Lufthansa und Piloten
Älter als 7 Tage

Gefangen in Mario Draghis Pensions-Zwickmühle

FRANKFURT - Die Idee war gut - außerhalb des thematisch engeren Korsetts von Tarifverhandlungen loteten Piloten und Manager die letzten Monaten eine Lösung bei Lufthansa aus. Am Freitag riss der Gesprächsfaden ab - die Piloten sehen zu wenig Entgegenkommen des Konzerns.

Hinsichtlich des von Lufthansa gekündigten Tarifvertrags zur Übergangsversorgung und der Betriebsrenten gehen die Vorstellungen immer noch auseinander - dabei wären diese zentralen Konfliktfelder unter anderen geldpolitischen Rahmenbedigungen vielleicht schnell vom Tisch gewesen.

Mario Draghi war zwar bei keinem Treffen von Konzern und Piloten persönlich anwesend, irgendwie war der Präsident der Europäischen Zentralbank aber doch immer im Raum. Zu den unbeabsichtigten Opfern von Draghis Bemühungen, die Konjunktur im Euroraum zu stärken, zählen Unternehmen, deren Pensionslücken steigen.

Lufthansa ist ein Paradebeispiel.

Die von der Europäischen Zentralbank geförderten rekordniedrigen Zinsen erschweren es den Firmen wie Lufthansa, angemessene Pensionsrückstellungen für ihre Betriebsrentner zu bilden. Zudem werden potenziell Investitionen und Dividendenzahlungen der Unternehmen gefährdet.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr
Lufthansa-Chef Carsten Spohr, © Ingo Lang

Der Börse ist das bereits aufgefallen: Ein Index von Citigroup, der die Unternehmen mit den größten Pensionslücken abbildet, hinkt seit seiner Auflegung Anfang 2014 dem Benchmarkindex Stoxx Europe 600 um 14 Prozent hinterher.

"Das ist ein enormes Problem", sagt Alexander Altmann, Direktor im Bereich Strategie Aktienhandel bei Citigroup in New York. "So kann es nicht bleiben. Die Pensionsrückstellungen müssen gestärkt werden, und das wird unvermeidlich am Cashflow der Unternehmen zehren, was die Möglichkeiten für Investitionen oder Erträge für Aktionäre belastet."

Lufthansa ist besonders stark betroffen. Auch Carsten Spohr kann jeden Euro zur einmal ausgeben und muss sich entscheiden, wie abflauende Gewinne in den nächsten Jahren auf Angestellte, Aktionäre und Investitionen verteilt werden.

Lockere Geldpolitik gefährdert Renditen

Lufthansa hatte im vergangenen Monat betont, dass es notwendig sei, ihre Pensionsverpflichtungen zu ermäßigen. Die Anleihekaufprogramme von Draghi tragen dazu bei, dass die Renditen sinken, die Anlageerträge zumeist zurückgehen und die Unternehmen höhere Pensionsrückstellungen bilden müssen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.

Der Index von Citigroup der europäischen Unternehmen bildet 13 Aktien mit den größten Pensionsverpflichtungen und -lücken in Prozent des Marktwerts ab. Der Index startete erst 2014, aber Altmann zufolge hatten seine Mitglieder 2013 den Stoxx 600 übertroffen als die Bondrenditen stiegen. 2015, als Draghi mit seinem Anleihenkaufprogramm begann, blieb die Gruppe elf Prozent hinter der Benchmark zurück.

In Ländern wie Deutschland, wo die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen in diesem Jahr negativ wurde, beginnen die Pensionslücken bereits weh zu tun. Neben Lufthansa hat auch E.ON einen Anstieg der Pensionsrückstellungen berichtet, und der Vorstandsvorsitzende äußerte sich im August kritisch zur Politik der EZB.

Die Commerzbank wies im Juli eine niedrigere Eigenkapitalquote vor, was nach Angaben der Bank unter anderem auch die höheren Pensionsverpflichtungen widerspiegelte. Die Aktienkurse sind in diesem Jahr um mehr als 13 Prozent gesunken.

Steigende Zahlungsverpflichtungen der Unternehmen

Der deutsche Pensionspool zählt zu den größten unter den europäischen Ländern, und die Zahlungsverpflichtungen sind ein wachsendes Problem, wie Norman Dreger, Leiter der Multi Client Group von Mercer in Mitteleuropa erklärt. Daten der Beratungsgesellschaft bis Ende Juli dieses Jahres zeigen, dass das Verhältnis von Deckung zu Zahlungsverpflichtung bei den Unternehmen im Dax-Index 2016 das niedrigste seit mindestens einem Jahrzehnt werden dürfte.

"Mit den steigenden Verpflichtungen sinkt das Eigenkapital der Unternehmen und das hat ungünstige Auswirkungen auf die wichtigsten Kennzahlen", sagt Dreger im Telefoninterview mit Bloomberg aus Frankfurt. "Aktienanalysten oder Ratingagenturen dürften einen ungünstigeren Eindruck von dem Unternehmen gewinnen, was sich dann potenziell in den Finanzierungskosten der Firma niederschlägt, der Bewertung oder dem Aktienkurs. Das kann nicht ignoriert werden."

So sagt beispielsweise Guillermo Hernandez Sampere, Leiter des Handels bei MPPM EK im hessischen Eppstein, er achte bei der Aktienauswahl seit Kurzem mehr auf die Pensionsdefizite. Und John Hatchett, Leiter Corporate Consulting bei Hymans Robertson, berichtet, dass die Klienten in den letzten Monaten mehr Fragen von Investoren zum Stand ihrer Pensionspläne erhalten hätten.

"Das erhält in unseren Tabellen-Modellen definitiv mehr Aufmerksamkeit", sagt Hernandez Sampere. "In der Vergangenheit haben wir bei Gesprächen mit Unternehmen dazu kaum Fragen gestellt. Aber jetzt fragen wir spezifisch, ob ein Unternehmen einen Pensionsfonds hat."

Größere Risiken aus ungedeckten Pensionsverpflichtungen erfordern die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden, wenn Profitabilität und Kapitalniveaus gefährdet sind, hieß es in einer Erklärung des Joint Committee of the European Supervisory Authorities vom 7. September.

Pensionen in Gefahr

Dem Bericht der Aufseher zufolge waren Ende 2014 nur 75 Prozent der Defined-Benefit Pensionspläne in der Europäischen Union gedeckt. Bloomberg Intelligence geht davon aus, dass sich viele Pensionspläne seither noch verschlechtert haben.

"Es gibt mehr als nebensächliche Belege, dass dies bei einer Reihe von Unternehmen in Europa zu einem Problem wird", sagt Altman. "Ihre Bereitschaft zu Dividendenerhöhungen wird begrenzter sein, und es wird ihnen schwer fallen, Überschuss-Liquidität zu generieren - was beides die favorisierten Strategien unter Investoren in den letzten Jahren waren."
© Bloomberg News, aero.de | Abb.: Lufthansa | 17.09.2016 08:57

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Beitrag vom 20.09.2016 - 18:34 Uhr

Das Geld bleibt "in der Firma" (im Gegensatz zu externen Versicherungsanbietern), allerdings muß die Firma auch dafür gerade stehen (in Form von Rückstellungen, weil gesetzlich vor Insolvenz geschützt).

Es gibt in Deutschland keinen gesetzlichen Schutz der Rückstellungen vor Insolvenz. Was es aber gibt, ist die Pflicht die Verpflichtungen beim Pensionssicherungsverein zu versichern.

Den Rest lass ich mal umkommentiert, da ist aber auch einiges ziemlich unscharf

Bitte, schärfen sie doch, dann kann ich noch was lernen;-)
Das mit dem Sicherungsverein musste ich auch erst einmal nachlesen..
Es gibt also eine Verpflichtung zu Rückstellungen und die Verpflichtung zur Versicherung gegen Insolvenz?
Zwei unterschiedliche Probleme...
Beitrag vom 20.09.2016 - 18:30 Uhr

Das Problem hat was mit Finanzmathematik zu tun. Die Lufthansa war etwa gezwungen den Rechnungszins von Ende 2015 zum Halbjahresende 2016 von 2,8% auf 1,6% p.a. zu senken. Dadurch ist die Eigenkapitalquote im Konzern innerhalb von 6 Monaten von 18,0% auf 10,4% gefallen. Das ist ein heftiger Effekt. Wie GPower schon geschrieben hat, kann die Swiss keine hohen Pensionsverpflichtungen haben, da die durch die Insolvenz weggefallen sind. Das ist auch bei den Amis so (da gehören deswegen den Pensionskassen auch große Teile der eigenen Airline). Zudem weiss ich nicht, ob und in welcher Höhe Swiss Mitarbeiter Betriebsrenten bekommen. Ich denke mal nicht, dass die vielgepriesene EasyJet eine betriebliche Altersvorsorge hat.

Das alles führt eben dazu, dass die LH sich von einer Altersvorsorge, die eine bestimmte Rentenhöhe garantiert, verabschieden will und nur noch einen monatlichen AG Beitrag zur Zusatzabsicherung tarifieren möchte. Also ich kann das nachvollziehen

Natürlich kann man das nachvollziehen!! Das hat bislang niemand bestritten. Es geht darum, dass wenn man etwas ändern möchte, in aller Regel etwas anderes dafür hergeben muss... Das möchte die LH aber eben nicht;-)

P.S. Nur um mal ne Größenordnung zu geben. Vom 31.12.2015 bis 30.06.2016 sind die Pensionsrückstellungen im Konzern von € 6,6 Mrd auf € 10,8 Mrd angestiegen. Das dürfte zum größten Teil auf den Rechnungszins zurückzuführen sein. € 4,2 Mrd in einem Halbjahr, kann kein Unternehmen dieser Größe erwirtschaften

Das muss ja auch kein Unternehmen;-)
Es bescheidene daran ist, dass sie zur Zeit auch auf Grund der geringen Zinsen so volatil sind.. Das Jahr davor sind die Rückstellungen von 7,2Mrd auf 6,6Mrd gefallen. So schnell kann auch kein Unternehmen 600 Mio erwirtschaften;-) Es hat doch hauptsächlich Folgen für die Bewertung des Unternehmen und damit die Kreditwürdigkeit...
Und selbst mit diesen bescheidenen Zahlen konnte Lh doch gerade 500Mio ziemlich gut platzieren..
Beitrag vom 20.09.2016 - 16:30 Uhr
@digiflieger
Sorry, ich meine Kabine. Zur Entwicklung Cockpit kann ich nichts sagen. Wann und wie das umgestellt wurde weiß ich nicht. Aber das der AN hier keinen Beitrag leistet erscheint mir zweifelhaft, aber mag ja sein. Früher wurde 6% eingezahlt, 4 von mir und 2 von LH. Das habe ich bis zuletzt, Feb2015, auch gezahlt. LH garantiert meine ÜV und wenn die Zinsen nicht reichen zahlen sie zu. Da dies berechenbare Zahlungsverpflichtungen sind muss es Rückstellungen geben wenn sie nicht erzinst werden können. Bei der Kabine wurde durch die Umstellung der AV ÜV soweit ich mich erinnere 300Mio im Jahr gespart. Da in der Bilanz hier nicht getrennt wird werden wir die Zahlen und Hintergründe nicht belegen können.


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