Turbulenzen im Konzern
Älter als 7 Tage

Streikdrohung bringt Lufthansa in schweres Wetter

Lufthansa 747
Lufthansa Boeing 747, © Deutsche Lufthansa AG

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FRANKFURT/MAIN - Die Lufthansa steuert in schweres Wetter: Nicht einmal drei Wochen vor dem nächsten angedrohten Pilotenstreik sind die Turbulenzen zwischen Konzernleitung und Beschäftigtengruppen heftiger denn je. "Wir verstehen unser Unternehmen nicht mehr", klagen gewerkschaftlich organisierte Piloten und Flugbegleiter gemeinsam und werfen dem Management einen grundsätzlich falschen Kurs vor.

Der Kampf um die Tarife spiegelt die unterschiedlichen Auffassungen über die Zukunft der Fluggesellschaft mit Premium-Anspruch, die wie ihre Konkurrenten British Airways oder Air France im immer schärferen Wettbewerb mit Billigfliegern wie Ryanair steht.

Der Ton wird zunehmend schärfer: Als "Generalangriff auf alles, was wir erreicht haben" wertet die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) Sparforderungen des Managements an die rund 16.000 Stewards und Stewardessen im Kernbereich der Lufthansa. "Menschenverachtend" habe der Konzern Einsparungen wie die Schließung eines Callcenters in Kassel oder die Pilotenentlassungen bei der Tochtergesellschaft Eurowings exekutiert.

"Da war nicht einmal der Ansatz eines Versuchs da, das sozial abzufedern", sagt ein Vertreter der Vereinigung Cockpit (VC). Die kleine, aber streikmächtige Pilotengewerkschaft wehrt sich dagegen, "easyjetiger" oder "airberliniger" zu werden und sieht die "innere Kultur des Unternehmens" zerstört.

Die Lufthansa gehört seit Jahrzehnten nicht nur wegen ihrer exotischen Flugziele zu den beliebtesten Arbeitgebern Deutschlands. Sozialleistungen, Familienfreundlichkeit, Flexibilität und Betriebsklima galten als vorbildlich. Doch die fetten Jahre scheinen mit der Finanzkrise schlagartig vorbei zu sein. In ihrem Kerngeschäft, der Fliegerei, hat die Gesellschaft 2009 nur Verluste eingeflogen.

Geld verdiente der Kranich zuletzt nur noch mit diversen Dienstleistungen rund um die Fliegerei, so dass unter dem Strich ein Jahresverlust von 112 Millionen Euro stand. Größtes Problem sind die Einbrüche bei den Geschäftskunden, die in Europa immer häufiger strikt auf den Preis schauen und danach auch buchen. Ob sie jemals zurückkommen, scheint fraglich.

Schon die eigentlich als Ultimatum gedachte Streikdrohung der Piloten bringt die Lufthansa in weitere Schwierigkeiten, ist zu hören. Die Kunden seien nach dem ersten Arbeitskampf im Februar erneut verunsichert und stornierten bereits eifrig ihre Buchungen für die angekündigte Streikperiode vom 13. bis zum 16. April.

Dass ein Schlichter den gordischen Knoten bei Europas größtem Luftfahrtkonzern trennen könnte, glaubt von den Beteiligten niemand. Das hängt damit zusammen, dass es in den Verhandlungen um Entgelt oder Ruhezeiten nur am Rande geht. Eigentlich gilt es, eine neue Geschäftsgrundlage für das sich wandelnden Unternehmen zu finden, für das der Konzerntarifvertrag von 1992 längst nicht mehr passt.

Neue Geschäftsgrundlage

Die damals arg trudelnde Lufthansa hat sich seitdem wie das gesamte Geschäft gründlich gewandelt: Die Geschäftsbereiche wurden neu ausgerichtet, im kriselnden europäischen Luftverkehrsmarkt eine Airline nach der anderen aufgekauft: Inzwischen gehören der Lufthansa in Zentraleuropa die Austrian Airlines, BMI, Brussels Airlines und die vor fünf Jahren übernommene Swiss, ohne die der gesamte Passagebereich noch viel schlechtere Zahlen geschrieben hätte.

Die Position der VC ist angesichts der Konkurrenz im eigenen Laden so klar wie weitgehend: Sie verlangt belastbare Vereinbarungen darüber, welche Strecken in Zukunft von welcher Konzerngesellschaft zu welchen Bedingungen geflogen werden. Dabei soll möglichst die Lufthansa Classic nicht nur bestehen bleiben, sondern Raum für Wachstum erhalten.

Derzeit ist noch gut die Hälfte der 8.900 Piloten im Konzern diesem Bereich mit Bestbezahlung zuzurechnen. Kaum kann sich die Gewerkschaftsführung um Präsident Winfried Streicher und Tarifkommissionschef Thomas von Sturm eine zweite Bruchlandung wie im Februar leisten, als bereits nach einem Tag der zuvor angekündigte größte Streik in der Lufthansa-Geschichte wieder abgebrochen werden musste.

Der Vorstand sieht seine unternehmerische Freiheit bedroht und versucht mit einer Charme-Offensive am erneuten Streik vorbeizusteuern, nachdem bereits die erste Runde rund 50 Millionen Euro gekostet haben soll. Auf drei eigens einberufenen Pilotentreffen haben Wolfgang Mayrhuber, Christoph Franz und Stefan Lauer in dieser Wochen mit Hunderten ihrer uniformierten Topangestellten geredet, sich Bedenken, Sorgen und Kritik angehört. Von Annäherung ist allerdings nichts zu hören.
© Christian Ebner, dpa | Abb.: Deutsche Lufthansa AG | 26.03.2010 13:15

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Beitrag vom 28.03.2010 - 11:07 Uhr
@Runway. Very nice the way you wrote this. Something to think about.

Saludos
Beitrag vom 28.03.2010 - 10:00 Uhr
Ein Schlichter ist bei dem Spektrum an Themen sicherlich zwingend notwendig, das sehe ich genauso, Runway.
Beitrag vom 28.03.2010 - 09:33 Uhr
Fernab jeder Stellungnahme und Polemik, Streik ist ein Grundrecht und von Haus aus nicht als negativ einzustufen. Nur hat sich gezeigt das in den südlichen Volkswirtschaften, wo oft und gern aus jedem manchmal nichtigen Anlass gestreikt wird, im Endeffekt alle die Zeche zahlen müssen. Das gilt natürlich auch wenn in Betrieben nach Berufsgruppen gestreikt wird. Nachdem sich LH und VC so verhakt haben halte ich einen Schlichter wirklich für einen guten Vorschlag.

PS: Nach über 115.000 km Busreisen auf allen Kontinenten weiß ich die Leistung echter Busfahrer durchaus zu schätzen. Die haben auch für bis zu 50 Insassen eine existenzielle Verantwortung. Wenn von denen einer einen Sekundenschlaf hat kann es viele Tote geben. So dauernd angespannt dürfte man im Cockpit nicht sein.


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