Scheinselbständigkeit
Älter als 7 Tage

Ermittler durchsuchen deutsche Ryanair-Standorte

Ryanair Boeing 737-800
Ryanair Boeing 737-800, © Ryanair

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HAMBURG - Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Personaldienstleister von Ryanair und Piloten! Nach Informationen von "ZEIT Online" durchsuchten Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit am Dienstag sechs deutsche Ryanair-Standorte und fingen Piloten in den Crewräumen ab.

Bei den unangekündigten Razzien in Berlin-Schönefeld, Köln, Weeze, Frankfurt-Hahn, Bremen und Baden-Baden seien "Computer, iPads, Einsatzpläne sowie Dokumente" von den Ermittlern beschlagnahmt und Ryanair-Kapitäne zu ihren Arbeitsverhältnissen befragt worden.

"Im Raum stehen der Verdacht des Steuer- und Sozialversicherungsbetrugs sowie der Scheinselbstständigkeit", schreibt "ZEIT Online". Auch zwei Privatwohnungen von Kapitänen habe die Staatsanwaltschaft bei der Aktion durchsuchen lassen.

Die offenbar bereits seit zwei Jahren geführten Ermittlungen richten sich nicht unmittelbar gegen Ryanair, sondern gegen Personaldienstleister, mit denen Ryanair bei der Bereederung ihrer Flugzeuge zusammenarbeitet.

Gegen mehrere Piloten werde "wegen des Tatvorwurfs der Beihilfe" zu den genannten Straftaten ermittelt, sagte der Koblenzer Oberstaatsanwalt Hans Peter Gandner.

Ryanair sieht sich immer wieder mit Vorwürfen von Pilotengewerkschaften konfrontiert, die Kosten für ihr fliegendes Personal über zwischengeschaltete Personalagenturen mit zweifelhaften Beschäftigungsmodellen niedrig zu halten.

Konkret sollen Kapitäne formal auf eigene Rechnung (dem Vernehmen nach auch als Geschäftsführer britischer Limited-Gesellschaften) Verträge mit den Personaldienstleistern schließen, um dann an Ryanair "vermittelt" zu werden. Nach "ZEIT-Online"-Informationen gibt es mindestens 1.600 solcher Arbeitsverhältnisse.

"Wir hoffen, dass die neuen Ermittlungen am Ende dazu führen, dass dieses gesamte, unfaire Beschäftigungsmodell gekippt wird", sagt Jim Phillips, Vorstand für Internationales bei der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit, den Hamburger Kollegen.

Ryanair-Sprecher Robin Kiely teilte mit: "Ryanair hat sich mit den deutschen Steuerbehörden getroffen und zugestimmt, diese bezüglich ihrer Nachforschungen zu einigen Vertragspiloten ("Contractor Pilots") zu unterstützen. Die deutschen Steuerbehörden haben bestätigt, dass die Steuerfahndung nicht gegen Ryanair ermittelt."

Die Fluggesellschaft verlange von all ihren freien und fest angestellten Piloten, "dass sie sich stets entsprechend ihren steuerlichen Pflichten verhalten".
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Ryanair | 06.07.2016 15:27

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Beitrag vom 11.07.2016 - 22:17 Uhr
Steuern sind wohl nicht das Problem.

Weiß nicht ... zahle Steuern in Land X, aber lebe mehr als Y Tage in DE. Das ist schon so manchem steuerflüchtigen Tennis-Profi zum finanziellen Verhängnis geworden ... Ausschließen würde ich das jetzt noch nicht...

Das mit der Insolvenz wäre auch meine Idee gewesen. Warum soll das nicht klappen? Firma XY ist ein Personaldienstleister bei dem man Personal bezieht. Gibt es Beispiele, wo die Auftragerteilende Firma mit in die Haftung geht?

§28e(2) des SGB IV gibt das bei Arbeitnehmer-Überlassung scheinbar her ...

(2) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind.

... aber wie die Anwendung davon aussehen wird ist fraglich.

Wäre mir neu, aber wie gesagt, da bin ich nicht der Fachmann.

Ich auch nicht.

Aber das Modell der Personaldienstleister ist ja nicht ungewöhnlich oder neu.

In der Ausprägung? Auftraggeber mietet Leute dauerhaft vom Personaldienstleister, der wiederumn Ich-AGs unter Vertrag hat.
Faktisch fliegt ein so beschäftigter Ryanair-Pilot ausschließlich für eine einzige Fluglinie und hat keinerlei betriebswirtschaftliche Entscheidungsmöglichkeit, keine Kalkulationshoheit, nichts was einen Unternehmer ausmachen würde - außer den Vertrag zu lösen, was einer Kündigung beim Angestellten gleichkommt.

Also wenn ich jemals eine Scheinselbständigkeit anschaulich erklären müsste: Ein Ryanair Pilot wäre das Lehrbuchbeispiel.

Aber man ist dran, jetzt heißt es abwarten.

Das ist wahr (wie auch der Satz über die "selbständigen" Paketzusteller).
Abwarten und hoffen ...
Beitrag vom 11.07.2016 - 19:08 Uhr
@gpower,

im Prinzip wird das Arbeitsrecht ausgelotet.
Es wird aber auch "normal" eingestellt...
Beitrag vom 11.07.2016 - 15:55 Uhr
Erst wenn Ryanair nachweisen kann, dass die Piloten auch bei anderen Unternehmen arbeiten können, ist die Firma aus dem Schneider.
So einfach ist es dann doch nicht. Da gibt es einen Katalog mit Bedingungen und selbst wenn nur wenige davon nicht erfüllt sind klappt das nicht.
Das Konstrukt Ryanair-"Aviationpartner"-IchGmbH ist doch alles andere als überzeugend.
Muss ja nur einer überzeugt sein, die Finanzverwaltung.
Weiss jemand, wofür genau diese Avitionpartner benötigt werden?
(Natürlich kann Ryanair darauf bestehen, dass bestimmte Tätigkeiten nur von Personen aus einem Sub-Sub-Arbeitnernehmerverhältnis ausgeführt werden!)
Der normale Freiberufler spielt hier keine Rolle. Das Konstrukt ist viel komplizierter und vielschichtiger. Mich würde es freuen wenn man mit dem selben Elan sich um die selbstständigen Paketzusteller kämpfen würde. Hier ist die Situation eindeutiger.
Geht es nur darum, die AN-Position zu schwächen und für billiges Geld abrufbereite Piloten zu haben?
Die AN Position ist egal. Es geht darum günstiges Personal zu haben UND das unternehmerische Risiko auf den AN abzuwälzen.


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