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EU und USA legen Airbus/Boeing-Streit auf Eis

Airbus A350-900
Airbus A350-900, © Airbus

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BRÜSSEL - Die EU und die USA haben einen Kompromiss im Streit über Strafzölle wegen Subventionen für Airbus und Boeing erzielt und damit einen ihrer schwierigsten Handelskonflikte entschärft. Dies teilten beide Seiten am Dienstag am Rande des EU-USA-Gipfels in Brüssel mit.

Zentraler Punkt ist, dass die gegenseitig verhängten Strafzölle für fünf Jahre ausgesetzt werden. Profitieren könnten Verbraucher, weil Aufpreise für importierte Waren wegfallen.

"Dieses Treffen begann mit einem Durchbruch bei Flugzeugherstellern", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schriftlich. "Das öffnet wirklich ein neues Kapitel in unseren Beziehungen, weil wir von Klagen zur Kooperation bei Flugzeugen übergehen - nach 17 Jahren Streitigkeiten." Zuvor hatte von der Leyen bereits gesagt, dass sie eine Einigung im Rahmen des Treffens mit US-Präsident Joe Biden an diesem Dienstag erwartet.

Beide Seiten hatten über viele Jahre die jeweils eigenen Flugzeugbauer subventioniert und sich dann gegenseitig wegen Wettbewerbsverzerrung vor der Welthandelsorganisation WTO verklagt. WTO-Schiedsgerichte hatten die Subventionen für illegal erklärt und milliardenschwere Strafzölle erlaubt.

Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai nannte Einzelheiten zur Einigung und machte auch die Stoßrichtung deutlich: "Statt mit einem unserer engsten Verbündeten zu streiten, verbünden wir uns endlich gegen eine gemeinsame Bedrohung: Wir haben vereinbart, Chinas nicht-marktkonformen Praktiken in diesem Sektor mit einzelnen Maßnahmen zu kontern, die unsere Standards für fairen Wettbewerb einhalten." Das schließe Investitionen und Technologietransfer ein.

Teil des Kompromisses sei, dass alle von der WTO genehmigten Strafzölle der USA und der EU für fünf Jahre ausgesetzt werden. Dies gelte, solange die EU-Unterstützung für Airbus sich im Rahmen der Vereinbarung bewege. Sollte die EU dagegen verstoßen und US-Produzenten Wettbewerbsnachteile haben, könnten die USA reagieren und ausgesetzte Zölle reaktivieren, erklärte Tai.

Die Flugzeughersteller Boeing und Airbus sind auf dem Weltmarkt für Flugzeuge scharfe Konkurrenten. Beide Seiten hätten den Wettbewerb durch unerlaubte staatliche Unterstützung der Firmen verzerrt, hielten WTO-Schlichter in zwei separaten Urteilen fest.

Strafzölle in Milliardenhöhe

Weil bei Airbus die beanstandeten Subventionen nicht vollends abgebaut worden seien, erlaubten Schlichter den USA im Oktober 2019, Strafzölle auf Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar (heute rund 6,2 Mrd Euro) im Jahr zu erheben. Das war die höchste Summe seit Gründung der WTO 1995.

Die USA erließen umgehend Zölle auf Käse, Butter, Wein, Komponenten für die Luftfahrtindustrie und andere Produkte aus Europa von bis zu 25 Prozent. Sie straften vor allem Länder, die Airbus unterstützten: Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien.

Etwa ein Jahr später passierte dasselbe im Boeing-Fall: weil US-Regierung und Behörden die illegale Förderung der US-Firma nicht ganz einstellten, genehmigten WTO-Schlichter der EU Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp 4 Milliarden Dollar (heute rund 3,2 Mrd Euro) im Jahr.

Die EU verhängte ebenfalls Zölle auf Flugzeugkomponenten sowie Agrar- und Industriewaren aus den USA von bis zu 25 Prozent. Die Zeche zahlen auf beiden Seiten die Verbraucher: importierte Produkte werden dadurch teurer.
© dpa-AFX | Abb.: Airbus | 15.06.2021 13:05

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Beitrag vom 16.06.2021 - 13:42 Uhr
Kann ich aus eigenem Wissen beantworten - ja, hat es in der Tat. Es wird sich kein Airline-Verantwortlicher hinstellen und einen solchen Satz öffentlich sagen. Warum auch, er würde ja der eigenen Politik (unnötig) in den Rücken fallen damit.

Aber die Beschaffungspreise inkl. Zoll (auch für spätere Ersatzteile) sind nicht unerheblich. Unabhängig ob nun gekauft, geleast, gemietet. Wenn nun zwei Konkurrenzprodukte technisch als Substitut angesehen werden könnten - ich nehme hier mal zur Veranschaulichung A320 und B737MAX8 - spielt am Ende eine Rolle, welche Kosten die Produkte und ihr Einsatz mit sich bringen. Den von den Kosten hängen die Gewinne ab.

Zu den Beschaffungspreisen zählen natürlich auch Zölle, aber es gibt auch weitere Faktoren, wie Lagerhaltung Ersatzteile, Flotten-Kommunalität, Piloten-Lizenzen oder eben manchmal auch das geplante Einsatzprofil - z.B. auch macht es Sinn eine Stück-Beladung von Gepäck zu haben oder Container nutzen zu können.

Daher ist Entscheidung am Ende ein nüchternes Ergebnis von viel Excel-Magie. Und die Entscheider bei einer Airline haben dann nicht das eine Argument. Anders schaut es bei den Herstellern aus, die als unterlegene in einem Anbieter-Wettbewerb sehr wohl mit der Absage über die entsprechenden Wirtschafts-/Lobby-Verbände bei der Politik kräftig an der Klinke putzen.
Beitrag vom 16.06.2021 - 00:07 Uhr
Hatte dieser törichte Streit überhaupt Einfluss auf die Flottenpolitik der Airlines? Durchforstet man die Schlagzeilen, kommt dieser Eindruck nicht auf.

Ich konnte kein Interview finden, in dem ein Airline-CEO erklärt hätte: Ich will ja gerne Boeing/Airbus kaufen, aber kann nicht.

Bemerkenswert ist, dass es hier immer nur um die zivile Produktion ging, während die Verteidigungssparte außen vor blieb.

Gerade bei staatlichen Beschaffungen haben sich beide Seiten aber protektionistisch bis zum Gehtnichtmehr gebärdet.


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