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"Das war keine typische Air Show"

LE BOURGET - Der europäische Flugzeugbauer Airbus hat seinen US-Rivalen Boeing auf der Pariser Luftfahrtmesse in dessen schwerer Krise ausgestochen. Zum Schlusspunkt hat Airbus am Donnerstag noch einen weiteren Auftrag für die A321XLR erhalten: Jetblue Airways trägt sich mit 13 Flugzeugen in die Warteliste ein.

So sammelte Airbus bis Donnerstagnachmittag Bestellungen und Vorverträge über 383 neue Flugzeuge ein, rund 100 mehr als Boeing. Der neue, kleine Langstreckenjet Airbus A321XLR verkaufte sich glänzend - sogar in den USA Und die neue Konzernführung um Airbus-Chef Guillaume Faury kündigte an, Boeing dessen größten Messe-Deal noch streitig zu machen.

Die weltgrößte Luftfahrtschau in Le Bourget bei Paris stand diesmal im Schatten der Abstürze zweier Boeing-Mittelstreckenjets vom Typ 737 MAX, bei denen im Herbst und im März insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen waren. Für die Modelle der Reihe gilt seit Mitte März ein weltweites Flugverbot.

Wann es aufgehoben wird, blieb auch auf der Messe offen. Boeing-Chef Muilenburg ging lediglich davon aus, dass die Freigabe noch in diesem Jahr erfolgen wird.

Airbus A330-900 auf der PAS19
Airbus A330-900 auf der PAS19, © Airbus

Erst müssen Luftfahrtbehörden aus aller Welt ein Update für die Steuerungssoftware MCAS freigeben, die für die tödlichen Unglücke mitverantwortlich gewesen sein soll. Die Boeing 737 MAX ist die Neuauflage der seit den 1960er Jahren gebauten 737-Reihe. Mit rund 5.000 bestellten Flugzeugen ist die "MAX" Boeings wichtigste Umsatz-Hoffnung für die kommenden Jahre.

"Das war keine typische Air Show", resümierte Boeing-Verkaufschef Ihssane Mounir am Donnerstag. Angesichts der Ausnahmesituation wollte er diesmal nicht vorrechnen, wie viele Flugzeuge Boeing auf der Messe verkauft hat. Den Veröffentlichungen seit Montag zufolge kam Boeing auf Vereinbarungen über 272 Jets. In der vergangenen Nacht seien keine neuen Aufträge mehr hinzugekommen, sagte Mounir.

Der größte Deal für Boeing entfällt ausgerechnet auf 200 Exemplare des Krisenfliegers 737 MAX. Die Order ist bisher aber nur eine Absichtserklärung. Der Mutterkonzern von British Airways, die International Airlines Group (IAG), hatte die Großbestellung am Dienstag überraschend in Aussicht gestellt. IAG-Chef Willie Walsh, selbst ausgebildeter 737-Pilot, sprach Boeing und den MAX-Jets persönlich sein Vertrauen aus.

Die Airbus-Spitze macht sich allerdings Hoffnung, Boeing den Großauftrag abzujagen, bevor er fix ist. Er freue sich, um den Deal zu ringen, sagte Airbus-Chef Faury. Der Konzern schickt dazu seine A320neo-Maschinen ins Rennen. Die Reihe hat sich bisher noch besser verkauft als die "MAX" und trägt trotz anfänglicher Kinderkrankheiten nicht den Ruf eines Krisen-Jets.

Boeing selbst denkt inzwischen laut darüber nach, der 737 MAX einen neuen Namen zu verpassen. "Unsere Kunden entscheiden, wie sie das Flugzeug nennen", sagte Boeing-Manager Mounir. So preist Großabnehmer Ryanair den Jet bereits als "737 Gamechanger" an, und IAG sprach bei der Ankündigung am Dienstag lediglich von den Varianten 737-8 und 737-10 - bei denen es sich freilich dennoch um "Max"-Jets handelt.

Laut Boeing-Finanzchef Greg Smith ist der Konzern auch für eine offizielle Umbenennung offen, falls dies nötig sei, um das Image des Fliegers wieder aufzumöbeln. US-Präsident Donald Trump hatte dies bereits im April vorgeschlagen und geraten, dem Jet außerdem ein paar "großartige Eigenschaften" hinzuzufügen.

Messestar A321XLR

Unterdessen punktete Airbus auf der Air Show vor allem mit seinem neuen, kleinen Langstreckenjet A321XLR - und setzt Boeing damit zusätzlich unter Druck. Gleich elf Kunden entschieden sich für den Flieger, den Airbus seit Montag als neue Variante des Mittelstreckenjets A321neo anbietet.

Größter Abnehmer ist mit 50 Exemplaren die US-Fluggesellschaft American Airlines aus Boeings Heimat USA. Bis Donnerstagnachmittag summierten sich die mehr oder weniger verbindlichen Verträge für den neuen Airbus-Typ auf 249 Exemplare. Bei 112 davon schrieben Kunden jedoch bestehende Bestellungen auf die neue Variante um.

Die letzten Aufträge gingen noch im Laufe des Donnerstags ein - unter anderem von der US-Fluggesellschaft Jetblue, die 13 bereits bestellte A321neo auf die XLR upgradet. Zeitgleich hat die Airline für zehn weitere A220-300 unterschrieben.

Die A321XLR - das Kürzel steht für "Extra Long Range" - soll dank eines großen Zusatztanks Strecken von bis zu 8700 Kilometer bewältigen können und es dadurch etwa von der Mitte Europas bis nach Amerika schaffen. Die Maschine soll etwa 30 Prozent weniger Sprit verbrauchen als die aus den 1980er Jahren stammende Boeing 757, die bisher häufig auf vergleichbaren Verbindungen eingesetzt wird.

Boeing plant selbst eine Neuentwicklung für dieses Segment. Seit Jahren lotet das Management die Absatzchancen für ein mittelgroßes Flugzeug aus, das von Größe her zwischen den Mittelstreckenjets der 737-Reihe und den Großraum-Langstreckenjets wie dem "Dreamliner" Boeing 787 liegen soll. Dieses "New Midsize Aircraft" (NMA), das inoffiziell bereits den Namen Boeing 797 trägt, soll voraussichtlich einen breiteren Rumpf haben als der Airbus A321XLR und damit mehr Komfort für die Passagiere bieten.

Der Airbus-Flieger basiert hingegen auf dem Mittelstreckenjet A321neo. Dieser verfügt wie üblich über eine Kabine mit jeweils sechs Sitzen pro Reihe und einem Gang in der Mitte der Kabine. Die Weiterentwicklung des existierenden Flugzeugtyps zu einem kleinen Langstreckenjet erspart Airbus eine Menge Geld und Zeit. So soll die "XLR" bereits im Jahr 2023 in den Liniendienst gehen.

Rivale Boeing hat - auch angesichts der Krise um die "MAX" - noch nicht beschlossen, ob er die voraussichtlich viele Milliarden US-Dollar teure Entwicklung des NMA anschiebt. Konzernchef Muilenburg beteuerte jedoch, der Jet könne weiterhin im Jahr 2025 fertig sein. Und Verkaufschef Mounir sagte, die A321XLR decke nur einen kleinen Teil des Marktes ab.

Airbus setzt dafür allerdings auch auf seinen kleinsten Großraumjet A330neo, von dem der Konzern auf der Messe 24 Exemplare losschlug.

Mit im Rennen bei den meistverkauften Airbus-Jets ist der Münchner Triebwerksbauer MTU, der auch an dem Getriebefan-Triebwerk für die A320neo-Reihe mitarbeitet, das unter Federführung des US-Herstellers Pratt & Whitney gebaut wird. Insgesamt sammelte MTU in Le Bourget - gemessen an den Listenpreisen - Aufträge über 1,3 Milliarden US-Dollar (rund 1,2 Mrd Euro) ein.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 20.06.2019 19:51

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Beitrag vom 21.06.2019 - 13:18 Uhr
Die größte Überraschung ist IAG.

Unterschätzt wird imo auch die Korean Order für die B787.
Damit stellt ein weiterer grosser A330 betreiber auf die B787 um.
Da sie B78T bestellt haben, wird ersatz für die 42 B777 und 10 A380 wohl auch eher bei Boeing verortet (weiter B787 oder B777x)
Beitrag vom 21.06.2019 - 10:46 Uhr
30% weniger Verbrauch ist sehr viel!?
Beitrag vom 21.06.2019 - 08:58 Uhr
Tja und ganz ehrlich
30% weniger Verbrauch nach 39 Jahren. Das scheint mir nicht sehr beeindruckend oder liege ich da falsch?


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