Berlin Schönefeld
Älter als 7 Tage

Am "Zentralflughafen" gehen die Lichter aus

BER Terminal 5
BER Terminal 5, © FBB, Günter Wicker

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SCHÖNEFELD - Von Breschnew bis Nawalny, von Interflug bis Easyjet: Berlin Schönefeld hat bewegte Zeiten erlebt. Nun gehen dort die Lichter aus. Der BER nimmt den zum Terminal degradierten Flughafen in der Krise außer Betrieb - womöglich für immer. Berlin verliert nach Tegel innerhalb weniger Monate einen zweiten Flughafen.

Wenn sich die Abendsonne vor seinen getönten Fenstern senkt, glänzt er wie früher der Palast der Republik: der einstige Zentralflughafen der DDR in Schönefeld ist Zeuge einer anderen Zeit. Er war für die Menschen in Ostdeutschland ein Tor zur Welt - mal weniger, mal mehr.

Aber wenn an diesem Montag die letzten Passagiere durch sind, schließen die Terminaltüren für lange Zeit. Gut möglich, dass es für immer ist.

Wer heute die Galerie vom Bahnhof zum Terminal entlang geht, begegnet kaum Menschen. Es ist wenig los. Sofia, Moskau, Mailand, Alicante - man braucht höchstens zwei Hände, um die täglichen Flüge zu zählen. Es gibt Tage ohne einen einzigen Start. Vor einem Jahr noch drängten sich in den engen Gängen die Passagiere. Heute herrscht Leere.

In Schönefeld gab DDR-Staatschef Erich Honecker dem sowjetischen Machthaber Leonid Breschnew den "sozialistischen Bruderkuss", nun könnte der letzte prominente Fluggast Alexej Nawalny gewesen sein. Der Kreml-Gegner checkte im Januar zum Rückflug nach Moskau ein.

"Wenn es gut läuft, machen wir wieder auf", sagt ein Flughafensprecher zwar. Doch ob einmal wieder so viele Menschen in Flugzeuge steigen wie vor der Corona-Pandemie, weiß niemand. Um Geld zu sparen, machen die klammen Betreiber das Terminal erstmal für ein Jahr dicht.

Berlin sagt einem weiteren Flughafen adieu - drei Monate nach dem großen Finale in Tegel, wo die Mitarbeiter auf dem Vorfeld tanzten. Und zwölf Jahre nach dem feierlichen Betriebsschluss in Tempelhof. In Schönefeld wird es wohl ein stiller Abschied; eine Feier ist nicht geplant.

Dabei gäbe es viel zu erzählen. Trotz aller Umbauten: Der Blick über alte Holzhandläufe hinab in den Wartebereich unter großen Fenstern weckt Erinnerungen an eine Zeit, in der man sich zum Fliegen noch schick machte. Gebaut zum 9. Parteitag der SED 1976 wurde die "Neue Passagierabfertigung" bald zum Sehnsuchtsort.

Von der Aussichtsterrasse beobachteten DDR-Bürger auch Maschinen von Air France, Egypt Air, SAS - Flugzeuge aus Ländern, in die sie nicht reisen durften. Viele Passagiere für diese Maschinen brachte ein Bus mit Aufschrift "Transit Westberlin". Denn es gab in Schönefeld mehr Auslandsverbindungen als am West-Berliner Flughafen Tegel, und oft waren sie ein paar hundert Mark billiger.

Die DDR-Linie "Interflug" flog zu Zielen wie Bukarest, Havanna und Moskau, aber auch Kairo und Singapur, denn das brachte Westgeld in die Kasse. Bis 1980 gab es auch Inlandsflüge, etwa nach Barth und Heringsdorf an der Ostsee. Ein Flug endete in der größten Flugzeugkatastrophe auf deutschem Boden: Bei Königs Wusterhausen stürzte 1972 eine Iljuschin Il-62 ab, keiner der 156 Insassen überlebte. 1989 geriet ein Flugzeug beim Start in Schönefeld in Brand, 21 Menschen starben.

Nach der Wende boomte Tegel, Schönefeld fristete ein Schattendasein. Doch mit der Ankunft von Easyjet 2004 erlebte der alte Flughafen am Südostrand Berlins einen zweiten Frühling. Fast 13 Millionen Passagiere kamen im Rekordjahr 2018 - die Höchstmarke aus der DDR-Zeit lag zehn Millionen darunter.

Nun beherrschten die Billigflieger das Bild. Zum Taxi-Preis brachten sie Millionen von Party-Touristen in die angesagte deutsche Hauptstadt - die sie mit einem abgewetzten Flughafen begrüßte, Kürzel SXF.

BER T5

Dass es zum Abschied kein Fest gibt, liegt daran, dass hier nicht ein kompletter Flughafen außer Betrieb geht, sondern nur ein Terminal. Denn Schönefeld ist als Terminal 5 ein Teil des BER geworden. Der neue Hauptstadtflughafen ist in Sichtweite entstanden und hat auch eine Start- und Landebahn vom Vorgänger übernommen.

In der langen Bauzeit wuchsen den Verantwortlichen aber die Passagierzahlen über den Kopf - deshalb sollte das alte Abfertigungsgebäude am Netz bleiben. "Wir werden das Terminal 5 des BER sicher noch zehn Jahre, vielleicht länger benötigen", sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup noch im Herbst.

Da hatte er die 36 Millionen Fluggäste der Berliner Flughäfen von 2019 im Kopf. Doch im vergangenen Jahr wurden es nur neun Millionen, ein Viertel davon. Seit November checken sie im neuen Hauptterminal 1 ein und haben dort viel Platz. Bis zu 27 Millionen sind dort möglich, weitere 6 Millionen in einem bisher nicht genutzten Zusatzterminal.

Erst wenn das nicht mehr reichen sollte, dürften die Verantwortlichen vielleicht wieder über den alten Flughafen Schönefeld drüben auf der anderen Landebahn-Seite nachdenken. "Guten Tag, Schönefeld" - mit diesem Funkspruch begann im DDR-Fernsehen die Serie "Treffpunkt Flughafen". Am Montag heißt es "Gute Nacht, Schönefeld".
© dpa-AFX | Abb.: FBB, Günter Wicker | 22.02.2021 08:08

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Beitrag vom 23.02.2021 - 12:57 Uhr
Ich vermute mal, dass man nur über SXF nach Kuba gekommen ist zu der Zeit oder gingen auch Flüge von der BRD nach Kuba?

Die Anbindung beider Berliner Flughäfen an das Berliner ÖV Netz ist eine Zumutung. Dabei war SXF wenigsten per S-Bahn erreichbar. Tegel hatte nie einen Bahnhof sondern nur Bus-Anbindung. Für mich war TXL die grössere Zumutung als der 200 Meter Weg überdacht vom SXF bis zum S-Bahnhof Schönefeld. Generell war beides grosse Schei.... Da ist BER oder z.B. Zürich doch Dimensionen besser. Da ich im Speckgürtel von Berlin lebe, war SXF meine erste Wahl aber generell war das bei der Flugauswahl nie ein Kriterium. Man musste immer schauen, welche Airline von wo fliegt. Da ich von Berlin nach ZRH oder Basel fliege musste ich früher immer 4 Suchen für ein Flug machen. Jetzt sind es nur noch 2 (BER-ZRH und BER-BSL)

Es gab damals auch einen Charterflug von West- Deutschland. Von wo genau, erinnere ich nicht mehr. Könnte von Ddorf gewsen sein, Für Berliner aber uninteressant
Beitrag vom 23.02.2021 - 12:53 Uhr
Na ja, jeder hat so seine (eigene) Sichtweise ! Ich bin ein ehemaliger Interflieger und SXF war defacto mein Ausbildungsflughafen. SXF war für uns "gelernte" aus dem Osten, das Tor zur Welt...aber architektonisch nicht der Wahnsinn, da wurde TXL interessanter geplant und gebaut ! ...wir haben neidvoll immer "zugesehen", wie die Wessis (...ich mag den begriff Ossies/Wessies nicht !) für billig Geld in den Urlaub fliegen konnten ! ...nach der Wende bin ich nur zweimal von SXF geflogen, aber fast jede Woche von TXL und ich muss sagen, das war manchmal auch nicht lustig, ...insbesondere wenn man den ÖPNV nutzen musste, mit dem letzten Stück der Strecke mit dem BUS zum Terminal, eigentlich nur peinlich ! ...ich fand, im Gegensatz zu SXF, ...TXL genial, aber er war ab der Wiedervereinigung, nicht für diesen Massenansturm gemacht ! ...SXF war für mich ein Stück Lebensweg (bis 1991), aber würde nicht sagen, das ich der Schliessung hinter weine !

Sie haben vollkommen recht, die Anbindung von TXL an den ÖPNV war katastrophal, das war ganz sicher kein Aushängeschild für Berlin. Aber die Architektur hingegen schon klasse.

Zum Schluss aber verspielte TXL seinen Charme durch die Überlastung und die Renovierungsbedürftigkeit, da nichts mehr investiert wurde. Auch für TXL war es gut, als endlich schluss war, obwohl auch ich TXL sehr mochte.

Alles hat seine Zeit...

Dieser Beitrag wurde am 23.02.2021 12:54 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 23.02.2021 - 11:43 Uhr
Ich vermute mal, dass man nur über SXF nach Kuba gekommen ist zu der Zeit oder gingen auch Flüge von der BRD nach Kuba?

Die Anbindung beider Berliner Flughäfen an das Berliner ÖV Netz ist eine Zumutung. Dabei war SXF wenigsten per S-Bahn erreichbar. Tegel hatte nie einen Bahnhof sondern nur Bus-Anbindung. Für mich war TXL die grössere Zumutung als der 200 Meter Weg überdacht vom SXF bis zum S-Bahnhof Schönefeld. Generell war beides grosse Schei.... Da ist BER oder z.B. Zürich doch Dimensionen besser. Da ich im Speckgürtel von Berlin lebe, war SXF meine erste Wahl aber generell war das bei der Flugauswahl nie ein Kriterium. Man musste immer schauen, welche Airline von wo fliegt. Da ich von Berlin nach ZRH oder Basel fliege musste ich früher immer 4 Suchen für ein Flug machen. Jetzt sind es nur noch 2 (BER-ZRH und BER-BSL)


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