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Wie schneidet bei Finnair die A330 gegenüber der A350 ab?

HELSINKI - Finnair hat ihre Langstreckenflotte mit derzeit elf Airbus A350 massiv erneuert, acht weitere kommen noch hinzu. Gleichzeitig bleiben acht ältere Airbus A330 wichtiges zweites Standbein, gerade für kürzere Routen wie an die US-Ostküste.

"Damit wollen wir stärker wachsen", sagt Finnair-CEO Pekka Vauramo im Gespräch mit PaxEx.de in Helsinki. Gleichzeitig bedeutet das, dass Finnair-Premiumkunden auf Langstrecken noch längere Zeit zwei ziemlich unterschiedliche Produkte vorfinden.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Crew, © Andreas Spaeth

Die Finnair-A330-Flotte (Durchschnittsalter acht Jahre), verfügt über ein Kabinenprodukt von 2014 und nicht über die neueste Sitz-Generation, die an Bord der A350 (Durchschnittsalter 1,3 Jahre) installiert ist.

Vor drei Jahren wurden in der A330-Flotte in Business Class die Vantage-Sitze des Herstellers Zodiac eingeführt, die nahezu identisch etwa in der Airbus-Langstreckenflotte auch bei Swiss fliegt.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Airbus A350 Business Class, © Andreas Spaeth

In der A350 hat Finnair den Cirrus III-Sitz von Zodiac eingebaut, die Anordnung im umgekehrten Heringsgrätenmuster fliegt vergleichbar Qatar Airways in ihrer A350. Bei Finnair allerdings sieht die in grau gehaltene Kabine wesentlich steriler und unspektakulärer aus.

Daran wird auch die jüngste Ankündigung der Finnen nichts ändern, ab Februar 2018 in der A350-Flotte Produktkosmetik zu betreiben, nur zweieinhalb Jahre nach Auslieferung der ersten A350. Die Airline verspricht "neue minimalistisch gestaltete Sitzbezüge".

Sie bestehen jetzt aus grau gewirktem Stoff "mit mehr Textur und Tiefe" an Stelle des bisherigen Graus, eintönig aber sind sie geblieben. Das können auch bunte Stoffmuster des Designhauses Marimekko etwa auf Wolldecken, Kissenbezügen, Servietten und Geschirr nicht wettmachen.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Airbus A350 Business Class, © Andreas Spaeth

"Die Sinne beruhigen und den Geist befreien" will Finnair-Kabinenentwicklungschef David Kondo damit allen Ernstes, aber warum das dass bisherige Interieur noch nicht bereits leisten konnte, verrät er nicht.

In der A350 betreibt Finnair künftig zwei verschiedene Kabinenversionen: Bisher verteilen sich die 46 Sitze in der Business Class auf eine vordere Hauptkabine mit 32 Sitzen in 1-2-1-Anordnung ohne mittlere Gepäckfächer unter der Kabinendecke, und 14 Sitzen in dreieinhalb Reihen in einer kleineren, hinteren Business-Kabine mit Deckenfächern über allen Sitzen.

Jetzt soll in einigen A350 die zweite Business-Kabine abgeschafft und damit die Anzahl der Gesamtsitze von 297 bisher auf dann 336 wachsen. Gleichzeitig brächte das bessere Kompatibilität mit der A330-Flotte, von der Finnair auch zwei Versionen, eine mit zwei Business-Kabinen (45 Business-Sitze) und eine mit einem einzigen Business-Abteil (32 Sitze) betreibt.

Die Finnen überlegen auch, wie sie das A330-Kabinenprodukt an den höheren A350-Standard angleichen können. "Wir schauen uns bereits die nächste Generation möglicher Business-Sitze an", so Pekka Vauramo. Da die A350-Kabine mit 2,61 Meter als "Extra Wide Body" um 31 Zentimeter breiter ist als jene der A330 "können wir die A350-Sitze nicht einfach auch in die A330 einbauen", bedauert der CEO.

PaxEx hatte Gelegenheit, das gegenwärtige Finnair-Produkt in der A330 auf dem Erstflug der neuen saisonalen Route (1. Dezember 2017 bis 23. März 2018) von Helsinki nach Havanna auf Kuba zu testen und mit dem Standard der A350 zu vergleichen. Geplant war auch hier der Einsatz der A350.

Keine Genehmigung aus Havanna

Allerdings hatten die kubanischen Behörden die Genehmigungen für diesen neuen Typ nicht rechtzeitig erteilt, daher wurde Havanna anfangs mit der A330 bedient. Ziel war, die Strecke Anfang 2018 auf die A350 umzustellen.

Die Vantage-Sitze in ihrer versetzten Anordnung von 1-2-2 bzw. 2-2-1 in der Finnair A330 bieten eine Vielzahl unterschiedlicher Komfortstufen, es gibt alles vom einzelnen "Thronsitz" bis hin zu recht engen Sitzpaaren.

Ich habe Glück und konnte mir online den vermutlich besten Sitz im ganzen Flugzeug sichern: 8A, einen von nur vier "Thronsitzen" (2A, 4A, 6A und 8A) mit breiten Ablageflächen auf beiden Seiten, und zwar den einen an der Trennwand in der hinteren kleineren Business-Kabine mit nur drei Sitzreihen.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Airbus A330 Business Class, © Andreas Spaeth

Bei diesen Sitzen ist die Fußfreiheit wesentlich größer, und Platz 8A in der A330 übertrifft die Fenster-Einzelsitze der A350 an Komfort und persönlichem Freiraum allemal. Das gilt nicht für die anderen Sitze.

Auffallend die nach heutigen Maßstäben mit nur 30cm Diagonale kleinen Bildschirme (verglichen mit 40cm in der A350) sowie die bei diesem Sitztyp notorisch mühsam zu bedienende Ausklappfunktion des Tisches.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Business Class Lounge Sauna, © Andreas Spaeth

Der Service jedenfalls soll in beiden Flugzeugen gleich sein, versichert Finnair. Vor dem Start gibt es neben Blaubeersaft auch Champagner (Joseph Perrier Cuvée Royale Brut) zur Wahl, bei Finnair sind alle Gläser vom Designer Iittala aus der Serie Ultima Thule, die aussehen als seien sie aus Eis.

Daraus wird nach dem Start auch der Signature Drink "Blue Sky" serviert, Blaubeer-Likör mit Champagner, sehr apart. Genauso wie mein Gin Tonic, das beste G&T, das ich in einem Flugzeug je getrunken habe.

Nicht nur des besonderen Glases wegen, auch der Inhalt überrascht und überzeugt: Fever Tree Tonic, dazu lokaler Napue Gin aus finnischem Roggen, große Eiswürfel und vor allem getrocknete arktische Beeren schwimmen im Glas, lecker!

Dafür enttäuscht die Bord-Waschtasche, obwohl sie wie fast alle Stoffe und alles Porzellan an Bord von Marimekko stammt: Uns wird hier die karge Premium Economy-Version geboten, obwohl dies eindeutig Business Class ist.

Im Gegensatz zur A350 gibt es in der A330 mangels Flaschenhalter keine Wasserflasche am Sitz, leider dauert es eine geschlagene Stunde und drei Minuten, bis nach dem Start erstmals Getränke angeboten werden, viel zu lang.

Finnair Airbus A330 Business Class
Finnair Airbus A330 Business Class, © Andreas Spaeth

Eine Menükarte gibt es auch zunächst nicht, erst auf Nachfrage. Es stehen zwei Vorspeisen zur Wahl – kalte Fischplatte oder Roastbeef - sowie drei Hauptgerichte – Ostseehering, finnischen Fleischtopf oder Hühnerbrust. Ich entscheide mich für Fisch.

Das Essen kommt eine Stunde und 50 Minuten nach dem Abheben – und zwar Vorspeise, Salat und Hauptgericht auf einmal. Seltsam, erst dauert alles so lange, und jetzt muss ich mein warmes Hauptgericht zuerst essen, damit es nicht kalt wird.

Und wieder eine Überraschung – es ist exakt das gleiche Gericht, das ich Stunden zuvor in der Lounge gegessen hatte, obwohl es da (oder jetzt?) unter anderem Namen angeboten wurde. Hier wurden mir gebratene Heringe versprochen, vorher waren es Renken.

Der knusprige Fisch schwimmt in Butter, von dem versprochenen eingelegten Gemüse keine Spur. Das liegt dafür unplanmäßig auf dem Vorspeisenteller, genau wie eine riesige Scheibe Lachs, von der im Menü keine Rede war. Ein bisschen Hering ist auch dabei. Wäre alles ganz lecker, wenn ich das nicht heute schon einmal gehabt hätte.

Wirklich köstlich sind die finnischen Käsesorten und das finnische Brot dazu, zum Abschluss organisches Vanilleeis, Tee und ein Calvados, ich kann nicht klagen.

"Dine on Demand"

Ab Februar 2018 führt Finnair in der Business Class zunächst nach Seoul, Tokio und Shanghai und bis zum Sommer auf weiteren Langstrecken "Dine on Demand" ein, wie es fast alle Qualitäts-Airlines inzwischen bieten.

Damit kann der Kunde selbst bestimmen wann er Essen möchte, gleichzeitig will Finnair die Speise- und Getränkeauswahl vergrößern. Ob das im Einzelfall für schnelleren Service als auf meinem Havanna-Flug sorgt oder dazu führt dass man zunächst nur die Vorspeise und anschließend erst das warme Hauptgericht bekommt, wie es sein sollte auf einem Tagflug, ist zu hoffen.

Das Angebot im Unterhaltungsprogramm ist mit z. B. 81 Filmen ordentlich, die Menüführung bzw. Auswahl auf dem kleinen Bildschirm aber etwas mühsam, auch wenn es kaum internationale Audioalben gibt finde ich angenehme Musikprogramme verschiedener Stilrichtungen.

Die Airshow, also die aktuelle Flugkarte, ist in der A330 sehr rudimentär und nicht interaktiv, während sie in der A350 vielfältige informative Optionen wie Zoom-In bietet.

Gratis WLAN

Nur weil ich es im Bordmagazin lese erfahre ich quasi zufällig, dass Finnair an Bord für Business-Passagiere eine Stunde freie WLAN-Benutzung bietet. Kosten ansonsten: Eine Stunde 7,95€, drei Stunden 11,95€ oder 19,95€ für den ganzen Flug, sehr faire Preise. Es funktioniert tadellos.

Danach schlafe ich ein wenig, mein Sitz lässt sich zum ebenen Bett von rund 1,90 Meter Länge machen, doch gerade in diesem "Thron" wird die auf 53cm begrenzte Breite offensichtlich, mit hohen Wänden auf beiden Seiten etwas gewöhnungsbedürftig.

Kurz vor der 20 Minuten verspäteten Landung in Havanna nach gut elf Stunden Flugzeit gibt es noch eine für die Uhrzeit viel zu üppige zweite Mahlzeit: Ein großer Teller Ravioli mit Entenfüllung, plus Salat, Brot, Früchten. Eigentlich lecker, aber in diesem Moment unpassend. Ich kann mir trotzdem nicht verkneifen, noch einen dieser überirdisch guten G&Ts zu bestellen.

Bewertung

Finnair bietet auch in der A330 ein ansprechendes Business Class-Produkt, dass durchaus gegen die A350 bestehen kann. Was Finnair auszeichnet und von der größeren Konkurrenz wohltuend abhebt ist das sichtbare und erfolgreiche Bemühen, anders zu sein, in allen Bereichen finnische Akzente zu setzen, was hervorragend gelingt.

Trotzdem muss sich die Airline in den nächsten Jahren bemühen, den Abstand zwischen A330 und A350 im Komfort der Business Class zu verringern. Das gilt vor allem für Bordunterhaltung und Bildschirme.
© Andreas Spaeth | Abb.: Finnair | 01.01.2018 13:27


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