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Opferzahl in Weltluftfahrt sinkt trotz Boeing-Desasters

Atlas Air
Absturz einer Atlas Air Boeing 767F vor Houston am 23. Februar 2019, © NTSB

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HAMBURG - Die gute Nachricht hat eine zwiespältige Note. Eine annähernde Halbierung der Zahl der Unfalltoten gegenüber dem Vorjahr ist nach Ansicht des Flugsicherheitsexperten Jan-Arwed Richter auch der Tatsache geschuldet, dass der Boeing seinen Unglücksflieger B737 MAX ab März am Boden lassen musste.

"Nach allem, was bisher durch Dokumente und die Anhörung vor dem US-Kongress ans Licht kam, hätte ein weiterer Betrieb mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem weiteren Unglück geführt, das uns zum Glück erspart geblieben ist", meint der Gründer des Hamburger Flugsicherheitsbüros JACDEC.

Er bringt auf den Punkt, was viele Luftfahrtanalysten denken. "Die Luftfahrt weltweit ist auf einem konstant hohen Niveau angekommen", sagt etwa der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberger. Doch er mahnt: "Das Motto Sicherheit um jeden Preis muss immer gelten: Das ist eine Erkenntnis, die auch Boeing jetzt erreicht."

Schellenberg spricht daher von einem guten Signal für alle Passagiere - und einer wichtigen Botschaft für alle Flugzeughersteller. Denn bewährte Flugzeugmodelle auf Kosten der Sicherheit bis an die Grenzen des Machbaren auszureizen und weiterzuentwickeln ist riskant; teure Neuentwicklungen von Flugzeugmodellen dürften daher nun Trumpf sein.

2019 war eins der sichersten Jahre in der kommerziellen Luftfahrt, betont auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft - und weist darauf hin, dass es in Deutschland oder im Luftraum der Europäischen Union in diesem Bereich der Fliegerei keine einzigen Verunglückten gab. Unglücke mit Militärmaschinen oder Flugzeugen mit weniger als 14 Passagiersitzen tauchen in der Statistik nicht auf.

Obwohl eine Neuauflage des bisher sichersten Jahres in der Geschichte der gewerblichen Zivilluftfahrt - 2017 - mit 40 Unfalltoten in weiter Ferne scheint: Die Zahl an schwarzen Schafen bei Airlines oder Aufsichtsbehörden wird Jahr für Jahr geringer.

"Im Jahr 2019 setzt sich der seit Jahrzehnten erkennbare Trend fort, dass es bei stark steigendem Passagier-Luftverkehr immer weniger Tote bei Unfällen gibt; die Flugsicherheit wird also weltweit immer besser", meint Thomas Borchert vom Luftfahrtmagazin "Aero International", das jährlich die JACDEC-Flugsicherheitsstudie in Auftrag gibt.

Der Weltluftfahrtverband IATA hatte schon angedeutet, dass 2019 nach vorläufigen Zahlen die Unfallzahlen in der Zivilluftfahrt gegenüber dem Vorjahr sinken dürften. Sowohl die JACDEC-Unfallforscher wie die des Aviation Safety Network (ASN) bestätigen nun diesen Trend, auch wenn ihre Zahlen aufgrund anderer Zählweisen im Detail abweichen.

Fakt ist in der Tat: 2019 beförderten die der IATA angeschlossenen Airlines rund 4,5 Milliarden Passagiere - das sind 14 Mal so viele wie noch 1970. Die statistische Wahrscheinlichkeit, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben, sank seit 1970 im Schnitt von einem Verhältnis von 1 zu 264.000 auf 1 zu 15.874.000. "Fliegen war 2019 also 60 mal sicherer als in den 1970ern", rechnete der BDL vor.

Fakt ist zudem: Seit Jahren sind die Sicherheitsstandards weltweit gestiegen. Verbesserte Ausbildungen der Crews und die weltweite Vernetzung der Luftfahrtindustrie tragen dazu bei, aus Unfällen zu lernen und das Fliegen insgesamt sicherer zu machen.

Unfallstatistik mit Unschärfen

Der genaue Blick auf die Zahlen verdeutlicht aber auch, dass es nach wie vor ein Sicherheitsgefälle zwischen kommerzieller Linienfliegerei und regionalen Flügen gibt. Zudem spiegeln Unfallzahlen nicht unbedingt das gesamte Sicherheitsniveau einer Branche wider.

Und der Blick nach vorn? Richter hält vor allem die Folgen des Imageschadens bei Boeing noch nicht für ausgestanden. "2019 war ein sehr zwiespältiges Flugsicherheitsjahr: Einerseits bekamen wir die Bestätigung für die erneute Verbesserung des hervorragenden Sicherheitsniveaus beschert, andererseits deckte der 737-MAX-Skandal auch einen Abgrund aus systemischen Mängeln der Flugzeugindustrie auf, deren Beseitigung die Branche noch länger beschäftigen wird."

Würde sich ein Experte wie Schellenberg bedenkenlos in einen solchen Jet setzen, wenn das Flugverbot aufgehoben würde? "Wenn ihn die Behörden freigegeben haben: Ja!", meint er ohne Zögern - gibt aber zu, dass es zunächst psychologische Hürden bei vielen Passagieren zu überwinden gibt: "Ich würde daher den Airlines dringend raten, erst mal eigene Botschaften zur Sicherheit dieses Typs zu entwickeln."

Hintergrund: Am 10. März starben 157 Menschen an Bord einer Boeing 737 MAX 8 in Äthiopien. Da es in kurzer Zeit der zweite Absturz eines solchen Jets nach Problemen mit der automatischen Trimm-Unterstützung war, folgte ein andauerndes, weltweites Flugverbot sowie zuletzt auch eine Produktionseinstellung für dieses Modell. Die Untersuchungen brachten Boeing, aber auch die US-Luftfahrtbehörde FAA in die Kritik.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: NTSB | 30.12.2019 08:35

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Beitrag vom 02.01.2020 - 10:48 Uhr
Das ist das mit Abstand dümmste Geschwätz selbsternannter Experten.
Einer der beiden großen Hersteller ist moralisch völlig diskreditiert, unfähig sichere Flugzeuge zu bauen (737 MAX) und wird von der zuständigen Behörde mit weltweitem Einfluss nicht ordentlich überwacht. Eine Unzahl erfahrener und hochqualifizierter Ingenieure, Mechaniker und Piloten geht in den Ruhestand, und die Industrie lebt von der Substanz. Das dicke Ende kommt erst noch, und da faseln diese "Fachleute", die ausweislich ihrer vita nichts dazu qualifiziert, von einem nie erreichten Sicherheitsniveau.


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