Doha
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Das Portofino unter den Stopovern am Golf

Qatar
Qatar Airways Airbus A330, © Qatar Airways

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DOHA - Baukräne, Zementmischer und Presslufthämmer spielen in Doha eine Symphonie des Fortschritts. Die Hauptstadt des Kleinstaats Katar am Arabischen Golf dröhnt, fasziniert und vibriert.

Das kleine Emirat ist aber mehr als Zukunftsmusik, denn Katar hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wirtschaftlichen und politischen Regionalmacht entwickelt. Doha will kein neues Dubai sein, denn Dubai gilt hier als protzig, quietschbunt, kulturverloren. Doha fühlt sich eher an wie Portofino.

Doha ist schon längst ein klassisches Stopover-Ziel auf dem Weg in Richtung Südostasien und Australien. Der ohnehin schon große Flughafen mit fast 15 Millionen Passagieren jährlich wird durch die starke Expansion der einheimischen Fluglinie Qatar Airways zu einem globalen Mega-Drehkreuz ausgebaut. Bis 2015 soll die Kapazität des Flughafens nach Angaben der Airline auf 50 Millionen Passagiere ausgeweitet werden. 60 Prozent des neuen Flughafens entstehen auf einem künstlich aufgeschütteten Baugrund im Arabischen Golf.

Der Flughafen liegt mitten in der Stadt. Die Taxifahrt dauert nicht länger als zehn Minuten. Alles ist so schön klein in diesem konservativen und sittenstrengen Miniaturland, das gerade einmal halb so groß ist wie Hessen. 1,7 Millionen Menschen leben auf der staubtrockenen Halbinsel, die wie ein Daumen in den Persischen Golf ragt.

Es ist Freitag in Katar, der muslimische Feiertag. Die Arbeit ruht größtenteils, doch Baustellen und Kräne stehen nie still. Vor der übergroßen Austernperle an der Küstenstraße treffen sich Arbeiter aus Indien, Pakistan und Sri Lanka, und lassen sich vor der mächtigen Skulptur fotografieren. Die Straßen sind leer, die Moscheen dafür voll.

Veränderung und Bewahrung schaffen in Katar Parallelgesellschaften: Ultraschicke Bars in den Fünfsterne-Hotels und Diskotheken haben sich als Treffpunkte für die westliche Elite in Doha etabliert.

Auf der anderen Seite ist da dieses andere Katar mit zurückgedrehten Uhren. Wie zu Zeiten der Kalifen schaukeln die Daus im Hafen, Männer in langen weißen Gewändern ziehen an Wasserpfeifen und dippen libanesisches Brot in Tabouleh-Salat, eine arabische Köstlichkeit aus Minze, glatter Petersilie, Knoblauch und einem Spritzer Limette. Frauen in schwarzen Abayas, teilweise komplett verhüllt, huschen wie Schattenwesen durch die Straßen.

Zehn Kilometer außerhalb der Hauptstadt wird diese Parallelgesellschaft auf einer künstlichen Insel auf die Spitze getrieben. Mit einem der pastellblauen, öffentlichen Taxis geht es vom alten Kern der Stadt hinaus in eine funkelnde Glitzerwelt namens "The Pearl". "It's a very good place, beautiful. Many rich people", erzählt Raschal, der Taxifahrer. Er ist aus dem indischen Bundesstaat Kerala nach Doha gekommen, um seine Familie zu ernähren.

Schick, schicker, "The Pearl": Der neueste Stadtteil trägt den Beinamen "Porto Arabia" und sieht von oben aus wie eine Austernperle. Bevor in Katar Bodenschätze entdeckt wurden, war es das Land der Perlentaucher. Katar und die gesamte Golfregion waren lange Zeit abhängig vom Perlenverkauf. Zuchtperlen aus China und Japan, die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und der Verlust Indiens als Großabnehmer nach seiner Loslösung vom Britischen Imperium stürzten die Golfregion in eine tiefe Krise.

Dann kamen Erdgas und Öl, und niemand musste oder wollte sich sein Geld noch mit Perlentauchen verdienen. Fest steht aber: Perlen sind Teil der Geschichte Katars. Ältere Kataris erzählen sich, dass mit Regentropfen kleine Steine vom Himmel fallen, die in Austern eindringen und dort zu einer Perle werden.

Lüstern glänzt auch "The Pearl": Der weiße Marmor schimmert im Licht der Sonne perlmuttfarben. Die Fußgängerwege dieser künstlichen Inselwelt sind frisch gewischt, es gibt keine Krümel, keine Sandkörner, keinen Müll. Es ist die pure Perfektion. Aus Lautsprechern säuseln angenehme Melodien. In den Schaufenstern zu finden sind Lamborghinis, Maseratis und die Designermode von Alexander McQueen.

Das 400 Hektar große Eiland liegt etwa 330 Meter vor der Ostküste Katars. Etwa 30 000 Menschen sollen hier einmal wohnen, wenn sämtliche Bauarbeiten abgeschlossen sind. In Bau befinden sich Luxushotels, Apartmenthäuser mit eigenen Jachthäfen, Kindergärten, Schulen und - das lieben alle Menschen auf der Arabischen Halbinsel - ein riesengroßes Einkaufszentrum. "The Pearl" soll nichts anderes sein als die Riviera Arabiens. Portofino eben - nicht Las Vegas; Klasse, nicht Masse.

Katar ist nach eigenen Angaben das reichste Land in Asien, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt etwa 70 000 Euro pro Jahr. Die Bodenschätze Erdöl und Erdgas garantieren Wohlstand und Zukunftsprojekte. Katar will aber in allen Bereichen international mitspielen: Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 sollen neue, innovative Hotels aus dem Boden sprießen. 2011 hat zum Beispiel ein Designhotel eröffnet, das aussieht wie eine Fackel. "The Torch" heißt die Riesentaschenlampe, die Doha jede Nacht in Regenbogenfarben taucht.

Wirklich spektakulär ist das Museum of Islamic Art: Das Gebäude für die Kunstsammlung, entworfen von dem amerikanisch-chinesischen Stararchitekten I.M. Pei aus kubistischen und arabischen Stilelementen, ist wieder so ein mächtiges Symbol für Vergangenheit und die Zukunft des Landes. Honigfarbene Quader ergeben eine moderne Festung auf einer künstlich geschaffenen Insel vor der Corniche.

Das Innere ist ebenso bezaubernd: Erst wird der Besucher - wie am Flughafen - freundlich kontrolliert, Maschinen durchleuchten die Taschen. Dann beginnt die Reise in eine fremde Welt voller Anmut, Exotik und Schönheit. Im großzügig und luftig konstruierten Atrium geht der Blick 45 Meter hoch in die fünf Stockwerke. Mächtige Wandeltreppen führen hinauf in die dunkel gehaltenen 18 Galerieräume, in denen etwa 750 Spitzenstücke islamischer Kunst aus dreizehn Jahrhunderten ausgestellt sind.

Die Exponate stammen unter anderem aus Spanien, Ägypten, Syrien, Irak, der Türkei, dem Iran, Indien und Zentralasien. Wie auf der Arabischen Halbinsel üblich verlangen die Kataris keinen Eintritt für ihre Museen, Besucher dürfen anders als in westlichen Einrichtungen auch alles fotografieren - das ist kein Problem. Die Kataris sind eben stolz auf ihre Kultur, das soll jeder sehen, und das darf jeder festhalten.

Dabei war das Land stets abhängig vom übermächtigen Nachbarn Saudi-Arabien. Doch Staatsoberhaupt Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani hat sich freigeschwommen von den Einflüssen anderer Golfstaaten. Er und seine Frau Scheicha Musa modernisieren das Land entschlossen und mit Weitblick. In der Gesellschaft herrscht ein gesundes Selbstbewusstsein statt Größenwahn vor.

In den Moralvorstellungen gibt sich Katar aber weiterhin konservativ. Davon erzählt auch Katara - ein im altarabischen Stil errichtetes Freilichtmuseum mit Kunsthandwerk, einem fußballstadiongroßen Amphitheater, einem Opernhaus und einem Freiluftkino. Manchmal muss es eben doch Größenwahnsinn sein - wie in Las Vegas.
© dpa | Abb.: Qatar Airways | 08.11.2012 08:37

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Beitrag vom 27.01.2014 - 12:00 Uhr
Meinst du das hier?
 http://file1.npage.de/002448/75/bilder/in-01-31.jpg

In Indien ist solch ein Straßenbild Alltag. In DXB oder AUH hab ich so etwas noch nie gesehen.
Wir (Ich) tun es nicht rechtfertigen. Nur einem Wettbewerber immer wieder das vorzuhalten macht die eigene Wettbewerbsfähigkeit kein bisschen besser.

PS: Man sollte aber auch die osteuropäischen Billiglöhner in unseren Großstädten nicht vergessen. Da gibt es auch genug elend.
Beitrag vom 27.01.2014 - 11:41 Uhr
Nunja, aber das Miese mit dem abgrundtief Elenden zu rechtfertigen ist ja auch kein fürsprechendes Plädoyer.
Beitrag vom 26.01.2014 - 19:39 Uhr
Bezug nehmend auf den Beitrag von FrequentC, will ich zu diesem Thema nur kurz noch etwas ergänzen. Vor einigen Monaten hatte ich auf einer knapp einstündigen Taxifahrt von Dubai nach Abu Dhabi ausreichend Gelegenheit dazu, mich mit dem pakistanischen Fahrer über die Arbeitsverhältnisse von Ausländern, insbesondere Pakistani, Philippinos und Indern zu unterhalten. Auch er sagte, dass dies für uns Europäer oft unmenschlich erscheint und auch für sie, besonders Arbeiter, die der glühenden Mittagshitze im Sommer fast ungeschützt ausgesetzt sind, teilweise sehr harte Arbeitsbedingungen sind, es ihnen aber trotzdem viel besser als in ihrer Heimat gehe. Mein Fahrer beispielsweise verdiente umgerechnet ca 600-700€ im Monat, von denen er immer ca 300 direkt in die Heimat überweist, um damit einen Großteil seiner Familie ernähren zu können.


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