Der weltgrößte Flugzeugbauer aus den USA ringt auf der Schau wie üblich mit seinem europäischen Rivalen Airbus um Großaufträge. Die Branche ordnet sich derzeit neu - auch mit Blick auf aufstrebende Rivalen aus China und Russland.
Südwestlich von London kommt vom 16. bis 22. Juli so ziemlich alles zusammen, was in der Luft- und Raumfahrtbranche Rang und Namen hat. 1.500 Aussteller sollen auf der Messe präsent sein. Das letzte Mal vor zwei Jahren zählte die Messe trotz heftiger Regenfälle rund 73.000 Fachbesucher.
Wenn die Messe am Samstag und Sonntag auch für die breite Öffentlichkeit geöffnet ist, sollen noch etwa 80.000 Luftfahrt-Begeisterte hinzukommen.
In Sachen neuer Flugzeugtypen könnte Farnborough diesmal das große Los gezogen haben. Schon seit zwei Jahren denkt Boeing laut über den Bau eines neuen mittelgroßen Passagierjets nach, der die Lücke zwischen den kleineren Mittelstreckenjets und den Großraumflugzeugen füllen soll. Vergangenen Sommer brachte der Hersteller den Namen Boeing 797 ins Spiel.
Der Jet könnte Platz für 220 bis 270 Passagiere bieten. Als Nachfolgerin der 757 soll sie lange Strecken etwa über den Atlantik und darüber hinaus zurücklegen können - und dank moderner Triebwerke so sparsam sein, dass sich das für Fluggesellschaften rechnet.
Die Entscheidung für ein neues Modell ist bei Flugzeugherstellern von viel größerer Tragweite als etwa bei Autoherstellern. Die Entwicklung eines neuen Flugzeugs dauert Jahre und verschlingt Milliardensummen. Üblicherweise wird ein Modell mehrere Jahrzehnte lang gebaut. Würde es ein Ladenhüter, wäre der Schaden immens.
Schon deshalb ist man bei Airbus froh, das von Boeing entdeckte Marktsegment in der Mitte schon einigermaßen abgedeckt zu haben. Airbus hat seinem kleineren Großraumjet A330 eine Verjüngungskur als A330neo spendiert.
Und vom größten Mittelstreckenjet A321neo haben die Europäer die Langstreckenversion A321LR entwickelt, die bis zu 4.000 nautische Meilen (7.400 Kilometer) zurücklegen kann - und künftig als A321XLR noch mehr schaffen soll.
Wenn Boeing das neue Programm in Angriff nimmt, soll das Flugzeug als 797-6X mit 228 Passagieren eine Nonstop-Reichweite von 5.000 Seemeilen erzielen, das Schwestermodell 797-7X mit 268 Sitzen 4.200 Seemeilen. Damit wären auf der Weltluftfahrtkarte ganz neue Verbindungen möglich, wirbt Boeing.
Kurz vor der Farnborough Airshow beendete Boeing das Triebwerkscasting für die 797 - alle drei großen Hersteller reichten ihre Antriebskonzepte für den Flieger in Seattle ein.
Um die Bestellungen der Airlines werden beide Hersteller ringen - wenn Boeing den Flieger tatsächlich baut. Delta hat bereits angekündigt, als Erstkunde die Airlinepatenschaft für die 797 zu übernehmen.
Dass es etwas Großes zu verkünden gibt, hat der US-Konzern mit einer Einladung für Sonntag (15. Juli) angedeutet. Zum Vorgespräch am Tag vor der Messe soll diesmal Boeing-Chef Dennis Muilenburg kommen. Sonst überlässt der Manager diesen Termin seinem Spartenchef.
Boeing muss seine Rolle als führender Flugzeugbauer festigen. Denn Airbus holt immer weiter auf. Je rund 800 Verkehrsflugzeuge wollen beide Unternehmen in diesem Jahr ausliefern. Dabei sind Boeings Pläne mit mindestens 810 Maschinen noch etwas ehrgeiziger als bei Airbus - aber der Abstand schrumpft. Nachfrage nach Passagierjets gibt es genug.
Um den Markt auch in Zukunft zu beherrschen, verbünden sich die großen zwei Hersteller mit den wichtigsten Anbietern kleinerer Maschinen. So hat Airbus vom angeschlagenen kanadischen Hersteller Bombardier die Mehrheit an dessen Mittelstreckenjet CSeries übernommen - und vermarktet ihn jetzt als Airbus A220.
Und Boeing will dem brasilianischen Hersteller Embraer die Mehrheit an dessen Verkehrsflugzeug-Sparte abkaufen. Durch beide Deals werden die Großen der Branche noch größer.
China grätscht in das Duopol
Unterdessen läuft sich die Konkurrenz aus dem Osten weiter warm. Der russische Flugzeugbauer Irkut hat im vergangenen Jahr mit der MS-21 einen Mittelstreckenjet in die Luft gebracht, der den meistgefragten Modellen von Boeing und Airbus Marktanteile abringen soll. Und in China ist dem Comac-Konzern mit der ähnlich großen C919 das Gleiche gelungen.
Auf Messen im Ausland waren die Maschinen noch nicht zu sehen - dazu war es nach den Testflügen zu früh. Flugzeugbau ist Hightech auf hohem Niveau und stellt die dortige Industrie vor große Herausforderungen - auch wenn wichtige Bauteile der beiden Jets aus dem Westen stammen.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 12.07.2018 08:30
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