Beitrag vom 09.06.2022 - 08:31 Uhr
Wir hängen mal eben neue Triebwerke in 2 bestehende Muster, integrieren das alles irgendwie bis 2023 bekommen alle notwendigen Zulassungen und dann bauen wir davon aus dem Stand 100 Stück pro Jahr...
Also mit diesen herausragenden technischen Fähigkeiten müsste UAC seit Jahren Weltmarktführer, Boeing und Airbus dagegen schon lange pleite sein.
Beitrag vom 09.06.2022 - 10:49 Uhr
Die angestrebten Produktionsraten klingen jedenfalls bar jeglicher Fantasie, wenn man bedenkt wie viele Maschinen dort derzeit pro Jahr aus den Hallen rollen. Alleine die dafür notwendige Infrastruktur, Lieferkette und qualifiziertes Personal, die für solche Produktionsmengen notwendig sind, muss man erst mal bis dahin zur Verfügung haben.
Klingt unter dem Strich mal wieder nach russischer Staatspropaganda à la "wir haben alles im Griff und alles wird gut". Opium für das Volk quasi...
Beitrag vom 09.06.2022 - 11:05 Uhr
Logisch ist da viel "Zweckoptimismus" bei. Aber man sollte nicht unterschätzen, welche Kapazitäten in der Fertigung möglich sein können. Bisher lag die Auslieferungszahl nicht daran, dass man nicht schneller produzieren könne, sondern wurde über die zu erwartenden/erteilten Aufträge gestreckt. Was nutzt es alle Bestellungen binnen 1-2 Jahre abzuarbeiten und dann die Ingenieure damit zu beschäftigen, das Unkraut zwischen auf dem Vorfeld zu pflücken ...
Ich würde die russischen Flugzeugbauer nicht totsagen und auch nicht unterschätzen. Davon abgesehen, dass die russischen Triebwerke für SSJ schon in Planung waren, also hier geht es nicht um eine komplette Neuentwicklung auf dem weißen Blatt Papier.
Es wird sicherlich keine 100 Stück/Jahr im ersten Produktionsjahr werden, aber mit einem Vorlauf von 2-3 Jahren lassen sich auch genügend Arbeiter finden (das ist in Russland überhaupt kein Problem, die Arbeitslosenquote ist recht hoch). Also ja - schon ein wenig das Pfeiffen im Walde, denn was macht man bis Mitte 2023 oder 2024? Plus - wird dann nicht auch die Produktion nicht-ziviler Maschinen wichtiger aus Sicht ihres Landesfürsten? Die Lieferketten sind zwar nicht so divers und kleinteilig wie hierzulande. In Russland neigt man eher noch zur Produktion an einem Ort. Aber das Problem ist, dass viele Kernkompetenzen einer Branche in Großunternehmen eines Oligarchen gebündelt sind. Bedeutet also auch, dass sich gerade in Bereichen wie Triebwerkbau, Avionik etc. die zivile und militärische Entwicklung und Nutzung einige Ressourcen teilen müssen.
Beitrag vom 09.06.2022 - 11:11 Uhr
Wer hier glaubt, dass die notwendigen Teile dafür nicht da sein werden - insbesondere bei Instrumentierung und diverse Leichbauteilen sehe ich bei anhaltenden Sanktionen nur wenig Aussicht auf Fertigstellung hunderter moderne Flugzeuge.
Beitrag vom 09.06.2022 - 12:20 Uhr
Branchenübergreifend gilt: Die russische Industrie kann ohne ausländische Hilfe keine Serienfertigung. Daran hat sich in den letzten 30 Jahren absolut nichts verbessert.
Einzelstücke können die Ingenieure in höchster Qualität zusammenzimmern. Aber bei nur 30 Superjets im Jahre 2017 war man qualitativ schon völlig überfordert und mußte die Produktion drosseln. Von bisher 224 gefertigten Fliegern sind 66 geparkt oder zerlegt (= 30%). Viele Jets haben es wegen Fertigungsfehlern nicht einmal bis zum russischen Staats-Kunden geschafft; von Airlines ganz zu schweigen.
In Zukunft muß der Hersteller nun auch noch 27 West-Systeme (Triebwerke, Avionik etc.) durch lokale Entwicklungen ersetzen. Selbst 40 Superjet pro Jahr sind für die nächste Dekade eine völlige Illusion.
Übrigens meinte @ErichM spöttisch: "Wir hängen mal eben neue Triebwerke in 2 bestehende Muster,…".
Genau das haben die Russen ernsthaft mit der Turbo-Prop AN-70 (Düse dranhängen +fertig) den USA 2017 in der Tanker-Ausschreibung angeboten.
Gruß Gustl
Dieser Beitrag wurde am 09.06.2022 12:30 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 09.06.2022 - 12:47 Uhr
Branchenübergreifend gilt: Die russische Industrie kann ohne ausländische Hilfe keine Serienfertigung. Daran hat sich in den letzten 30 Jahren absolut nichts verbessert.
Du bringst es auf den Punkt ... aber was ist denn das Ziel?
Vor 30 (eher 35) Jahren gab es eine "funktionierende" Serienproduktion. Diese war aber nicht konkurrenzfähig gegen die westlichen Produktionsweisen (obwohl Personal nahezu nichts kostet). Die Konzentration der russischen Wirtschaft auf wenige Oligarchen und deren "Umgang mit Geld" hat die Situation nicht verbessert. Aktuell kann man getrost unterschreiben, dass der Zustand der Wirtschaft organisatorisch noch eher in einem schlechterem Verhältnis zum Rest der Welt steht, als es damals war.
Man darf aber bei allen Misständen ein paar Punkte nicht aus den Augen lassen:
Russland hat die Ressourcen. Man ist nicht darauf angewiesen Produkte oder Güter zu importieren, weil die Ressourcen sind im eigenen Land vorhanden. Die Frage ist aber eher - können sie das auch veredeln und in welchen Mengen.
Russland hat die Technologie. Auch ohne den Westen hat man die Ingenieure und die Wissensträger, die wissen, wie man mit den Ressourcen etwas anfangen kann. So werden schon seit Jahren eigene Chips hergestellt etc.
Russland ist erfinderisch. Wenn ein Mangel herrscht, wird dieser mitigiert. Da ja Technologie und Ressourcen da sind, kein Problem. Russland wird also nicht in der Lage zu sein Flugzeuge zu bauen, die mit Airbus und Boeing konkurrieren werden. Aber sie werden sehr wohl in der Lage sein, den Mangel im eigenen Land zu mitigieren. Und ob es am Ende wirklich 100 Flugzeuge pro Jahr oder 20 werden - das eine ist Zweckoptimismus, das andere dann die gelebte Realität. Aber darauf wird es nicht ankommen, denn man hat ja schon reagiert und erst einmal Puffer. Und je mehr "eigene" Maschinen gebaut wurden, um so mehr verlängert sich der eigene Puffer auch. Und wenn alle Stricke reissen ... es gibt dann schon Verordnungen und Inflation, die dann den Luftverkehr auf ein notwendiges Maß zusammen stauchen wird.
Beitrag vom 09.06.2022 - 13:01 Uhr
Machbarer wäre es zu versuchen alte Muster wie Tu-154, IL-96 erneut zu bauen, anstatt (noch) nicht beherrschte Technologie in Serie bauen zu wollen.
Die Frage der Konkurrenzfähigkeit stellt sich in diesem besonderen Fall nicht, sogar Exportkunden könnten damit gewonnen werden (Nord-Korea, Iran).
Beitrag vom 09.06.2022 - 22:06 Uhr
... bis 2023 bekommen alle notwendigen Zulassungen ...
Glauben Sie wirklich, das es bei den Zulassungen zu schwierigkeiten kommen wird? Es bleibt doch alles im Land, also sind Zulassungen wohl er nicht das Problem. Es wird Jahrzehnte dauern bis Russische Airlines wieder in Westlichen Ländern zu sehen sein werden und wenn dann nur mit Airbus und Boeing.
Beitrag vom 09.06.2022 - 23:03 Uhr
Übrigens meinte @ErichM spöttisch: "Wir hängen mal eben neue Triebwerke in 2 bestehende Muster,…".
Genau das haben die Russen ernsthaft mit der Turbo-Prop AN-70 (Düse dranhängen +fertig) den USA 2017 in der Tanker-Ausschreibung angeboten.
Ich will jetzt ja nichts sagen aber wieviele TW gabs alleine bei der 707 oder 747?
707: P&W JT3, P&W JT4, Rolls-Royce Conway dazu KC-135 CFM56
747: P&W JT9, GE CF6, RR RB211, PW4062, GEnx-2B
In diversion Versionen.
Nur weil es heute bei A und B nicht mehr üblich ist eine grosse Auswahl anzubieten gab es dennoch Zeiten wo TW verschiedenster Generationen und Hersteller üblich waren.
Aktuell ist Airbus sehr erfolgreich mit dem einfach "drunter hängen" ;-) Stw. NEO
Dieser Beitrag wurde am 09.06.2022 23:04 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 09.06.2022 - 23:35 Uhr
@Nur-Ein-Y-PAX,
Du kennst die US-Tanker-Geschichte wohl nicht:
Ohne große Vorarbeiten haben die Jungs binnen einiger Tage ein Ausschreibungsangebot alternativ zum A-330-MRTT erstellt und den Amis eingereicht, bei dem der viermotorige Turbop-Frachter AN-70 einfach 4 Düsen angehängt bekam. Auch das System für die Luftbetankung wurde gleichzeitig entwickelt. Ich spottete damals, daß es sich wohl um die Schläuche der Flughafenfeuer handeln werde.
Deshalb ist zu erwarten, daß man die 27 ausländischen Systeme der MS-21 und des Superjet in gleicher Manier – mit viel heißer Luft - nationalisieren will.
Gruß Gustl
Beitrag vom 10.06.2022 - 01:40 Uhr
@Nur-Ein-Y-PAX,
Du kennst die US-Tanker-Geschichte wohl nicht:
Nein das mit der AN70 kannte ich in der Tat noch nicht.
Ich bezog mich jedoch nicht explizit auf die AN70 sondern auf den Spruch "neue TW dranzuhängen".
Das wird ja heute von vielen Foristen als "unmöglich" dargestellt. Dabei ist es Jahrzehnte üblich gewesen neue TW dranzuhängen.
PS. Es gab da noch so ein Turbopro dem Düsen angehängt wurden. Do 328.
Dieser Beitrag wurde am 10.06.2022 01:54 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 10.06.2022 - 07:54 Uhr
Auch ohne den Westen hat man die Ingenieure und die Wissensträger, die wissen, wie man mit den Ressourcen etwas anfangen kann. So werden schon seit Jahren eigene Chips hergestellt etc.
"Hätte man die Ingenieure [...]" wäre glaube ich richtiger.
In Russland sind die Zeiten zurückgekehrt, in denen es wichtig ist, möglichst konform zu erscheinen und bloß nicht aufzufallen. Intelligenz, Wissen und eine unabhängige Denkweise bringen dem Einzelnen keinen Vorteil, sondern machen ihn eher verdächtig.
Linientrue und Patriotismus sind gefragt.
Wer sich abseits staatlicher Propaganda informiert, wird überwacht oder gleich verhaftet.
Das ist genau der gleiche Mechanismus der zwischen 1950 und 1989 die technische Entwicklung der Sowjetstaaten in der Breite abseits einiger speziell geförderter Spitzenleistungen massiv gebremst hat. Intelligent zu erscheinen, war oft gefährlich für den Einzelnen, denn es machte verdächtig und die Führung war auch damals paranoid.
Viel Spass damit, unter sochen Umständen vielen gute Ingenieure zu finden die komplexe High-Tech Systeme aus dem Stand entwickeln und in Serie bauen können.
Dieser Beitrag wurde am 10.06.2022 07:55 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 10.06.2022 - 08:17 Uhr
@Nur-Ein-Y-PAX,
Du kennst die US-Tanker-Geschichte wohl nicht:
Nein das mit der AN70 kannte ich in der Tat noch nicht.
Ich bezog mich jedoch nicht explizit auf die AN70 sondern auf den Spruch "neue TW dranzuhängen".
Das wird ja heute von vielen Foristen als "unmöglich" dargestellt. Dabei ist es Jahrzehnte üblich gewesen neue TW dranzuhängen.
PS. Es gab da noch so ein Turbopro dem Düsen angehängt wurden. Do 328.
Ich wollte auch gar nicht behaupten, das sei prinzipiell unmöglich.
Man kann da draussen prinzipiell alles dranhängen was genug Schub liefert und nicht zu schwer ist.
Mein Spruch vom Anfang bezog sich mehr auf den Zeitplan ("mal eben").
Man kann nicht (im Sinne von "keine Firma kann das") ein brandneues Triebwerk, das noch in der Entwicklung und Erprobung ist, in 6 Monaten in 2 Muster integrieren, die für andere Triebwerke vorgesehen waren (Steuerung, Sensoren, Integration in die Elektronik und Elektrik, Planung Test, Verifikation, ... ) und nach den 6 Monaten baut man pro Jahr 200 dieser Triebwerke und 100 Stück dieser Flugzeuge.
2-3 Jahre für die Fertigstellung des Triebwerks und die Integration und dann ein Produktionshochlauf über 2-3 Jahre halte ich schon für ein sehr optimistisches Szenario um 100/Jahr zu erreichen.
Dann aber reden wir sehr optimistisch über einen Ersatz der A/B-Flotte in Russland um 2030/32.
Glaubt wirklich jemand, dass die aktuell nur wirtschaftlich eskalierte Weltlage noch 10 Jahre anhalten wird?
Ob mit Russland als Sieger oder nach einem Rückzug aus der Ukraine:
Sobald dieser Krieg auf die eine oder andere Art beendet ist, werden nach einer kleinen Schamfrist sämtliche wirtschaftlichen Beziehungen wieder aufgenommen.
Und nach einer atomaren Eskalation brauchen wir die nächsten 50 Jahre erst mal keine Flugzeuge mehr, sondern haben andere Probleme.
Ich sehe daher kein Szenario in dem dieser Plan irgendeine Relevanz hätte.
Beitrag vom 16.06.2022 - 15:45 Uhr
Der russische Industrieminister Manturov hat heute auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg detaillierte Planzahlen bis 2030 genannt (Quelle: TASS.com).
Zunächst muß man über "neu-russisches" Rechnen lachen: Mehr als 1.000 = 564.
Zitat "Die Flugzeughersteller sagen, sie könnten bis 2030 mehr als 1.000 Zivil-Flugzeuge liefern"; aber die Summe der Planzahlen ist nur 564.
Die Planung bis 2030: 142 Superjet, 270 MS-21, 70 TU-214, 12 IL-96 und 70 Turbo-Prop IL-114-300.
Im April hieß es die Produktion werde auf 30 Superjet p.a und auf 70 MS-21 p.a. hochgefahren.
Nun haben wir über die Probleme der Umstellung von 27 Systemen (Triebwerke, Avionik, etc…) auf noch nicht entwickelte russische Substitute schon diskutiert. Deshalb halte ich diese Planzahlen für a) ernstgemeint und b) unrealistisch.
Die Zahlen klingen bezüglich von jährlich 10 TU-214 und 2 IL-96 p.a. sogar erfüllbar.
Der Turboprop IL-114 ist nach dem Crash der IL-112 in 2021 noch gar nicht fertig entwickelt.
Gruß und Tip nach St.Petersburg: "Träumt weiter!"
Gustl