Community / Allgemeines aus der Luftfahrtbranche / Wie eben ist ein Flughafen?

Beitrag 16 - 30 von 35
Beitrag vom 23.08.2018 - 21:25 Uhr
Usera-330
User (183 Beiträge)
Hier noch ein Beispiel mit tief hängenden Triebwerken - eine 757

 https://www.youtube.com/watch?time_continue=77&v=lqZ83gJc7DE
Beitrag vom 24.08.2018 - 09:52 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Hier noch ein Beispiel mit tief hängenden Triebwerken - eine 757

 https://www.youtube.com/watch?time_continue=77&v=lqZ83gJc7DE

Schön, das da zwei ihre Job los werden wollen denn im FCOM der B757/767 Volume 1 Chapter l.10.9 steht ganz klar

Reverse Thrust
# Reverse thrust is for ground use only.
# Backing of the airplane with the use of reverse thrust is prohibited.

 http://www.aviationforall.com/wp-content/uploads/2016/09/Boeing-757-and-767-Operations-Manual-Volume-1.pdf

und im FCOM Chapter 3.01.70 aller Airbus Modelle steht Zitat:

Backing the Aircraft with reverse thrust is not permitted.

Zitat Ende

Also "prohibited" und "not permitted" sind eigentlich ganz eindeutige, leicht zu verstehende und unmissverständliche Aussagen und ein Verstoß führt auch immer zu einer Untersuchung. Zu Recht nach meiner Meinung. Der Rest ist dann Spinnerei von Computer Sim Piloten.



Dieser Beitrag wurde am 24.08.2018 09:54 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 24.08.2018 - 11:48 Uhr
Usermarbu
User (285 Beiträge)
Der Rest ist dann Spinnerei von Computer Sim Piloten.



Besser hätte man es nicht ausdrücken können! Einige Leute verbringen halt einfach zu viel Zeit vor YouTube / dem Computer
Beitrag vom 24.08.2018 - 13:01 Uhr
Usernessie
User (674 Beiträge)
Jetzt hat mich das mal gereizt....

Also - nach FAA ist Powerback nach OPSCEP C065 auf einer individuellen Basis vom principal operations inspector zu genehmigen (Betreiber, Flugzeugtyp, Flughafen, Gate, anzuwendende Procedures usw.).

 http://fsims.faa.gov/wdocs/8900.1/v03%20tech%20admin/chapter%2018/03_018_005_chg_228a.htm


Bei EASA bin ich bei Basic Regulations und Accepted Modes of Compliance nicht fündig geworden. Sollte da jemand was wissen - gerne....

Interessant war aber ein type certificate für PowerJet S.A. SaM146 Triebwerke. Da ist per Type Certificate (Seite 9, Punkt 5) Powerback ausgeschlossen, außer man hat eine bestimmte Konfiguration

 https://www.easa.europa.eu/sites/default/files/dfu/EASA-TCDS-E.034_PowerJet_S.A._SaM_146_Series_engines-06-07112013_0.pdf

Demensprechend scheint Powerback also grundsätzlich möglich zu sein.

Und ohne Ihnen (Menschmeier) zu nahe treten zu wollen (ich schätze Ihre Kompetenz durchaus):

Wenn es Delta also Operater seinen Piloten intern verbietet bei B757/767 den Rückwärtsgang einzulegen, dass ist das für einen britisch zugelassenen TUI-Flieger (LfZ-Kennung ist im Video aber nicht gut zu erkennen) noch lange nicht verbindlich.

Aufgrund der Gefahr, dass aufgewirbelte Fremdkörper die Turbine beschädigen können ist es aber - da gebe ich ihnen recht - mehr als wahrscheinlich, dass der EASA-Regularien unterliegende Betreiber das intern verboten hat (falls es nicht sogar ein EASA-Verbot, z.B. nach TC für die Triebwerke) gibt.
Beitrag vom 24.08.2018 - 13:18 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Sie haben das alles sehr gut recherchiert. Nur haben Sie übersehen, dass das FCOM immer vom Hersteller geschrieben wird. Das wird je nach Konfiguration auf die entsprechende Airline angepasst, daher die entsprechenden Airline Logos, sie können den Ersteller in den Ansprechpartnern sehen, da steht immer die Herstelleradressen/Telefonnummern drin. Es ist also nicht Delta oder United, die das verbieten, sondern Boeing oder Airbus.

Sie können sich jedes FCOM für Airbus nehmen, dass sie finden können. Schlagen Sie gern das genannte Kapitel nach, da steht immer der gleiche Satz.

Ich habe nicht auf soviele Ausgaben von Boeing Zugriff, aber ich wette mal, das wird dort auch so sein. Bei den 15 FCOMs von verschiedenen Airlines und Typen A320, A330/340 und A380 untersagt Airbus das generell. Und zwar genau wegen dem Risikos des Überkippens was eine unzulässige Gefährdung der Passagiere darstellt.

Dass sie im TC des Triebwerks nichts finden ist eigentlich logisch. Die Schubumkehr gehört zu den Nacelles und nicht dem Triebwerk an sich. Und diese sind vom TC des Motors nicht eingeschlossen. Sie gehören zum TC des Flugzeuges.

Vg und schönes Wochenende.
Beitrag vom 24.08.2018 - 14:56 Uhr
UserA320Fam
User (1735 Beiträge)
Unabhängig zu dem was @Menschmeier logisch und nachvollziehbar beschreibt, sollte auch noch ein gewisses Stall-Risiko vorhanden sein, da beim Rückwärtsrollen keine ideale Anströming gewährleistet ist, zumal im Unterschied zum Truck-Pushback die Trievwerksdrehzahl auch stärker erhöht werden muss. Was zu dem auch schon erwähnten Anstieg des Riskos von Fremdkörper-Ansaugung.

Ausserdem denke ich bezogen auf das zitierte Video,dass es sich hier nicht um die Durchführung eines regulären, genehmigten Pushback handelt. Die Crew hat sich schlicht und ergreifend verschätzt und die Kurve in den Abrollweg nicht gekriegt. Und das nun auf die sichtbare Art korrigiert. Wenn man bedenkt, dass das nach der Landung durchgeführt wird, mit fast leeren Tanks (Thema Schwerpunkt/erhöhte Kippgefahr) eigentlich unverantwortlich.
Da das ganze aber unverzüglich geschah, also ohne längere Denkpause, gehe ich davon aus, das zumindest jener PF Routine darin zu haben scheint. Und nochmal erschreckend, wenn es so wäre.
Beitrag vom 24.08.2018 - 17:34 Uhr
Usernessie
User (674 Beiträge)
@menschmeier:
Ok - wenn FCOMs flächenddeckend das Powerback-Verbot drinnen haben, ist das natürlich insofern "authorative", dass das in der Praxis nicht vorkommen wird. Gibt ja auch genügend Gründe, warum die Operators das nicht drinnen haben wollen.

Interessieren würde mich trotzdem, auf welcher Rechtsgrundlage mir die EASA/Boeing/Airbus mir das verbieten würde/könnte, wenn ich als Airline explizit nach nem FCOM mit powerback procedures fragen würde. Da bin ich noch nicht so recht fündig geworden, nach EASA.

Nach FAA ist es klar - der POI sagt nach Rücksprache mit Boing "unsafe" und stellt keine Genehmigung aus. Ohne Genehmigung darf ich es nach OPSCEC C065 nicht durchführen. Logische Rechtsfolgekette.

@A320Fam:
Dass das Rollmanöver mit ner B757 nicht unbedingt übermäßig safe war, ist unbestritten. Ich denke auch, dass die den Taxiway verpasst hatten. Und dass die Jungs das Manöver durchgeführt haben, obwohl dank Smartphone heutzutage eigentlich jeder Rollmeter dokumentiert wird, ist umso verwunderlicher - spricht für Routine (wie Sie ja schon vermuteten).

Wobei die Routine ja nicht zwangsweise bedenklich sein muss. Die kann (nicht muss) ja von einem für Powerback zugelassenen Flugzeug kommen. ATR-42 und ATR-72 scheinen das ja regelmäßig und legal durchzuführen; auch unter EASA. Bedenklich ist dann "nur" noch, dass der PF vergisst, dass er nen anderen Flugzeugtyp fliegt. Da kann man sich fragen, was besser ist.
Beitrag vom 24.08.2018 - 18:29 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Wenn der Hersteller eine backing untersagt dann hat er dafür seine Gründe. Hier das Überkippen, Lärmvermeidung und Emissionsvermeidung kommen aus den Prinzipien zur Luftfahrt der Easa noch hinzu.

Das ist mehr als ausreichend. Zunal die FAA das begründet und solche Aussagen übernommen werden.

Vielleicht habe ich mal Zeit und finde fie explizite Vorschrift noch.

Aber ein Verbot des Herstellers in einem von der Behörde zertifizierten Dokument ist bindend und ausreichend

Beitrag vom 24.08.2018 - 18:36 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Dazu kommt, juristisch betrachtet die umgekehrte Beweislast und damit verbunden die ständige Verantwortlichkeit der Hersteller für die Flugzeuge. Und genau deswegen kann der Hersteller gewisse Nutzungen untersagen, wenn er diese als nicht sicher erachtet, sein Flugzeug aber den Herstellungs bzw Entwicklungsvorschriften entspricht. Denn würde er es nicht tun, haftet er für etwaige Schäden.
Beitrag vom 24.08.2018 - 19:10 Uhr
Usernessie
User (674 Beiträge)
@menschmeier:

OK. Wenn Airbus/Boing von sich aus sagen, dass das Powerback "außerhalb der design limits" ist, sehe ich das ein, dass das verboten ist. Sagt man, dass eine Tragflächenlast von -0,5 g nicht überschritten werden darf, ist der Rückenflug ja auch per se ausgeschlossen (von anderen Konstruktionsdefiziten mal abgesehen).

Zur umgekehrten Beweislast aber - ganz ohne Gehässigkeit - ein extremes Beispiel:

Wenn Diamond Aircraft die Verwendung des Propellers einer DA-40 zum Gurkenschneiden nicht untersagt, und jemand hackt sich bei dem Versuch die Hand ab - ist dann Diamond Aircraft in der Haftung? Ich denke nein.

Umgekehrte Beweislast kann also nur für Dinge gelten, die man üblicherweise/realistischerweise mit einem Flugzeug macht. Dann wäre also für mich die Frage offen, ob Powerback als übliche Nutzung eines Flugzeugs gilt, und wo das geregelt ist. Mit den Aussage, "Was für Flugzeuge üblich ist, bei einem konkreten Luftfahrzeugmuster aber nicht geht, muss verboten werden, sonst Haftung" und "was für ein Flugzeug unüblich ist, muss einzeln genehmigt werden, sonst verboten" (FAA-Herangehensweise nach opspec C065) könnte ich mich anfreunden.

Würde mich freuen, wenn Sie zu dem angerissenen Themenkomplex noch was finden würden.

Und nicht zu vergessen - danke für die interessante Diskussion.
Beitrag vom 25.08.2018 - 10:36 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
@menschmeier:

OK. Wenn Airbus/Boing von sich aus sagen, dass das Powerback "außerhalb der design limits" ist, sehe ich das ein, dass das verboten ist. Sagt man, dass eine Tragflächenlast von -0,5 g nicht überschritten werden darf, ist der Rückenflug ja auch per se ausgeschlossen (von anderen Konstruktionsdefiziten mal abgesehen).

Zur umgekehrten Beweislast aber - ganz ohne Gehässigkeit - ein extremes Beispiel:

Wenn Diamond Aircraft die Verwendung des Propellers einer DA-40 zum Gurkenschneiden nicht untersagt, und jemand hackt sich bei dem Versuch die Hand ab - ist dann Diamond Aircraft in der Haftung? Ich denke nein.

Umgekehrte Beweislast kann also nur für Dinge gelten, die man üblicherweise/realistischerweise mit einem Flugzeug macht. Dann wäre also für mich die Frage offen, ob Powerback als übliche Nutzung eines Flugzeugs gilt, und wo das geregelt ist. Mit den Aussage, "Was für Flugzeuge üblich ist, bei einem konkreten Luftfahrzeugmuster aber nicht geht, muss verboten werden, sonst Haftung" und "was für ein Flugzeug unüblich ist, muss einzeln genehmigt werden, sonst verboten" (FAA-Herangehensweise nach opspec C065) könnte ich mich anfreunden.

Würde mich freuen, wenn Sie zu dem angerissenen Themenkomplex noch was finden würden.

Und nicht zu vergessen - danke für die interessante Diskussion.

Hallo Nessie, die umgekehrte Beweislast schließt offensichtliche Fehlnutzungen natürlich nicht ein, wie bsp Gurkenschneiden mit dem Propeller. Aber da es Flugzeuge gibt, die ein Zurückrollen mit Schubumkehr erlauben. (Vorallem in der Militärfliegerei und aber auch in Russland) ist dies ja keine offensichtliche Fehlnutzung, sondern eine die man schon explizit ausschließen muss, weil man eben sonst haftbar sein könnte.

Ich habe im Übrigen schoneinmal ein Memorandum zum Certification von Schubumkehr und Motoren gefunden.

 https://www.easa.europa.eu/sites/default/files/dfu/certification-docs-certification-memorandum-'final'-EASA-CM-PIFS-002-Issue-01_Approval-of-Engine-Use-with-a-Thrust-Reverser_PUBL.pdf

Des weiteren habe ich mir mal die Nutzungsordnungen verschiedener deutscher Flughäfen angesehen, da sagt z.B.: Der Flughafen Düsseldorf.

Flughafenbenutzungsordnung FBO 2017
Seite 18/103

2.3 Vorfeld
2.3.1
Luftfahrzeuge dürfen bei Nutzung von Nose- In- Positionen nur mit Schlepp- bzw. Pusher- Hilfe die Standposition verlassen. Die Verwendung von Schubumkehr
oder von Verstellerpropellern ist untersagt.

 https://www.dus.com/~/media/fdg/dus_com/businesspartner/aviation/flughafenbenutzungsordnung/fbo_de_01012018.pdf

Auch das ist begründet aus Lärm, Sicherheits- und Umweltschutzgründen.

Die Flughäfen Frankfurt, München, Hamburg und Berlin sagen das gleiche. Weiter habe ich dann nicht geschaut.

Dieser Beitrag wurde am 25.08.2018 10:42 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 25.08.2018 - 11:33 Uhr
Userfbwlaie
User (4891 Beiträge)
Die Einschränkungen beziehen sich auf das Vorfeld für alle Flugzeuge.
Am Ende der Landebahn wäre die Nutzung jedoch in DUS erlaubt?
Das Video zeigt doch den Konflikt für die Besatzung (und den Turm): 50 m mit eigener Kraft zurückrollen oder die Piste (den Rollweg) sperren, bis ein pusher das Flugzeug in die richtige Position gebrachtz hat? Wieviel Zeit würde auf der Nordbahn in Frankfurt vergehen, bis ein Flugzeug entsprechend positioniert ist?
Entscheident ist wohl was der Hersteller des Flugzeuges bzw. der Motoren dazu sagt.
Falls der Motor gemietet oder geleast ist bzw. bestimmte Garantien gemacht worden sind, könnte die Nutzung des Umkehrschubes eingeschränkt sein.
Beitrag vom 25.08.2018 - 13:04 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Die Einschränkungen beziehen sich auf das Vorfeld für alle Flugzeuge.
Am Ende der Landebahn wäre die Nutzung jedoch in DUS erlaubt?

Jetzt wird es langsam abstrus.

Wenn Sie sich die Sicherheitsvorschriften für Vorfelder, Rollbahnen und das Landebahnsystem durchlesen ist jegliches Rückwärtsfahren nur dann erlaubt, wenn es nicht vermieden werden kann. Daher sind die Pushback Trucks auch mit doppelten Führerständen oder drehbaren Führerständen ausgestattet, denn dann fahren die Fahrer nicht rückwärts. Das gilt für alle Fahrzeuge und somit auch Flugzeuge. Das Flugzeug wird zwar zurückgedrückt aber die Steuerung erfolgt ja vom Truck aus und der fährt ja vorwärts.

Desweiteren ist das Landebahnsystem Kontrollbereich der Flugsicherung, und diese legt eine Benutzungsrichtung fest, das bedeutet sie brauchen eine ausdrückliche Backtracking approved Anweisung um sich entgegen der festgelegten Richtung bewegen zu dürfen. Eigenmächtig dort zurückzurollen oder ähnliches führt zu teils drastischen Konsequenzen bis hin zum Gefängnisaufenthalt.

Also auf ihre Frage geantwortet. Das ist strengstens verboten.

Eigentlich kann man das ganze Zusammenfassen, in der Zivilfliegerei ist es bis auf ganz wenige Ausnahmen auf diversen Wegen (Hersteller/Flugsicherung und/oder Flughafenbetreiber) verboten, den Umkehrschub als Hilfe fürs Zurückrollen zu nutzen. Und diese Ausnahmen sind dann ganz detailiert beschrieben und limitiert.


Dieser Beitrag wurde am 25.08.2018 13:23 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 25.08.2018 - 14:40 Uhr
Userfbwlaie
User (4891 Beiträge)
Auf kontrollierten Flugplatzen in D müssen doch alle (Roll)bewegungen beantragt und freigegeben werden oder sie werden angewiesen.
In DUS darf gemäss FBO auf den Nose-in Postionen der Umkehrschub für Rollbewegungen nicht benutzt werden. Man muss dort den pushback Dienst nutzen
Aber sonst? Wenn keiner eine entsprechende Freigabe erteilt, darf typischerweise keiner mit eigener Kraft rückwärts rollen.

Wäre die Situation Griechenland eine solche Ausnahme?
Beitrag vom 25.08.2018 - 15:06 Uhr
Usermenschmeier
User (710 Beiträge)
Nein und zusätzlich auf dem Muster auch noch vom Hersteller verboten.