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Wie Russland 1.000 Flugzeuge bis 2030 bauen will

Irkutsk MS-21
Irkutsk MS-21, © UAC

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MOSKAU - Die russische Luftfahrtindustrie geht in die Vollen - und treibt einen "beschleunigten Übergang zu heimischer Technologie" voran. Bis Ende 2030 will Russland nicht weniger als 1.036 neue Passagierflugzeuge bauen, dazu fast 800 Hubschrauber. Das Ziel ist klar: Unabhängigkeit vom Westen.

Juri Borissow gibt sich selbstbewusst. Ende 2030 werde der Anteil einheimischer Flugzeuge in den Flotten der russischen Airlines 81 Prozent betragen, so der stellvertretende Premierminister Russlands bei einem Treffen mit Kabinettskollegen am 27. Juni.

Um das zu schaffen, sollen die Flugzeugwerke des Landes in den kommenden acht Jahren 1.036 neue Airliner ausspucken, außerdem 764 neue Zivilhubschrauber sowie insgesamt fast 5.000 Motoren. Man werde auf diese Weise schrittweise die Jets von Airbus und Boeing auf dem heimischen Markt ersetzen und insbesondere die regionale Luftfahrt "praktisch von Grund auf neu schaffen", unterstrich Borissow.

Grundlage für dieses Großvorhaben ist ein gemeinsamer Plan der Regierung, in Auftrag gegeben von Präsident Putin persönlich und unterzeichnet von Premierminister Michail Mischustin. Dieser Plan sieht ab dem kommenden Jahr den schrittweisen Hochlauf der Produktion mehrerer neuer Flugzeugmuster vor.

Wilder Modellmix

Den Löwenanteil macht die Irkut MS-21 aus, von der nach erfolgreichem Austausch aller westlicher Komponenten bis 2030 insgesamt 270 Exemplare entstehen sollen - mit Beginn der Auslieferung von sechs Maschinen im Jahr 2024. Außerdem plant Russland mit 140 russifizierten Suchoi Superjet-New sowie je 70 Iljuschin Il-114-300 und Tupolew Tu-214.

Dazu kommen 140 Exemplare des noch in Entwicklung befindlichen Regional-Turboprops TWRS-44 "Ladoga", 178 bei Ural Works produzierte L-410 und 154 An-2-Nachfolger LMS-901 "Baikal". Den Rest bilden zwölf Großraum-Vierstrahler Iljuschin Il-96-300, deren Bau zwischen 2025 und 2030 geplant ist.

Bei der Hubschrauberfertigung soll der Schwerpunkt auf den neuesten Derivaten und Versionen des Evergreens Mi-8 liegen, von denen insgesamt 391 neue Exemplare eingeplant sind. Sie seien auf dem Markt besonders gefragt und lösen laut Plan die vor allem in Sibirien und Fernost mannigfach im Passagier- und Frachtdienst genutzten älteren Mi-8 ab. Dazu kommen 201 neue Ansat-Hubschrauber, 39 Mi-38, fünf Mi-26 und einige Kamow-Helikopter.

Importsubstitution

Das großangelegte Programm lässt sich der russische Staat nach offiziellen Angaben über 770 Milliarden Rubel (gut 14 Milliarden Euro) kosten. Mehr als 150 Milliarden davon sollen bereits bis Ende 2022 an die Industrie fließen. Im Zentrum steht, neben dem noch ausstehenden Start der Serienfertigung von Il-114-300, LMS-901 und TWRS-44, vor allem die "Importsubstitution" bei Superjet und MS-21.

Technisch sei diese bereits abgeschlossen, erklärte Vize-Premier Borissow. Inwiefern dies der Wahrheit entspricht, lässt sich schwer sagen. Allerdings lag der Anteil ausländischer Komponenten bislang bei beiden Programmen über 50 Prozent und umfasste insbesondere auch komplexe Bereiche wie Avionik oder Flugsteuerung, die sich nicht einfach so kopieren lassen.

Dennoch betonte Borissow, die neuen russischen Systeme "sollten importierten Analoga weder in Bezug auf Qualität noch auf technische Eigenschaften unterlegen sein."

"Staatliche Unterstützungsmaßnahmen"

Überdies geht der Vize-Regierungschef davon aus, dass der Serienbau der MS-21 ab 2029 den avisierten Ausstoß von jährlich 72 neuen Flugzeugen erreicht. Damit würden auch die Kosten pro Flugzeug weiter sinken – und zwar mit dem schrittweisen Hochlauf der Produktion zwischen 2026 und 2030 um jährlich zwei Prozent. Mit welchen Stückpreisen dabei kalkuliert wird, ist nicht bekannt.

Man werde jedoch "staatliche Unterstützungsmaßnahmen" fortsetzen, um "die finanzielle Attraktivität einheimischer Flugzeuge zu erhöhen" und insbesondere für russische Leasinggesellschaften die Kosten zu senken, so Borissow weiter. Gleichzeitig soll landesweit ein umfassendes Support-Netz für die neuen Muster aufgebaut werden, um im Alltag einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: Irkut | 03.07.2022 08:41

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Beitrag vom 04.07.2022 - 17:55 Uhr
Ach Quatsch - mach 10.000 Ptuin!
Beitrag vom 04.07.2022 - 06:31 Uhr
Aber kommt es darauf an? Die Russen sind immer schon gute Improvisations-Erfinder gewesen. Bedeutet also, dass man einige Maschinen auch in den nächsten Jahren als Teilespender braucht. Und wenn bis 2030 nur 150 Maschinen gebaut wurden, reicht das aus um die "ausfallenden" Ersatzteilspender zu ersetzen.

Natürlich kann man bei Systemkomponenten tauschen, zumal die bei den neuen Flotten noch ein langes Leben vor sich haben und wirklich sehr zuverlässig sind. Kritisch sind aber die Triebwerke, die haben mindestens auf den Disks ein sehr ernstzunehmendes cycle limit und ab und zu auch AD notes, die man nicht liegen lassen sollte. Danach müssen die Disks verschrottet werden. Da aber eher lange legs in Russland geflogen werden, dauert das noch ein paar Jahre, bis die dran sind. Danach ist dann aber zappenduster.
Beitrag vom 04.07.2022 - 06:15 Uhr
Alle Ziele sind unmöglich zu erreichen, das hat Russland bei viel kleineren Flugzeugprogrammen in den letzten 50 Jahren immer wieder eindrucksvoll bewiesen. Da eigentlich kein Technologiedruck wegen CO2 und Spritkosten besteht und Export egal ist, wäre es viel sinnvoller reichlich TU154 wieder aufzulegen, damit wenigstens ein Backbone da ist. Die MS21 wird in Stückzahlen nie in Serie gehen, die bräuchte auf der Systemseite ein komplettes Redesign, ohne dass es dafür das Know-how gibt. Flugzeuge sind wesentlich mehr als nur ein bisschen Blech und Triebwerke. Der Ansatz mit 12 Il-96 geht schon in die gleiche Richtung. Die sollen den Verkehr an den Pazifik sicherstellen, bisher 777 und 330. Investitionen in ein TGV-Netz wären vielleicht doch angebrachter. Ist aber fast genauso komplex.


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