Airbus-Chef Guillaume Faury war am Dienstag auch sonst nicht um große Worte verlegen: "Heute schreiben wir Geschichte". Am 1. Juli hatte Airbus offiziell das verlustreiche CSeries-Programm vom kanadischen Hersteller Bombardier übernommen, heute wurde das Flugzeug offiziell in die Airbus-Produktfamilie aufgenommen und mit einem neuen Markennamen versehen.
"Ich denke der Name A220 zeigt deutlich, dass diese Flugzeuge in der Kapazität eine Stufe unterhalb der A320 liegen", so Faury auf die Frage von aero.de warum diese Bezeichnung gewählt wurde. In der Branche war zuvor über die Namen A210 für die bisherige CS100 und A230 für die größere CS300 spekuliert worden.
Jetzt heißen die beiden kanadischen Flugzeuge A220-100 und -300. "Diese Übernahme wird die Perspektiven für den Markt verändern, der angekündigte Einstieg von Boeing bei Embraer zeigt das bereits", sagte Faury in Toulouse gegenüber aero.de.
Tatsache ist, dass die Übernahme des technisch überlegenen neuesten, aber bisher verlustreichen Single-Aisle-Verkehrsflugzeugs der Welt durch Airbus ohne größere Investitionen als Meisterstück der sich dem Ende nähernden Karriere von Airbus-Konzernchef Tom Enders angesehen wird.
In Toulouse stellte das europäische Konsortium erstmals im Verbund mit den Kanadiern, die die A220 weiterhin produzieren, die weitere Strategie mit dem neuen Produkt vor. "Eine Hochzeit des Himmels" nannte es überschwänglich David Dufrenois, Verkaufschef des gemeinsamen von Airbus und Bombardier gegründeten Unternehmens CSALP.
"Für die nächsten Jahre ist der Verkauf von 3.000 A220-Flugzeugen unser Ziel", so Dufrenois, was etwa der Hälfte des erwarteten Gesamtmarkts der 100-150-Sitzer entspräche. Derzeit weist das bisherige CSeries-Programm 402 Festbestellungen aus, 38 davon sind bereits ausgeliefert (23 an Swiss, neun an Air Baltic und sechs an Korean Air).
Die noch auszuführenden Bestellungen liegen damit bei 364 Flugzeugen, darunter sind 35, die Air Baltic erst im Mai nachbestellt hatte als einzige Order des Jahres bisher. "Wir müssen noch in 2018 eine zweistellige Anzahl an Orders gewinnen", gab Rob Dewar die Parole aus, der als "Vater der CSeries" gilt und jetzt als Head of Customer Support and Engineering fungiert. Dewar sieht drei wesentliche Prioritäten für die A220: "Wir müssen den Verkauf ankurbeln, die Kosten senken und die Produktionsraten steigern."
Derzeit wird die bisherige CSeries nur im Stammwerk Mirabel bei Montréal gefertigt, wo die Rate bei bis zu 120 Flugzeugen im Jahr liegt. Die Fertigungslinie ist bisher nicht ausgelastet, im vergangenen Jahr wurden 17 Flugzeuge ausgeliefert, für dieses Jahr ist mit 34 Maschinen eine Verdoppelung geplant. Derzeit wird im Airbus-Werk in Mobile im US-Bundesstaat Alabama eine neue Endfertigung für die A220 eingerichtet, die Mitte 2020 das erste Flugzeug ausliefern soll.
USA wichigster Absatzmarkt
Dies auch vor dem Hintergrund von angedrohten US-Strafzöllen für kanadische Produkte. "Es ist besser da auf der sicheren Seite zu sein, schließlich sehen wir in den USA 40 Prozent unseres Marktes", so Rob Dewar auf kritische Nachfragen, warum man in Mobile die Produktion hochfahre wenn nicht einmal Mirabel ausgelastet sei.
Die US-Fertigungslinie, in der bereits Verbesserungen gegenüber dem Werk Mirabel verwirklicht sein werden, soll künftig bis zu 60 Flugzeuge im Jahr produzieren. Airbus ließ auch klar erkennen, dass man sich Kostenvorteile erhofft durch Effizienzgewinne von Zulieferern, die Bombardier bisher als kleinerem Hersteller nicht offenstanden.
Antonio da Costa, Airbus-Chef für Produktmarketing, betont dass die A220 die Airbus-Produktpalette nach unten abrunde, seit die A318 nicht mehr produziert wird ist die A319neo das kleinste bisher angebotene Modell.
Airbus plant die bisherige CSeries in Teilen an das eigene Produkt anzupassen. Dazu gehört eine mögliche Angleichung des Cockpits in der A220, so dass es für Piloten ein gemeinsames Type Rating geben könnte sowohl für die A320-Familie als auch die beiden A220-Varianten.
Länge bei A220-300 nicht ausgereizt
"John Dewar hat sich bei der Entwicklung des CSeries-Cockpits ohnehin schon die A320 als Vorbild genommen", scherzte heute David Dufrenois. Auch eine weitere Streckung der heutigen A220-300 sei möglich, bestätigte Rob Dewar gegenüber aero.de. "Das ist im Design bereits vorgesehen, aber derzeit haben wir erstmal andere Prioritäten."
Klar ist jedenfalls, dass die Verbindung von Bombardiers innovativem Flugzeug, "das Kunden von innen oft wie eine Mini-A350 erleben", so die Chefin des Kabinenprodukts, Christine de Gagné, heute, und Airbus sowohl Kanadiern als auch Europäern große Vorteile bringen kann, wenn sich denn dank der Marktmacht von Airbus die Verkaufszahlen signifikant erhöhen lassen.
Der frühere Airbus-Verkaufschef John Leahy hatte die bisherige CSeries noch kurz vor Ende seiner Amtseit überheblich als "das niedliche kleine Flugzeug" bezeichnet. "Das hat er möglicherweise wirklich so gemeint, denn es stimmt", sagte David Dufrenois heute grinsend.
© Andreas Spaeth | Abb.: Andreas Spaeth | 10.07.2018 16:23
Kommentare (12) Zur Startseite
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Wo genau hab ich den das gesagt.Die Antwort auf Frage nach der Ähnlichkeit ist nur eben immer viel zu leichtfertig mit einem Nein gegeben.
Ich weiss nicht ob ein Entwickler bei BBD untergekommen ist. Aber wenn, wird er sicher die Erfahrungen aus der Entwicklung der Do 728 mitgebracht haben. Erst wenn das ausgeschlossen werden kann, kann man die Frage mit Ja oder Nein beantworten.
Dazu ist das Ende des einen zu zeitnah am Beginn des Anderen. Da könnte schon der Ein oder Andere bei BBD gelandet sein.
Dieser Beitrag wurde am 13.07.2018 00:32 Uhr bearbeitet.