Europäische Fehlinvestitionen
Älter als 7 Tage

Polen baut internationalen Flughafen im CIA-Forst

WARSCHAU - Seine abgeschottete Lage inmitten dichter Wälder erklärt vielleicht, weshalb in Szymany von 2002 bis 2005 geheime Charterflüge landeten. Nahe des alten Militärfelds unterhielt die CIA ein Gefangenenlager, in dem der US-Geheimdienst hochrangige Al-Qaida-Mitglieder auch unter Folter verhörte.

Ein wenig schwerer begreiflich ist, weshalb Szymany mit viel EU-Geld gerade in einen internationalen Flughafen umgebaut wird. Gut 50 Millionen Euro steckt die Lokalpolitik in neue Gebäude, Betriebsflächen und Landebahn. Knapp 40 Millionen Euro davon fließen als Strukturhilfen aus Brüssel in das Projekt.

Im Januar soll der Flughafen als Olsztyn-Mazury Regional Airport mit einer Kapazität für eine Million Passagiere öffnen. Die Prognosen für Verkehr und Umsätze "haben aber nichts mit der Realität zu tun", konstatiert der frühere LOT-Vorstand Jacek Krawczyk, der inzwischen die EU in Luftfahrtfragen berät.

Ohnehin mangelt es Polen nicht an Flughafenkapazität. Seit 2007 hat die EU mehr als 600 Millionen Euro für Bau oder Renovierung von einem Dutzend Flughäfen im Land bewilligt - 21 Prozent der Gesamtmittel, die Brüssel im selben Zeitraum für Flughafeninfrastruktur in allen 28 Mitgliedstaaten zur Verfügung stellte.

Die meisten von der EU subventionierten Neuflughäfen in Polen, aber auch in anderen Ländern, schaffen "wenig Gegenwert für das Geld", kritisierte der Europäische Rechnungshof im Dezember. Verkehre und positive Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft blieben hinter den Erwartungen zurück.

Szymany Airport
Szymany Airport - Baustelle aus der Luft, © Szymany Airport

Nach europäischem Recht sind Flughafenprojekte wie Szymany, für die Beihilfen von maximal 50 Millionen Euro beantragt werden, nicht zustimmungspflichtig. Brüssel kann Gelder aber einbehalten oder sogar zurückfordern, wenn ein Projekt offensichtlich wirtschaftlich nicht tragfähig sein wird.

Vergangenes Jahr verpflichtete die EU-Kommission Polen zur Rückzahlung von 22 Millionen Euro Beihilfen für die Errichtung eines Flughafens in Gdynia. Nur 25 Kilometer vom neuen Airport entfernt fristet bereits der Flughafen Danzig mit 40 Prozent ungenutzter Kapazität ein unterausgelastetes Dasein.

Derartige Projekte "verzerren den Wettbewerb zwischen den Flughäfen und verschwenden Steuergelder", begründete die EU ihren barschen Rückzahlungsbescheid.

Investitionen werden falsch eingesetzt

Ironischerweise braucht Europa eigentlich dringend neue Flughafenkapazitäten, eben nur nicht dort, wo sie entstehen. Der europäische Luftverkehr wird sich in den nächsten 15 Jahren verdoppeln. Bereits jetzt laufen die großen Knoten Paris CDG, Frankfurt und London-Heathrow am Rande ihrer Kapazitäten.

"Wir haben richtig viel Geld ausgegeben, um Verkehr von Hubs auf regionale Flughäfen umzuverteilen", sagt EU-Berater Krawczyk. "Diese Rechnung ist aber nicht aufgegangen." Allenfalls kleinere Airlines und Billigflieger nahmen die neue Infrastruktur an und diktierten zugleich die mehr als mageren Gebühren.

Kleine Neuflughäfen können so nicht kostendeckend arbeiten. Für Deutschland bewahrheitet sich das am 271-Millionen-Euro-Beispiel Kassel-Calden. Auch die Umbenennung in "Kassel Airport" änderte an der mangelnden Attraktivität des Flughafens wenig.

Spanien versucht seit zwei Jahren erfolglos, den seit 2012 verwaisten Flughafen Ciudad Real zu versteigern. Jetzt soll das einst 1,1 Milliarden Euro teure und für 2,5 Millionen Passagiere ausgelegte Infrastrukturprojekt ohne Mindestpreis unter den Hammer.

Besonders paradox ist, dass mit EU-Geld weiterhin Flughäfen gebaut werden, die vielleicht in absehbarer Zeit schon wieder schließen müssen. Ab 2024 sind Betriebsbeihilfen aus öffentlichen Kassen nach dem Willen der EU-Kommission nämlich europaweit Tabu.

Ungebremste Zuversicht

All dies dämpft die Hoffnungen in Szymany nicht. Der Flughafen werde "unsere wunderschöne Region für Touristen erschließen", sagte Airport-Geschäftsführer Krzystof Pawlowski. Pawlowski ist überzeugt, dass schon 2017 bis zu 350.000 Menschen über seinen Flughafen in den Nordosten Polens reisen.

Zum Vergleich - mit 350.000 Jahrespassagieren würde man in Syzmany in einer Liga mit Lodz spielen, der immerhin drittgrößten Stadt Polens.

Am Ende wird vermutlich der polnische Steuerzahler für den Unterhalt aufkommen. Er muss bereits jetzt für Szymany einspringen: kürzlich verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Warschau zur Zahlung von 230.000 Euro an zwei Terrorverdächtige, die von der CIA in Szymany gefoltert wurden.
© Bloomberg News, aero.de | Abb.: Szymany Airport | 21.05.2015 10:20

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Beitrag vom 21.05.2015 - 20:04 Uhr
Auch hier könnte man eine Forum-Wette platzieren :D

Wer glaubt, das dieser Flughafen vor BER in den Service geht?
Beitrag vom 21.05.2015 - 13:14 Uhr
Dieser Platz ist wirklich am Ar.... der Welt. Ich bin dort vor Jahren mit einer Ambulanzmaschine gelandet. Mitten in der Pampa in den Wäldern, kaum zu finden.
Beitrag vom 21.05.2015 - 10:41 Uhr
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Im EU-Nachbarland Polen wurden von 2002 bis 2005 Menschen gefoltert. Als ob vor rund 70 Jahren nicht schon genug Menschen in diesen Gebieten gequält und ermordet wurden. Was hat unser "Freund" USA der polnischen Regierung dafür versprochen, dass sie bis heute dazu nicht viel zu sagen haben?

Dieser Beitrag wurde am 21.05.2015 10:44 Uhr bearbeitet.


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