich bin absoluter Optimist. Es ist nicht leicht, aber bisher funktioniert es. In weniger als fünf Monaten haben wir sieben Flugzeuge erhalten und sie in Betrieb genommen. Das ist mehr als wir erwarten konnten.
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: Airbus | 09.06.2017 09:41


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