US-Luftfahrt in Finanznot
Älter als 7 Tage

Der Katermorgen nach dem Börsenrausch

American Airlines Airbus A321
American Airlines Airbus A321, © Airbus

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WASHINGTON - US-Airlines und Boeing brauchen Geld vom Staat: Covid-19 legt Versäumnisse offen. Nach einem Rekordjahrzehnt erweist sich die US-Luftfahrt als wenig flüssig und krisenfest. Den Konzernen fehlen Rücklagen, weil Vorstände ihre Aktienkurse in Boomzeiten kräftig polierten.

25 Milliarden US-Dollar sofort, weitere 25 Milliarden in Nullzinskrediten oder Garantien und nochmal acht Milliarden für das Frachtgeschäft - die US-Airlinelobby trägt in Corona-Zeiten ebenso konkrete wie umfangreiche Vorstellungen zu Hilfen an Washington heran.

Die Lage ist bitter ernst: United-Chef Scott Kirby prognostiziert 70 Prozent Umsatzausfall bis Anfang Juni. Der von Kirby vergangene Woche skizzierte "finstere Ausblick" könnte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen sogar noch weiter eintrüben.

Der Krisenkonzern Boeing lotet laut Medienberichten ebenfalls Staatshilfen aus.
Ohne staatliche Eingriffe wird es auch in Europa nicht gehen. Zeitgleich blickt die Luftfahrt - gerade in den USA - auf ein Rekordjahrzehnt zurück. Die Konsolidierungswelle hat Fluggesellschaften Milliardengewinne beschert.

Doch statt Rücklagen zu bilden, lenkten börsennotierte US-Airlines nach Daten der Finanznachrichtenagentur "Bloomberg" von 2010 bis 2019 zusammen rund 45 Milliarden US-Dollar - 96 Prozent ihrer freien Mittel - in Aktienrückkäufe, um den Börsenrausch weiter zu befeuern.

Solche Programme sind für Unternehmen von zweifelhaftem Nutzen, hübschen aber die Kurse gewaltig auf: der Rückkauf eigener Papiere verringert die Zahl ausstehender Aktien. Konzerngewinn verteilt sich so auf weniger Anteile - der Kurs steigt.

Besonders kräftig hat Boeing an dieser Schraube gedreht: zwischen 2013 und dem ersten Quartal 2019 kaufte der Konzern eigene Aktien im Wert von 43 Milliarden US-Dollar zurück. Erst in der 737-Krise setzte Boeing den Rückkauf notgedrungen aus, inzwischen sind die Milliarden im Markt versickert.

Erreichte die Boeing-Aktie im Februar 2019 bei 440 US-Dollar ein Allzeithoch, ist das Kartenhaus ein gutes Jahr später zusammengebrochen: Boeing-Aktien waren zum Wochenbeginn für rund 130 US-Dollar zu haben.

Boeing-Chef rechnet mit Vorgänger ab

Über die Kurstreiberei seines Vorgängers Dennis Muilenburg ärgerte sich der aktuelle Boeing-Chef Dave Calhoun kürzlich sogar öffentlich. "Wenn jemand über den Regenbogen zum Topf voll Gold der Börse gelaufen wäre, dann er", ließ Calhoun in einem Gespräch mit Journalisten der "New York Times" über Muilenburg fallen.

Calhoun kann zur Bewältigung der Doppelkrise - 737 MAX und Covid-19 - kaum auf Reserven aus den Vorjahren zurückgreifen - der neue Vorstand muss stattdessen Kreditlinien über 13,8 Millliarden US-Dollar ausschöpfen und in Washington den Klingelbeutel rumgehen lassen. Zwar hat auch Airbus in den letzten Jahren eigene Aktien gekauft, aber in weitaus geringerem Umfang als Boeing.

Unter den Fluggesellschaften stach American Airlines mit einem 15 Milliarden US-Dollar schweren Programm zum Aktienrrückkauf heraus - zeitgleich hat American Investitionen vor allem auf Pump finanziert. Dem Konzern fehlt jetzt nicht nur Geld, er muss auch 34 Milliarden US-Dollar Schulden bedienen.

Nach der Finanzkrise rettete sich American 2011 unter geringerer Schuldenlast in ein Chapter-11-Insolvenzverfahren.

Die US-Pilotenvereinigung ALPA hat nach eigenen Angaben in den Boomjahren immer wieder auf die Bildung von Rücklagen gedrungen. "In der Zukunft wird es hier Klärungsdedarf und eine Aufarbeitung geben", sagte Verbandschef Todd Insler. "Jetzt müssen wir allerdings alle an einem Strang ziehen, um zu überleben."
© aero.de, Bloomberg News | Abb.: American Airlines | 17.03.2020 11:38

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Beitrag vom 19.03.2020 - 20:40 Uhr
Einer noch:
"Und das dafür auch einfach unrecherchiert Gerüchte ("BR knapp 5%") in die Welt gesetzt werden."
Meine Infos waren veraltet, aber nicht ganz falsch:

 https://investor-relations.lufthansagroup.com/de/meldungen/aktionaersstruktur/investor-relations-aktionaersstruktur-meldung/datum/2020/03/11/veroeffentlichung-gemaess-40-abs-1-wphg-9ae1bb3b23.html

Weiter will ich jetzt nicht recherchieren, muss schlafen.

Aber Tatsache ist doch, dass die Dividende bei Lufthansa niemals üppig war.
Dieses Jahr geht der Aktionär leer aus (trotz hohem Gewinn in 2019), während der Tarifmitarbeiter eine Gewinnbeteiligung erhält (ist zumindest von Seiten des Vorstandes so angekündigt).

Sind contrail und ich eigentlich die einzigen, die das sehen?

Ne Gordon, ich bin auch Ihrer Meinung, halte mich nur ein wenig zurück, da es sowieso immer wieder auf das Gleiche hinausläuft. Die LH Hasser lernen nie dazu bzw wollen die Realität nicht sehen, leider

Nur um es klarzustellen, weil Sie mich in Ihrem Kommentar zitieren, Ich zähle mich nicht zu den LH-Hassern, absolut nicht.
;-)
Beitrag vom 18.03.2020 - 18:10 Uhr
... dann hat BR sein Ziel bei LH anscheinend nicht erreicht, da sich die Dividendenpolitik nicht verändert und BR wieder aus LH rausgegangen ist.

Die Frage wäre doch, wie hätte sich die Dividende in den letzten Jahren ausgewirkt, wenn ein Hr. CS nicht die Auseinandersetzungen mit anderen ausgefochten hätte um Einsparungen zu erzielen (war das ein Antrieb wirklich von sich selbst oder durch "Aktionäre"). Vielleicht konnte die Dividen ja erst durch diese Einsparungen so gehalten werden - aber dazu haben wir keinen Einblick in die Bücher bzw. bin auch kein Bilanzenleser.

...NCC1701


Dieser Beitrag wurde am 18.03.2020 18:11 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 18.03.2020 - 18:06 Uhr
Ist es nicht vielleicht sogar so, dass der Anteil von BR gesunken ist, WEIL die Lufthansa sich einem solchen Diktat nicht gebeugt hat?

Warum der Grund das BR einen Anteil gesenkt hat, werden wir hier nie erfahren - vielleicht haben die einfach auch nur eine gute Glaskugel.
Also sehe ich es auch NICHT das BR den kürzeren gezogen hat.

...NCC1701
Aber wenn Sie sagen, dass Sie(wir) nicht wissen warum BR die Anteile senkt, dann wissen wir doch nicht warum sie damals eingestiegen sind und ob ihre Absicht war Druck auszuüben um eine hohe Dividende rauszupressen. Oder wissen Sie das?

Nein weiß ich natürlich auch nicht - wie wohl alle hier.

...NCC1701


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