Siegfried Knecht
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Synthetisches Kerosin ist teuer, aber in Reichweite

Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender von aireg
Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender von aireg, © Thomas Aigner/planetalk.tv

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MÜNCHEN - Synthetisches Kerosin gilt vielen in der Branche als schneller und sauberer Weg, die Luftfahrt nachhaltiger zu gestalten. Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender der Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany (aireg) spricht mit planetalk.tv über den Stand der Forschung und der Produktion.

aireg wurde 2011 von Branchenexperten verschiedener Bereiche gegründet, um den Einsatz regenerativen Kerosins in der deutschen Luftfahrt voranzubringen. Nach der Zielsetzung des Vereins soll der Anteil 2025 bei zehn Prozent des gesamten Kerosinbedarfs in Deutschland liegen. Siegfried Knecht ist neben seinem Amt als Vorstandsvorsitzender Airbus-Lobbyist in Berlin.

Wie definiert aireg "synthetisches Kerosin"? "Wenn wir bei aireg über Rohstoffe für synthetisches Kerosin sprechen, meinen wir immer Rohstoffe mindestens der zweiten, wenn nicht der dritten Generation. Wir meinen damit keine Futtermittelpflanzen, sondern in allererster Linie Pflanzenöle", sagte Knecht gegenüber Thomas Aigner im planetalk.tv-Podcast.

"Es gibt die unterschiedlichsten Arten von Pflanzen, aus denen man ein Öl gewinnen kann, zum Beispiel verschiedene Grasarten. Darüber hinaus gibt es verschiedene Lipidhaltige Rohstoffe wie Altfette oder Altöle und Tierfette, aus denen man synthetische Rohstoffe gewinnen kann." Ein naheliegendes Beispiel sei Altfett aus der Gastronomie.

planeTALK Folge 10, © PilotsEYE.tv - alle Podcastfolgen unter https://video.planetalk.tv

Umgebaut werden müssten Flugzeuge nicht, damit sie mit synthetischem Kerosin betankt werden könnten. "Der große Vorteil ist, dass ich diesen Kraftstoff in jedes heute verfügbare große Flugzeug einbringen kann. Natürlich noch nicht zu hundert Prozent, aber immerhin kann ich bis zu 50 Prozent dazumischen."

Zumindest theoretisch. Denn in der Praxis ist die Branche weit davon entfernt, ein solches Mischverhältnis hinzubekommen. Das liegt zunächst schlicht daran, dass derzeit noch nicht ausreichend synthetisches Kerosin hergestellt wird.

Etwa 300 Millionen Tonnen Kerosin werden weltweit "verflogen". Gerade einmal 150 Tausend Tonnen des derzeit günstigsten Biokerosins werden Knecht zufolge produziert. Ein Missverhältnis, in dessen Ausgleich er den Schlüssel dafür sieht, dass Airlines verstärkt auf synthetische Alternativen zum fossilen Treibstoff zurückgreifen.

Rar und teuer

Denn die mangelnde Verfügbarkeit macht sich auch im Preis bemerkbar. Kostet eine Tonne herkömmliches Kerosin derzeit 400 Euro, ist eine Tonne synthetisches Kerosin erst zwischen 1.600 Euro bis 2.000 Euro zu haben.

Selbst wenn es erst in kleineren Prozentsätzen beigemischt wird, bedeutet es also erhebliche Mehrkosten für die Airlines. Die aktuelle Krise ist nicht geneigt, deren Bereitschaft zu steigern, mehr für Treibstoff auszugeben. Andererseits verschafft sie Herstellern Luft, die Produktion hochzufahren.

Knecht hofft, dass dies gelingt und eine bessere Verfügbarkeit synthetischen Kerosins in zwei bis drei Jahren auf Airlines trifft, die sich von der aktuellen Krise erholt haben. Zudem rechnet er damit, dass Passagiere bereit sind, etwas mehr zu bezahlen, um den Einsatz synthetischen Kerosins zu fördern. Subventionen hält er für den falschen Weg.

Doch selbst wenn es technisch und wirtschaftlich möglich wäre, dürften Airlines momentan nicht 100 Prozent synthetisches Kerosin tanken, weil das noch gar nicht zugelassen ist. "Dieser Zertifizierungsprozess ist noch im Gange und ich würde mal kühn vermuten, dass wir vielleicht im nächsten Jahr eine hundertprozentige Nutzung sehen werden", sagte Knecht.

Am Flughafen München soll ein Pilotprojekt zur Beimischung von synthetischem Kerosin starten. aireg ist noch auf der Suche nach einer Airline, die mitmacht.

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© aero.de | Abb.: Thomas Aigner/planetalk.tv, KLM | 29.11.2020 07:52

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Beitrag vom 30.11.2020 - 13:59 Uhr
In Reichweite, was heißt das ??
Meint der Autor, dass es physikalisch, biochemisch und technisch machbar ist Kraftstoffe so herzustellen, dann wird man zustimmen können.
Meint er aber auch, dass es möglich ist die benötigten Mengen umweltschonend bereitzustellen, ohne gewaltigen Flächenverbrauch an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche.
Der Autor sollte doch bitte eine Überschlagsrechnung präsentieren, auf welchem Wege denn diese gewaltigen Mengen produziert werden können.
Das gleiche Problem besteht auch bei PTL Kraftstoffen. Die Firma DECHEMA hat in einer Studie ausgerechnet, wie viel Strom benötigt wird, um eine Tonne energiegleichen Kraftstoffs mit power-to-liquid Techniken zu produzieren. Ergebnis: Um die Menge PTL Kraftstoffe nur für den Jahresbedarf der deutschen Airlines (Vor-Corona-Zeiten) Basis 2018 zu produzieren, benötigt man eine Strommenge von 25 neuen Atomkraftwerken, gemessen an der durchschnittlichen Jahresproduktion der 7 Atomkraftwerke in Deutschland , Stand 2017.
Das wäre auch nur PTL für die Deutschen Airlines, und nicht für PKW , die benötigen aber auch jede Menge CO2 freie Kraftstoffe und oder gewaltige Strommengen.
Also auch PTL ist technisch machbar, aber außerhalb jeder nutzbaren Reichweite.
Beitrag vom 29.11.2020 - 15:57 Uhr
@Runway

Die Sache ist doch noch viel schlimmer. Was bringt synthetisches Kerosin, wenn es wie alle Biotreibtstoffe heute einen extrem hohen Flächenverbauch bzw. aufgrund der benötigten Energiemenge einen schlechte Well to Wheel Bilanz hat?

Ohne erheblichen Technologiesprung ist das ganze Thema mit den synthetischen Fuels ein schöne Idee auf dem papier mit ein paar Prototypen.

Ich warte noch immer darauf das jemand dort mal ein schlüssiges Gesamtkonzept vorstellt das wirklich funktioniert.
Beitrag vom 29.11.2020 - 13:58 Uhr
Der Bericht bestätigt das was in meiner Erinnerung zu diesem Thema bereits gesagt wurde. Der Preis liegt ungefähr 4 bis 5 x höher als beim derzeitigen Kerosinpreis.

So ungefähr bei 40% der Flugkosten liegt der Kerosinanteil. Selbst wenn es ausreichend Biotreibstoff gebe welche Airline könnte im Preiswettbewerb auch nur 50 % Beimischung tragen ohne sofort Bankrott zu gehen.

Auch eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Ölpreises würde nichts grundsätzliches ändern.

Zudem woher sollten die notwendigen 150 Mil. TO kommen. Doch nicht etwa aus Palmöl.Neue ökologisch vertretbare Produktionmethoden wie Algen etc. sind über Laborversuche und Public Relation-Aktionen nicht hinaus gekommen. Bleibt nur die Hoffnung auf technologische Durchbrüche von denen jedoch noch nichts am Horizont zu sehen ist.

Regulatorische Eingrife sind auch kein Allheilmittel. Subventionen der Kohle und die Besteuerung des Öls haben den Kumpels gegen den Markttrend auch nichts geholfen. Da sind hunderte von Miliarden verplempert worden die besser in zukunftsträchtige Bereiche geflossen wären.Aber hnderttausende von Kumpels in Bonn hatten damals halt ihre politische Wirkung.


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