Partnerschaft mit Ablaufdatum
Älter als 7 Tage

"CSeries wird ein Airbus-Programm sein"

TOULOUSE - Airbus und Bombardier ist mit ihrem Handel zur CSeries ein Coup gelungen, der über Nacht die Luftfahrtbranche weltweit in Aufruhr versetzt hat. Für den kanadischen Hersteller Bombardier scheinen mit dem Deal alle Probleme rund um das klamme Programm vom Tisch. Airbus will noch mehr.

Zuletzt sah es so aus, als könnten die Strafzölle von zuerst 220 Prozent und dann noch einmal 80 Prozent, welche die US-Regierung auf den Import der CSeries in die USA verhängt hatte, dem Flugzeug die Flügel stutzen noch ehe es richtig flügge geworden ist.

Doch nun übernimmt Airbus 50,01 Prozent des Firmenteils, der für die CSeries verantwortlich ist. Bombardier wird zunächst 31 Prozent behalten. Die staatliche Investmentgesellschaft, die vor zwei Jahren eingestiegen ist, um Bombardier zu stützen, bleibt mit rund 19 Prozent beteiligt.

Airbus muss für den Kauf nichts direkt zahlen, sondern nur die Kosten für die Weiterentwicklung tragen. Bombardier wird in den kommenden drei Jahren noch für finanzielle Lücken der Vergangenheit von bis zu 700 Millionen Dollar geradestehen. Das Geschäft werde zudem schuldenfrei übergeben.

Bombardier CS300 und Airbus A320neo
Bombardier CS300 und Airbus A320neo, © Airbus

Durch den Handel verdoppelt sich der Wert des CSeries-Programms laut Bombardier-Chef Alain Bellemare auf vier Milliarden US-Dollar.

Umgehung des Zolls durch Fertigung in den USA

Die CSeries für US-Kunden wie Delta sollen in der Airbus-Endlinie in Alabama produziert werden. Ob Bombardier und Airbus die Strafzölle mit der Montagelinie in Mobile tatsächlich umgehen können, ist noch nicht geklärt.

Denn die Zölle wurden auf den Verkauf von Flugzeugen der CSeries verhängt, "unabhängig davon, ob sie teilweise oder komplett zusammengebaut in die USA geliefert werden", heißt es dazu in einer eiligen Mitteilung der US-Regierung.

Dennoch verteilt der Deal die Kräfteverhältnisse auch gegenüber der US-Regierung neu. Bereits jetzt beschäftigt Airbus in Alabama etwa 510 Mitarbeiter. Sollte die Produktion der CSeries tatsächlich dazukommen, würden sicher weitere Arbeitsplätze auf US-Territorium entstehen.

Airbus-Chef Enders sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Streit um Strafzölle und der Entscheidung, die CSeries auch in Alabama zu produzieren. Die Verhandlungen mit Bombardier liefen ihm zufolge bereits seit August 2017.

Mit Fingerspielen gegen den Schachmeister

"Dieses Programm hat auf einen Deus ex Machina gewartet und, wow, es ist tatsächlich einer gekommen", schwärmt der Luftfahrtanalyst beim Beratungsunternehmen Teal Group, Richard Aboulafia, gegenüber der Agentur "Bloomberg".

Air Baltic Bombardier CS300
Air Baltic Bombardier CS300, © Bombardier

"In dem Deal zeigt sich Airbus als Global Player, während Boeing nun etwas kurzsichtig und protektionistisch wirkt. Boeing steht da, als hätte es Schnick-Schnack-Schnuck gegen einen Schachmeister gespielt", sagt Aboulafia.

Das US-Unternehmen kommentiert in einer E-Mail an Bloomberg: "Das sieht nach einem fragwürdigen Deal zwischen zwei Wettbewerbern aus, die beide von hohen staatlichen Subventionen proftieren und die sich nun zusammentun, um die neuesten Erkenntnisse der US-Regierung zu umgehen. Wir bleiben dabei, dass jeder nach den gleichen Regeln spielen sollte, damit wir alle unter freien und fairen Bedingungen arbeiten."

Handel steht vor Prüfung in Kanada

Der Deal muss auch in Kanada erst noch auf seine Rechtmäßigkeit, seine Auswirkungen auf die kanadische Luftfahrtindustrie und auf kanadische Arbeitsplätze hin überprüft und vom Innovationsministerium genehmigt werden.

"Bombardier ist auf der Suche nach einem strategischen Partner", sagte der kanadische Innovationsminister Navdeep Bains, "wir sichern uns ab, dass wir die besten Ergebnisse für unsere Luftfahrtindustrie und für unsere Arbeiter erzielen."

Airbus will die ganze CSeries

Geplant ist die Partnerschaft offenbar bis 2023. Dann will Airbus das Programm komplett übernehmen. "Quebec wird mindestens bis 2023 ein Investor im Cseries Programm bleiben", sagte der Wirtschaftsminister der Region, Dominique Anglade.

"Das wird kein Dreiergespann bleiben", sagte Rainer Ohler, Chef der Unternehmenskommunikation bei Airbus, der "Seattle Times". "Wir werden nach und nach 100 Prozent des Programms übernehmen. Darauf läuft es hinaus. Am Ende des Tages wird die CSeries ein Airbus-Programm sein."

Toulouse geht in Position für Asien

Indem Airbus bei den CSeries einsteigt, erweitert der Konzern sein Portfolio um ein sparsames, technisch hoch entwickeltes kleines Flugzeug mit großen Fenstern und übergroßen Mittelsitzen.

Laut Insider-Informationen hat Bombardier auch mit dem chinesischen Konkurrenten Comac über die Cseries verhandelt. Weder Comac noch Airbus wollten dies jedoch nach dem nun geschlossenen Deal kommentieren.

"In den USA gibt es einen großen Markt für solche Flugzeuge, aber das größte Marktpotenzial dafür liegt in Asien", sagt der Analyst des Beratungsunternehmens Korn Ferry International, Torbjorn Karlsson. "Boeing hat darauf keine Antwort und das schwächt seine Wettbewerbsposition gewaltig."

Gegenwind für Comac

Auch für Comac wird nun es eng in diesem Segment. Der staatliche chinesische Flugzeugbauer sieht seine C919 einem Konkurrenten gegenüber, der seinen Kunden im Gegensatz zu Comac ein weltweites Netz an Wartungsdienstleistungen bieten kann.

COMAC C919
COMAC C919, © COMAC

Comac hat derzeit 730 Bestellungen abzuarbeiten. Die Produktionserlaubnis hat der Flugzeugbauer im Juli 2017 erhalten. Die Entwicklung der C919 ist Teil des "Made in China 2025"- Programms, das der chinesischen Flugzeugindustrie nach dem Willen der Macher gehörig Auftrieb verschaffen soll.

Rückkehr eines Embraer-Rivalen

Die "CSeries steht jetzt auf Wachstumskurs - wir werden ihr Flügel verleihen", sagte Airbus-Chef Tom Enders auf einer Pressekonferenz.  Bombardier-Chef Alain Bellemare stimmte ihm zu. "Airbus wird der CSeries eine globale Reichweite verschaffen, den Verkauf ankurbeln und wir sind zuversichtlich, dass das gelingen wird."

CS100 und CS300 sind für den Markt von 100 bis 150 Passagieren ausgelegt. Airbus erwartet in diesem Segment in den kommenden 20 Jahren eine Nachfrage nach rund 6.000 Maschinen. "Ich sehe keinen Grund, warum die CSeries nicht den Hauptteil dieser 6.000 Flugzeuge abgreifen sollte", sagte Enders

Die US-Airline Delta bekundete nach Bekanntwerden des Deals erneut ihr Interesse an der CSeries. Bis zur zweiten Hälfte 2018 soll der Handel zwischen Bombardier und Airbus in trockenen Tüchern sein, dann könnte die Produktion in Alabama starten.

Embraer E190-E2
Embraer E190-E2, © Embraer

Auch dem brasilianschen Flugzeugbauer Embraer dürfte die Nachricht vom Deal zwischen Bomabrdier und Airbus übel aufstoßen. Die Brasilianer streiten derzeit im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO über die Rechtmäßigkeit der staatlichen Subventionen, die Bombardier zur Entwicklung der CSeries genossen haben soll.

Für Bombardier sah es eher schlecht aus. Nun ist der Konkurrent der brasilianischen E195-E2 zurück.

"Wir sehen in dem Deal zwischen Airbus und Bombardier einen wichtigen Schritt für die Luftfahrt, weil er unterstreicht, wieviel Potenzial in dem Markt der 100-150-Sitzer steckt", teilte Embraer aero.de auf Anfrage mit, "Embraer tritt dafür ein, die Nummer Eins bei den Flugzeugen mit bis zu 150 Sitzen zu bleiben - besonders mit den neuen E-Jets E2, den effizientesten ihrer Klasse auf dem Markt."

Freudige Aufnahme an der Börse

An der Börse wurde die Übernahme gefeiert. Die Airbus-Aktie legte in den ersten Handelsminuten um rund drei Prozent zu und steuert wieder auf ihr Rekordhoch von Anfang Oktober zu.

Das Papier steht seit einiger Zeit bei Anlegern hoch im Kurs - in den vergangenen zwölf Monaten stieg der Börsenwert um fast 50 Prozent auf zuletzt mehr als 60 Milliarden Euro. In den vergangenen Tagen hatten hingegen Korruptionsvorwürfe die Papiere belastet.

Aber auch bei den Aktionären von Bombardier sorgte die Ankündigung für Freude.  An der Frankfurter Börse zog der Kurs der Bombardier-Anteile um rund sieben Prozent an - die Aktie hatte allerdings in den vergangenen Jahren deutlich an Wert verloren, da Bombardier nicht nur im Flugzeuggeschäft mit starken Problemen zu kämpfen hat, sondern auch in der Bahntechnik.

Hier war unter anderem zuletzt der Versuch eines Zusammenschluss mit der Siemens-Zugsparte gescheitert.
© Bloomberg, dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 17.10.2017 13:17

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Beitrag vom 19.10.2017 - 09:22 Uhr
Eine CS im eigenen Programm zu integrieren stelle ich mir auch schwierig vor. Das sind zwei paar Schuhe und völlig verschiedene Flugzeugmuster.

Auch ein A320 und A350 sind völlig verschieden, werden aber vom gleichen Konzern entwickelt, vetrieben und gebaut. Sie müssen eben die typspezifischen Aufgaben in geeigneter Form "kapseln" und dann die Synergien identifizieren und nutzen.

Der Herstellungsbetrieb Airbus (21G) ist für die "Übersetzung" der Konstruktionsanforderungen an die Fertigungsprozesse ebenso verantwortlich, wie für die Auswahl und Überwachung von Lieferanten, die Qualifizierung von Persoanl, die Attestierung des Endprodukts und vieles mehr.

In diesen Betrieb ein "fremdes" Baumuster zu integrieren, sit auf alle Fälle kein kleines Projekt. Wer stellt z.B. füe eine in Mobil zusammengebaute CSerie das CofA aus? Und wer ist für die Überwachung sämtlicher Lieferungen von Material, Baugruppen nud Dienstleistungen in der Lieferkette verantwortlich? Nach welchen Fertigunsganweisungen soll denn in Mobil z.B. ein Niet gesetzt werden, wenn eine CSerie montiert wird?

Das wird interessant, hoffen wir mal, dass die CSerie auch im metrischen System bemaßt wurde, ansonsten wird der erste Flieger aus Mobil wohl etwas kleiner ausfallen :-)
Beitrag vom 18.10.2017 - 20:11 Uhr
Sehr geehrter Herr Ermecke,

ihren Beitrag in allen Ehren. Vielen Dank auch noch mal für ihre Erklärung zum Begriff "FAL".
Im übrigen habe ich sehr viele Jahre in den FAL´s als Airbus Mitarbeiter gearbeitet.

Alle anderen Kommentare von ihnen möchte ich einfach mal so stehen lassen.
Wer auch nur ein kleines bisschen Ahnung von der Marterie hat, wird sich daraus sicherlich seine eigene Meinung bilden können.

Mit freundlichen Grüßen

Aileron
Beitrag vom 18.10.2017 - 07:42 Uhr
Abwarten. Mag im ersten Moment nach einem 1:0 für Airbus aussehen. Aber Airbus holt sich damit vielleicht auch ein Problem ins Haus. Eine interne Konkurrenz zum bestehenden SA Programm.

Die "interne Konkurrenz" ist als Argument für den Gesamtkonzern nicht relevant. Die SA-Fertigungslinien sind für viele Jahre mit großen Maschinen ausgebucht, die gegenüber einem A319 vermutlich einen mehrfachen Stückdeckungsbeitrag erbringen. Würde die noch-Leahy-Truppe einen A319-Auftrag über z.B. 100 A319 hereinbringen, müßten 100 A320 oder A321 nach hinten geschoben werden. Das wäre betriebswirtschaftlich völlig unsinnig.

2 noch recht frische FAL´s in USA und China versuchen mit der A320 Fuss zu fassen und binden schon viel Kapazität im eigenen Haus.


"FALs" sind Produktionsstätten, und die brauchen nicht "Fuß zu fassen", weil sie von der zentralen Produktionsplanung ausgesteuert werden. Sie binden auch nicht Kapazität, sondern sind Kapazität.


Zudem gibt es noch eine A380 die verkauft werden will ...

Völlig andere Baustelle.


Ob es sinnvoll ist sich eine weitere Baustelle ins Haus zu holen? ... hmmmm

Es war Bombardier, das eine Reihe von Baustellen hatte. Airbus kann diese zum Teil sehr schnell schließen. Z.B. hat Airbus vermutlich eine viel leistungsstärkere globale Supportorganisation. Auch der Vertrieb kann jetzt viel stärker aufgestellt werden.


Eine CS im eigenen Programm zu integrieren stelle ich mir auch schwierig vor. Das sind zwei paar Schuhe und völlig verschiedene Flugzeugmuster.

Auch ein A320 und A350 sind völlig verschieden, werden aber vom gleichen Konzern entwickelt, vetrieben und gebaut. Sie müssen eben die typspezifischen Aufgaben in geeigneter Form "kapseln" und dann die Synergien identifizieren und nutzen.


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