Hat Deutschland "Flugscham"?
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November-Schock auf der Kurzstrecke

Lufthansa Airbus A320neo
Lufthansa Airbus A320neo, © Lufthansa

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FRANKFURT - Die allgegenwärtige Klimadiskussion scheint nun auch Spuren im deutschen Luftverkehr zu hinterlassen. Die Passagierzahlen an deutschen Flughäfen gehen zurück - vor allem auf der Kurzstrecke. Der Rückgang innerdeutscher Passagiere betrug im November beträchtliche 12 Prozent.

Die vom Flughafenverband ADV in dieser Woche vorgelegten Zahlen bedeuten die vierte monatliche Kontraktion und erinnern an den Trend in Schweden.

Die Deutsche Bahn hingegen vermeldet seit Jahren Rekorde im Fernverkehr und macht dem Flugzeug auch mit der neuen Schnellstrecke Berlin-München mehr Konkurrenz.

Flugscham dürfte dabei eine Rolle spielen. Extreme Wetterlagen - die Hitzewelle und das Niedrigwasser vieler Flüsse im Jahr 2018 sowie Temperaturrekorde und Waldbrände diesen Sommer - haben vor allem den Deutschen den Klimawandel zunehmend greifbar gemacht.

"Für mich ist das der Beweis, dass sich die zunehmende Wahrnehmung des Klimawandels nun auch in den Entscheidungen der Konsumenten widerspiegelt,” so Stefan Goessling, Professor an der Linnaeus Universität in Schweden, der die ADV-Daten analysiert.

Er kommt zu dem Schluss, dass Sondereffekte wie die Pleiten einiger Fluggesellschaften, Streiks oder eine schwächelnde Konjunktur nicht alleine für den Rückgang verantwortlich sein können.

Laut ADV sind auch die Passagierzahlen innerhalb Europas rückläufig, allerdings nicht so dramatisch. Das könnte sich mit der erheblich größeren Mühe erklären, die Reisende aufbringen müssen für Reisen zu Zielen, die deutlich über vier Stunden entfernt sind. Im Interkontinentalverkehr, wo Straßen, Schienen oder Schiffe als Alternative nicht praktikabel sind, sind die Passagierzahlen im November weiter gestiegen - wie jeden Monat seit Januar.

In Schweden hatte Flughafenbetreiber Swedavia im April den siebten Monat in Folge Passagierrückgänge vermeldet - zeitgleich gab es Rekordzahlen bei der schwedischen Eisenbahn. Laut jüngsten Daten gingen die Passagierzahlen in den ersten neun Monaten in Schweden um 4,2 Prozent zurück.

Das Unternehmen benannte die Klimadiskussion klar als Schuldigen, zusammen mit Konjunktursorgen und der Schwäche der schwedischen Krone.

Die schwedische Fluglinie SAS beklagte im abgelaufenen Fiskaljahr 1,1 Prozent weniger Passagiere. Für das gerade angelaufene Jahr wird eine Stagnation oder rückläufige Nachfrage erwartet. Bis 2030 will SAS Inlandsflüge nur noch mit Biotreibstoff durchführen.

Der Luftverkehr steht in Deutschland unter Druck. Umweltschutz ist das wichtigste Anliegen der Wähler, so Wahlforscher Matthias Jung. Die Grünen liegen in Umfragen dieses Jahr dauerhaft über 20 Prozent als mittlerweile zweitstärkste Kraft im Land hinter Angela Merkels Christdemokraten.

Der ADV erklärt den Rückgang mit anderen Gründen: Eurowings hat Strecken gestrichen, die Lufthansa wurde bestreikt, Kapazität wurde aus dem Markt genommen. Auch Kepler Cheuvreux-Analystin Ruxandra Haradau-Döser sagt, Kapazitätskürzungen verzerrten das Bild und erhöhten die Ticketpreise. Daher sei es zu früh, Flugscham verantwortlich zu machen.

Prof. Goessling lässt die Einwände nicht gelten. Auch Konjunktursorgen taugten nicht als Erklärung: die Konsumausgaben steigen und das Verbrauchervertrauen ist weiterhin hoch.

Umweltschützer befeuern die Debatte derweil. Die Initiative "Deutschland fliegt nicht” will im Februar versuchen, den innerdeutschen Flugverkehr durch freiwilligen Verzicht für eine Woche quasi lahmzulegen.

Airlines droht Kerosinsteuer

Die Deutsche Bahn strebt derweil im Fernverkehr 260 Million Passagiere pro Jahr bis 2040 an, fast doppelt so viele wie 2015 - und investiert entsprechend. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Fernverkehrtickets gibt die Bahn als Preisnachlass von durchschnittlich 10 Prozent weiter - allein das soll pro Jahr 5 Millionen zusätzliche Kunden auf der Fernstrecke bringen.

Die UBS schrieb letzten Monat, Europa stünde womöglich "an der Schwelle einer Renaissance von Hochgeschwindigkeitszügen.” Deregulierungen im Fernverkehr könnten den Service verbessern und die Preise fallen lassen.

Die Europäische Union plant trotz Gegenwehr der Luftfahrtbranche eine Kerosinsteuer. Flugverkehr ist derzeit zwar nur für etwa 2,5 Prozent des weltweiten CO2-Austoßes verantwortlich. Die Vereinten Nationen schätzen allerdings, dass die Branche in drei Jahrzehnten der größte Verschmutzer weltweit werden könnte.

Alexandre de Juniac, Chef des Branchenverbandes IATA, sagte bereits letzten Monat in Berlin, er rechne mit zunehmendem Gegenwind für seine Branche.
© aero.de, Bloomberg News | Abb.: Lufthansa | 21.12.2019 09:14

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Beitrag vom 23.12.2019 - 15:14 Uhr
Zudem hat der Bereich Aviation einen der lagsamsten Innovationszyklen aller Branchen weltweit, was ja gute Gründe hat, wie zB Sicherheit und die Enbindung in ein globales Verkehrsnetz.

Aber für fast alle anderen Branchen gibt es theoretisch mehr oder weniger gut funktionierende Alternativen auf regenerativer Basis und zB Wasserstoff als Träger. Bis 2050 lässt sich da viel umsetzen. Im Luftverkehr fehlen bislang sogar die Ansätze.

Oh Gott, lass Hirn regnen!

...und wenn Du schon dabei bist, bitte auch etwas gutes Benehmen, danke.


Langsame Innovationszyklen - einverstanden, wegen weitaus umfaenglicherer Tests und Zertifizierungsverfahren als anderswo. Dann jedoch mit riesigen Spruengen! Der A320neo verbraucht 25% weniger Sprit und CO2 als sein Vorgaenger.

 https://www.lufthansagroup.com/de/themen/airbus-a320neo.html

Laut LH sind es 15% weniger als ein alter a320, Erstflug 1987.
Also 15% weniger Verbrauch in 30 Jahren.

Welches KFZ schafft solche Werte, auch trotz schnelleren Innovationszyklus? Unter dem Strich entwickelt sich in der Luftfahrt nichts langsamer als woanders.

Doch sicher, denn kein KFZ bleibt 30 Jahre im Dienst.
Die Flugzeuge die heute gebaut werden, fliegen vermutlich auch 2050 noch.

Zuammenfassung: Wenig Innovation und die auch gestreckt auf lange Zeiträume.

Wer oder was (ausser der ISS) benutzt heutzutage Wasserstoff?

Bei Bussen zB ist Wasserstoff eine ganz gute Alternative zur Batterie.

Die Technik waere ideal, wenn da nicht der hohe Aufwand zur Produktion waere.

Die Elektrolyse?

Ich bezweifle jedoch, dass der schlechter waere als die gesamte Wertschoepfungskette von elektrischer Energie, auf der heutzutage alles basiert bzw. basieren soll - welch Unsinn, wenn 9 der 10 europaeischen Top CO2- Verursacher Kohlekraftwerke sind!

Bin nicht ganz sicher, was Sie hier ausdrücken wollten , aber der Punkt ist: Die Strom-Produkton bekommt man CO2 frei, wenn man es drauf anlegt. Das Fliegen eben nicht.

Womit ich gleich zum letzten Punkt komme, "der Luftfahrt fehle es an Ansaetzen": seit Jahren versucht die Branche hinsichtlich Sustainable Aviation Fuel Fortschritte zu machen

Ausser ein paar Feigenblatt-Projekten gibt es da eher nix.
Der Automobil-Industrie kann man ja viel nachsagen. Aber immerhin kann man elektrische KFZ kaufen.

und die Potentiale hier sind so immens, dass die Luftfahrt bei entsprechendem Angebot ganze Jahrzehnte CO2-neutral wachsen koennte. Warum ist die Branche nicht so weit?

Weil es Wunschdenken ist, 80% der deutschen Bio-Produktion auf Diesel-Raps umzustellen oder mal eben die produzierte Stommenge für Power-to-Liquid zu vervierfachen - nur für Flüge ex Deutschland.

Weil vonseiten der (in diesem Fall deutschen) Regierung keine Unterstuetzung geleistet wird und man stattdessen mit den auf Fluegen erhobenen Gebuehren die Bahn quersubventioniert. Das ist die groesste Frechheit und wohlmoeglich bald auch ein riesen Problem fuer unser deutsch-amerikanisches Luftfahrtabkommen.

Ach - bei der Frage ist Deutschland plötzlich alleine relevant? Wo doch sonst immer darauf verwiesen wird, dass es völlig egal ist, was Deutschland zum Klima tut oder nicht ...

Auch der Autoverkehr haette hier uebrigens enorme Chancen (Synthetischer Treibstoff), die jedoch nicht wahrgenommen werden, weil Sprit nicht mehr in die Elektro-Ideologie unserer Politiker passt. Auch nicht, wenn die Infrastruktur dafuer bereits vorhanden ist (anders als E-Mobilitaet) und wir unsere Autos auf einen Schlag um 65% nachhaltiger betreiben koennten.

Denken Sie nochmal ueber Ihre Aussage nach!

Gleichfalls.
Und trotzdem schöne und nicht so aggessive Wehnachten :-)

Dieser Beitrag wurde am 23.12.2019 15:16 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 23.12.2019 - 13:40 Uhr
Der A320neo verbraucht 25% weniger Sprit und CO2 als sein Vorgaenger.

Super wäre es, wenn er 50 % mehr CO2 verbrauchen würde wie sein Vorgänger, das wäre ein echter Kassenschlager!

Aber ich glaube, auf dieses Nivau muss man sich in der Klimadebatte gewöhnen...


Die meisten wissen was er meint. Selbst Herr Diess von VW hat kürzlich vom CO2 Verbrauch gesprochen, so wie viele Politiker , bei denen bin ich mir aber nicht sicher ob sie den Unterschied kennen.
Beitrag vom 23.12.2019 - 13:37 Uhr
Mr Henry 20

Ich bezweifle jedoch, dass der schlechter waere als die gesamte Wertschoepfungskette von elektrischer Energie, auf der heutzutage alles basiert bzw. basieren soll - welch Unsinn, wenn 9 der 10 europaeischen Top CO2- Verursacher Kohlekraftwerke sind!

Dieser Satz ist falsch, es muss richtig heissen: ...wenn 9 oder 10 der europäischen Top CO2 Verursacher BEI DER STROMPRODUKTION Kohlekraftwerke sind. Denn nur rd. 20 bis 25 % der CO2 Emission fällt bei der Stromproduktion an.


Auch der Autoverkehr haette hier uebrigens enorme Chancen (Synthetischer Treibstoff), die jedoch nicht wahrgenommen werden, weil Sprit nicht mehr in die Elektro-Ideologie unserer Politiker passt. Auch nicht, wenn die Infrastruktur dafuer bereits vorhanden ist (anders als E-Mobilitaet) und wir unsere Autos auf einen Schlag um 65% nachhaltiger betreiben koennten.

Richtig, hier link dazu:
 https://www.focus.de/auto/news/care-diesel-medienbericht-behoerden-lassen-sauberen-diesel-nicht-zu_id_11309187.html

Wir sollten alle mal unsere Bundestagsabgeordneten fragen warum man so einseitig auf Akkus setzt. Es werden in 20 Jahren noch genügend Diesel fahren für die ein solcher Kraftstoff die Umweltbelastung vermindert - oder man macht daraus Kerosin dann sind wir auch wieder beim Thema.


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